Erweiterung der Martin-Luther-Schule in Marburg

Negativabdruck einer alten Waschbetonfassade

Unter dem Aspekt, dass die Schule heutzutage nicht mehr nur ein Ort des Lernens ist, sondern auch der Kommunikation, der Aktivitäten und des Wohlbefindens von Schülern und Lehrern, entstand der Erweiterungsbau der Martin-Luther-Schule in Marburg. Die Planung stammt von den Münchner Architekten Hess, Talhof, Kusmierz. Sie hatten den zuvor ausgelobten Wettbewerb für sich entscheiden können, der auch die Neu­ge­stal­tung der be­nach­barten Stadt­halle um­fasste. An­gesichts des großen Bau­volumens und der damit verbundenen hohen Kosten strebte die Stadt Marburg eine ab­schnitts­weise Umsetzung an, in dessen Folge die Schulerweiterung als erster Bauabschnitt realisiert wurde.

Die Haupträume des kompakten Baukörpers sind nach Süden orientiert
Ein zentraler, von oben belichteter Luft- und Erschließungsraum verbindet alle Geschosse
Als Materialien kommen Sichtbeton mit feiner Holzstruktur, lackierte Akustikverkleidungen sowie Böden aus Kautschuk zum Einsatz

Am südwestlichen Ende der Stadthalle erhebt sich nun der dreigeschossige Baukörper mit einer Bruttogrundfläche von rund 2.000 m². Um möglichst energieeffizient zu bauen, entschieden sich die Planer für einen kompakten Baukörper mit klarer Zonierung in drei Schichten: Während die Hauptnutzräume im Süden liegen, befinden sich die Nebenräume im Norden, dazwischen erstreckt sich die Erschließungszone. Im Erd­geschoss bildet die Pausen­halle mit Cafe­teria den zentralen Anker­punkt der Schule. Sie öffnet sich über die gesamte Gebäudelänge nach Süden auf eine Terrasse und zum Garten des benachbarten Universitätsmuseums sowie nach Osten zum Schulhof. Ein gebäudehoher Luft­raum ver­bindet die Pausen­halle mit den Klassenräumen in den beiden Ober­geschossen, gelegentlich unterbrochen von brückenartigen Stegen aus Beton. Belichtet werden die Aufenthalts- und Erschließungsbereiche über ein großes Oberlicht, das von einem Gebäudeende zum anderen reicht. Großzügig, hell und kontrastreich in Betongrau und kräftigem Grün gestaltet, bieten diese Bereiche viel Platz für den Austausch unter den Schülern.

Das Materialkonzept basiert auf Reduktion, Farbe und Robustheit. Für die Innenwände kam Sichtbeton mit leichter Holzstruktur zum Einsatz, außerdem geschlitzte und lackierte MDF-Platten als akustisch wirksame Wandverkleidungen in den Klassenzimmern sowie Bodenbeläge aus Kautschuk. Alle Materialien sind für den Schulbetrieb geeignet. Die Farben sind den verschiedenen Nutzungsbereichen zugeordnet. Sie dienen der Orientierung, tragen aber auch zum Wohlbefinden bei. Während Er­schließungs­bereiche und Pausen­halle in frischem Grün strahlen, ist die Farbgebung in den Klassenräumen zurück­hal­tend. Die hier eingesetzten MDF-Platten wurden in ihrer Eigen­farbe belassen und sorgen so für eine entspannte Atmosphäre.

Von außen wirkt der Schulbau eher nüchtern. Die Fassade besteht aus Betonfertigteilen unterschiedlicher Größe, deren Oberfläche einen Bezug zur benachbarten Stadt­halle herstellt. Die Fenster mit Dreifach-Isolierverglasung sind von glatten Sichtbetonfaschen umrahmt, die leicht aus der Fassadenebene hervorstehen. Das verleiht dem Gebäude Tiefe und Plastizität, vor allem an der Südseite, wo lange Fensterbänder in den Obergeschossen und raumhohe Glaselemente im Erdgeschoss dominieren. Für den Sonnenschutz sorgen Markisoletten, deren transluzentes Gewebe auch im heruntergefahrenen Zustand Ausblicke ermöglichen. An der West- und Nordseite, also in die Richtungen, in der die Schulerweiterung nahe an den Bestand rückt, sind nur vereinzelt und spielerisch kleine Fenster und Türen angeordnet. Hier wurde die Fassade als Wärmedämm­ver­bund­system ausgeführt.

Um den Passivhausstandard zu erreichen, wurde das Gebäude mit einer ent­spre­chend dicken Wärmedämmung versehen. Der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) der Außenwände liegt deutlich unter 0,15 W/m²K, die bündig in die Dämmebene gesetzten Holz-Aluminium-Fenster erreichen im Durchschnitt einen U-Wert von 0,8 W/m²K. Zugerscheinungen sind daher kaum zu befürchten, sodass auf Heizkörper im Fensterbereich verzichtet werden konnte. Für frische Luft sorgt eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Den Klassenräumen wird sie über Abkofferungen im Flurbereich zugeführt, Abluft wird in der Nebenraumzone abgesaugt. Gelüftet werden kann aber auch über das Öffnen und Schließen der Fensterflügel.

Beton
Die tragende Konstruktion des Gebäudes besteht aus 30 cm dicken Deckenplatten aus Ortbeton sowie den ebenfalls aus Beton hergestellten Außen- und Innenwänden. Die Dämmung zwischen tragender Außenwand und Betonfertigteil beträgt 2 x 60 mm, die Betonfertigteile selbst sind 12 cm dick. In den Fensterbereichen im Erdgeschoss sind sie mit glatter Oberfläche ausgeführt, darüber und in geschlossenen Fassadenbereichen mit strukturierter. Die Fensterfaschen sind ebenfalls Fertigteile, hier allerdings 20 cm stark. Die Struktur der Außenhülle ist ein um­gekehrter Ab­druck der Waschbetonfassade der angrenzenden Stadthalle aus den späten 1960er-Jahren. Sie entstand mithilfe von Matrizen, die auf eine Tischschalung aufgebracht und anschließend mit Beton ausgegossen wurden. In ihrer Negativstruktur bildet sich die typische Steinchenstruktur des Waschbetons als Vertiefung ab.

Tragende Betoninnenwände im Bereich des Treppenaufgangs sind als Ortbetonkonstruktion ausgeführt. Ihre Oberflächen zeigen den leichten Abdruck der verwendeten Holzschalung. Die nicht tragenden Wände in der Pausenhalle und den Fluren sind mit nichtbrennbaren, 16 mm dicken Akustikfaserplatten in grüner Farbe verkleidet. In den Gangzonen wurden einige Nischen in Trockenbauweise eingebaut. Sie bestehen aus 100 mm Dämmung, die beidseits mit Feuerschutzplatten GKF 2 x 12,5 mm beplankt ist und anschließend ebenfalls mit grün lackierten Faserplatten versehen wurde. Die Wände in den Klassenzimmern sind mit 16 mm starken Akustikplatten aus MDF verkleidet, Türen und Fenster mit Fichtenrahmen und außenseitigen pulverbeschichteten Aluminiumschalen sind mit luftdichten Anschlüssen ausgeführt.

Bautafel

Architekten: Hess / Talhof / Kusmierz, München
Projektbeteiligte: A. Hagl Ingenieurgesellschaft, München (Tragwerksplanung); Erdmann, Kircherer, München (Landschaftsarchitektur); Passivhausinstitut Darmstadt (Energietechnik); Müller und Partner, Gießen (Technische Gebäudeausrüstung);
Bauherr: Universitätsstadt Marburg
Standort: Savignystr. 2, 35037 Marburg
Fertigstellung: 2010
Bildnachweis: Florian Holzherr, München und Hess / Talhof / Kusmierz, München

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Das Bauen mit großformatigen, tragenden Wänden, dem sogenannten Großtafelbau, ist seit den 1950er- und 1960er-Jahren verbreitet.

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Sichtbetonoberflächen lassen sich im Herstellungsprozess oder auch nach dem Ausschalen gestalten.

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Betonoberfläche bei Verwendung einer saugenden Brettschalung

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