Pflegeheim in Dommartin-lès-Toul
Sichtbetonfassade mit Lochrelief
Gelungene Architektur ist mitunter dort zu finden, wo man sie nicht erwartet. In diesem Fall ist es eine Wiese vor einem ehemaligen Kriegsgefangenenlager der Deutschen, das später von den Amerikanern als Lazarett genutzt wurde und heute größtenteils leer steht. Es befindet sich neben einem Industriegebiet etwas außerhalb von Dommartin-lès-Toul, einer kleinen französischen Gemeinde in der Nähe von Nancy. Hier haben die Architekten vom Pariser Atelier Martel in enger Zusammenarbeit mit der US-amerikanischen Künstlerin Mayanna von Ledebur ein Pflegeheim für Epilepsie-Patienten geschaffen, das seinen Bewohnern nicht nur Schutz und Geborgenheit bietet, sondern auch in gestalterischer Hinsicht überzeugt.
Gallerie
Lediglich ein Geschoss hoch und zu allen Seiten annähernd gleich aussehend, erhebt sich das Gebäude auf quadratischem Grundriss mit Abmessungen von 60 x 60 Metern. In das kompakte Volumen sind vier Innenhöfe eingeschnitten, die es strukturieren und die Flure und innen liegenden Räume mit viel Tageslicht versorgen. Farbige Wandteppiche in den zu den Höfen sich aufweitenden Fluren helfen den Bewohnern bei der Orientierung. Sie wurden nach Entwürfen Mayanna von Ledeburs angefertigt, die sich für das Motiv von Wolken über dem Wohnheim inspirieren ließ. Ihrem Beharren ist zudem der weiche Kautschukbodenbelag auf den Gehwegen der Innenhöfe zu verdanken, der Verletzungen bei Stürzen reduziert.
Entlang der Hoflängsseiten reihen sich die Patientenzimmer
aneinander, ebenso an den Außenfassaden mit Ausnahme der östlichen,
wo die Mitarbeiter-, Funktions- und Nebenräume angeordnet sind.
Hier befindet sich auch der barrierefreie Haupteingang, vor dem
eine schmale Straße den Neubau von der Bestandsbebauung trennt. Auf
der Nord- und Südseite gibt es je zwei weitere, tief in den
Baukörper eingerückte Zugänge, auf der Westseite zwei Loggien. Die
außen liegenden Bewohnerzimmer sind mit großen Schiebefenstern
ausgestattet, die Zimmer zu den Höfen besitzen eine Glastür;
Holzraffstore sorgen bei allen für den notwendigen Sicht- und
Sonnenschutz. Aus hellem Holz bestehen außerdem die
Sandwichelemente zwischen jeweils zwei der Schiebefenster, in denen
diese in geöffnetem Zustand verschwinden.
Beton
Trotz der partiellen Holzflächen ist es der Beton, der das
Erscheinungsbild des Gebäudes prägt. Ihn überzieht ein
Fassadenrelief, das ihn weich, fast samtig erscheinen lässt.
Gestaltet wurde es von Mayanna von Ledebur nach einer Inschrift auf
einer antiken mesopotamischen Stele, die nach heutigem Wissensstand
das Phänomen der Epilepsie zum ersten Mal benennt. Die verschieden
großen runden Löcher weisen keine scharfen Ränder auf, sondern
scheinen von der ebenen Fläche nach innen gesaugt zu werden.
Zwischen den sanften, konkaven Rundungen sitzen die Ankerlöcher,
die jedoch kaum auffallen, da sie sich optisch dem Relief
unterordnen.
Die einschaligen Außenwände wurden aus konventionellem Ortbeton
errichtet und innenseitig gedämmt. Die Herstellung der
Fassadenstruktur erfolgte mithilfe eigens entwickelter
Schalungsmatrizen aus Polyurethan, deren Negativform die Planer in
einem Fab Lab aus Holz selbst anfertigten. Ein zur Stabilisierung
auf der Rückseite der Matrizen aufgebrachtes Glasfasergewebe
erlaubte ihre mehrfache Verwendung, was zur Kostenreduktion
beitrug. Vor Ort wurden sie vollflächig auf die Schalung
geklebt, dann ein Trennmittel aufgesprüht, anschließend wurde
betoniert. Nach Aushärtung des Betons erhielt er einen hellgrauen
Anstrich. -chi
Bautafel
Architekten: Atelier Martel, Paris
Projektbeteiligte: Mayanna von Ledebur (Künstlerische Zusammenarbeit); O.H.S. de Lorraine, Vandoeuvre les Nancy (Generalunternehmer); Egis Bâtiments, Nancy (Projektmanagement); Peduzzi Bâtiment, Fresse-sur-Moselle (Tragwerksplanung); La Nouvelle Fabrique (Fab Lab), Paris
Bauherr: Base + OPC et SSI
Standort: 54200 Dommartin-lès-Toul
Fertigstellung: 2015
Bildnachweis: Mayanna von Ledebur und André Cepeda
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