Umbau und Instandsetzung: Malteser Campus in Hamburg
Behutsam saniert
Eine Betonwand, die sich schneckenhausartig in den Himmel
windet, war einigen Menschen in Hamburg so kostbar, dass sie sich
für ihren Erhalt einsetzten. Gemeint ist der markante Spiralturm
der Kirche am Malteserstift St. Maximilian Kolbe. Zwischenzeitlich
von Abriss bedroht, beherbergt sie heute Büros, Seminarräume und
einen kleinen Kindergarten des Malteserstifts. Den denkmalgerechten
Umbau und die behutsame Betonsanierung planten LH Architekten in
Zusammenarbeit mit der Restaurierungswerkstatt Strotmann und
Partner.
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Benannt sind Kirche und Campus nach Maximilian Kolbe, der um
1894 als Raimund Kolbe in Zduńska Wola, südwestlich von Łódź,
geboren und 1941 in Auschwitz umgebracht wurde. 1982 sprach Papst
Johannes Paul II. den Franziskanerpater heilig, unter anderem weil
er im Konzentrationslager anstelle eines Mitinsassen freiwillig in
den Hungerbunker ging.
Das Malteserstift St. Maximilian Kolbe liegt im Süden Hamburgs,
nur wenige Gehminuten vom Wilhelmsburger Inselpark entfernt. In dem
Altenpflegeheim können rund 130 Menschen versorgt werden. Zu dem
länglichen Gebäude, dessen Balkone sich an der Straße entlang
staffeln, gehören außerdem ein Andachtsraum, eine Cafeteria und
eine Gartenanlage. Am Südende umfassen der Kopf des länglichen
Gebäudes, ein rückwärtiger Anbau und die gegenüberstehende,
ehemalige Kirche einen kleinen Platz. Durch diese städtebauliche
Situation ist für alle, die von Norden aus der Innenstadt kommen,
die Betonspirale des Kirchenturms das Erste, was hinter dem
Stiftsgebäude auftaucht.
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Inszenierte Spirale
Ursprünglich entwarf der Architekt Jo Filke das von 1972 bis
1974 errichtete Gebäude mit seinem gleichermaßen kompakten wie
vielansichtigen Baukörper für die Katholische Kirche. Angewinkelte,
massive Außenwände werden von gestaffelten, vertikalen
Buntglasbändern – auch Fahnenfenster genannt – durchbrochen, die
bis unter das ansteigende Dach reichen. Neu hinzugekommene,
horizontale Fensterbänder zeigen hingegen an der Südseite, dass das
Gebäude dort heute zweigeschossig ist. Im Osten, und daher von der
Straße kaum sichtbar, schmiegt sich kranzartig ein Flachbau an die
Fassade, dessen Fensterreihen auf Büros hindeutenden. Einst
eingeschossig, ist dieser Trakt im Zuge des Umbaus um ein zweites
Geschoss aufgestockt worden – zu erkennen an der weißen
Putzfassade.
Während die kantigen Ansichten von gelblich-beigem Klinker und
den weißen Stützen zwischen den Fahnenfenstern geprägt sind,
besteht die einzige gerundete Wand aus rauem Sichtbeton.
Das Schalbild suggeriert vier gestapelte Bänder, die an der
Südwestecke beginnen und dann in einem langen Bogen an der Straße
im Westen vorbeiziehen, bevor sie sich einzudrehen beginnen und
immer steiler werdend in die Turmspirale übergehen. Der
dahinterliegende Kirchenraum scheint, betont von den aufgefächerten
Unterzügen der ansteigenden Dachkonstruktion, ganz um diese Spirale
zu kreisen. Deren Inneres – unter dem sich einst der Altar befunden
haben muss – leuchtet ein Oberlicht dramatisch aus. Die Bänke waren
ursprünglich halbkreisförmig um diesen Punkt angeordnet, der
Übergang vom Altar- zum Gemeinderaum fast nahtlos.
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Vom Abriss bedroht
2014 wurde ein Abriss diskutiert, aufgrund von Bauschäden, aber
auch, weil es für die Räume zwischenzeitlich kaum Verwendung gab.
Ein Denkmalverein und das Denkmalamt konnten das verhindern. Wenig
später erwarb die Malteser Norddeutschland das Gebäude und lobte im
November 2015 einen Architekturwettbewerb zur Umgestaltung des
Innenraums aus.
LH Architekten gewannen den Wettbewerb mit einem Konzept, bei
dem Raumeindruck, Bausubstanz und äußere Erscheinung weitestgehend
erhalten und dabei das Raumprogramm denkmalgerecht in dem
Gebäudevolumen untergebracht werden sollte. Die Nutzung durch den
Malteser-Orden war einerseits vorteilhaft, um das Baudenkmal zu
erhalten. Andererseits drohte der Flächenbedarf der geplanten
Nutzungen die Wirkung des sakralen Innenraums erheblich zu
beeinträchtigen.
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Dezente Aufstockung und begehbares Möbel
Um trotz der denkmalpflegerischen Ziele zusätzliche Nutzflächen
zu generieren, erhielt der rückwärtige Flachbau ein zweites
Geschoss. So blieben die exponierten, von der Straße aus
einsehbaren Hauptansichten des Gebäudes unberührt und zugleich der
sakrale Hauptraum weitgehend frei. In der Aufstockung und dem
Bestandsgeschoss befinden sich Büroarbeitsplätze, deren
erforderliche natürliche Belichtung und Belüftung durch die
Fensterreihen sichergestellt ist.
Zwei neue Fensterbänder an der Südfassade deuten auf
Veränderungen im Kirchenraum hin: Hier befindet sich nun ein
möbelartiger Einbau, der unten zwei Kindergartengruppen aufnimmt,
während oben Platz ist für Seminarräume. Durch einen Rücksprung im
Obergeschoss entsteht eine Empore, von der aus in den
eindrucksvollen Kirchenraum geblickt werden kann. Zugleich betont
der Versprung – in Kombination mit der wie gefaltet wirkenden,
weißen Innenfassade – den möbelhaften Charakter des Einbaus.
Die weiteren neuen Oberflächen sind überwiegend hölzern und
orientieren sich an der Farbigkeit der Dachbinder und des
ehemaligen Gestühls.
Neben diesen Eingriffen, bezogen die Architekt*innen aber auch
viele Elemente des Bestands räumlich wie funktional in die
Umnutzung ein: Die Fahnenfenster dienen der Belichtung und
Belüftung der kleineren Büroräume, der ehemalige Altarraum wurde
zur sogenannten Plaza und die Madonnennische zum Vorbereich für den
Fahrstuhl. Zudem verbindet der ehemalige Übergang zur Sakristei nun
Elternküche und Kinderhort. Die neu eingerichtete Kapelle erhielt
ihren Platz unter dem Spiralturm, von der Plaza abgeschirmt durch
raumhohe Holzlamellen.
Der spiralförmig aufsteigende Turmbaukörper ist einst als
einschalige homogene Gebäudehülle gegossen und durch Abdrücke einer
vertikalen Brettschalung gestaltet worden. Drei horizontal zum Turm
ansteigende Dehnungsfugen und eine vertikale Fuge in der
Fassademitte strukturieren die Hauptfassade. Der beim Bau
verwendete, gefügedichte Leichtbeton, Thermokret-Beton
genannt, enthält Blähton-Granulat als Zuschlag für
eine verbesserte Dämmwirkung. Über die Jahrzehnte hatten
Feuchteeintrag und Bewitterung ihre Spuren hinterlassen: Risse und
Frakturen waren zu sehen, Ausbrüche durch Auswaschungen und
Rostschäden an der Bewehrung. Auch Graffitis und Pflanzen hatten den
Beton beeinträchtigt.
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Bevor die ersten Schäden behoben wurden, untersuchten die
Mitarbeitenden des Architekturbüros und der Restaurierungswerkstatt
ausgiebig das Gebäude und seinen Beton. Im Zuge dessen fertigten
sie umfassende Bestands- und Zustandskartierungen an, die als
Grundlage für das weitere Vorgehen dienten. Die Maßnahmen sollten
nicht nur die bauzeitliche Erscheinung des Gebäudes
wiederherstellen, sondern auch Beton und Bewehrung in den kommenden
Jahren schützen.
Strotmann und Partner erarbeiteten ein Konzept der schonenden
Restaurierung: Statt großflächiger Eingriffe, Beschichtungen oder
Lasuren, die die Originalität der Sichtbetonoberflächen
irreversibel zerstört hätten, wurden erhaltene Maßnahmen und eine
punktuelle Instandsetzungen geplant. Dazu gehörte unter anderem
absandende Bereiche zu festigen, freiliegende Armierungseisen zu
behandeln, Fehlstellen zu ergänzen und diese Ergänzungen – mittels
Retuschen und Lasuren – farblich an die Umgebung anzupassen.
-ml
Bautafel
Architektur: LH Architekten Landwehr Henke + Partner, Hamburg Projektbeteiligte: R&P Ruffert Ingenieurgesellschaft (Tragwerk); CRP Bauingenieure (Bauphysik); Ingenieurbüro T. Wackermann (Brandschutz); Burkhard Wand – Lichtplanung (Beleuchtungskonzept Plaza); ILEB Ingenieurbüro (Schallschutz); Brendel Ingenieure (TGA); Nüthen Restaurierungen (Betonsanierung); Strotmann und Partner - Werkstatt für Restaurierung, Konservierung und Betonkosmetik, Dr. Ewa Piaszczynski (Restauratorisches Konzept) Bauherrin: Valletta (vormals Malteser Werke), Köln Standort: Krieterstraße 9, 21109 Hamburg-Wilhelmsburg Fertigstellung: 2022 Bildnachweis: Fotografie Dorfmüller Klier (Fotos); LH Architekten (Pläne und Fotos Betonsanierung)
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