Erinnerungsort Olympia-Attentat in München
Einschnitt im Park
Mit einem räumlich wie symbolisch einschneidenden Entwurf setzen Brückner & Brückner ein Zeichen gegen das Vergessen. Zwischen Olympiadorf und -park, nahe dem damaligen Tatort, erinnert der Einschnitt an das Attentat von 1972, bei dem die Terrororganisation Schwarzer September elf israelische Athleten und einen Polizisten töteten. Das kleine Bauwerk eröffnete 2017.
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Mit ihrem Entwurf, der aus einem Wettbewerb hervorging, verzichteten die Architekt*innen auf eine monumentale bauliche Geste. Stattdessen nutzen sie die bestehende Landschaft, ganz in der Manier von Günther Grzimek, der die Parkanlagen des Olympiageländes gestaltete. Der Lindenhügel bleibt in seiner natürlichen Gestalt erhalten, wird jedoch an einer Seite aufgebrochen. Ein horizontaler Schnitt nimmt der Anhöhe ihre Mitte und schafft dadurch Raum – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Der Abtrag werde zum architektonischen und erinnerungspolitischen Eingriff, zu einer topografischen Narbe, so die Planenden.
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Breite Stufen führen in die Gedenkstätte: ein geschützter, rund um die Uhr zugänglicher Raum. Das Herzstück bildet ein gläserner Keil, auf dem die Biografien der zwölf Opfer abgebildet sind. Ihre Namen, Gesichter und Geschichten sollen so ins Zentrum rücken. Eine elf Meter breite Medienwand ergänzt die Ausstellung. Zu sehen ist hier eine 25-minütige Videosequenz, die die Chronologie des Attentats anhand historischer Aufnahmen und Stimmen von Zeitzeugen wiedergibt.
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Den Einschnitt lösten die Planenden mit einer Stahlplatte, die den darüber aufgeschütteten Hügel trägt. Sie lagert linienförmig auf den Stahlbetonwänden des Technikraums und der zentralen, keilförmigen Stütze. Die Deckenkonstruktion ähnelt einem flächigen Vierendeelträger: Sie besteht aus zwei 12 mm starken, 400 mm auseinanderliegenden Stahlblechen, die durch senkrechte Stege miteinander verbunden sind. In die Fundamentplatte ist ein Becken mit flachen, angewinkelten Treppenstufen integriert. Diese wurden mit einer Stahlrostkonstruktion auf der Fundamentbewehrung modelliert und dann mit ausbetoniert. Dabei dienten die Stahlbleche der Sitzstufen als verlorene Schalung.
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Eine intensive Dachbegrünung sorgt für einen fließenden Übergang zur umgebenden Landschaft. Das verbaute Landschaftsdachsystem ermöglicht eine Bepflanzung mit Gräsern, Sträuchern und kleineren Gehölzen. Durch den mehrschichtigen Aufbau aus Trenn-, Schutz- und Speichervlies, einem Drän- und Wasserspeicherelement, einem Filtervlies, Untersubstrat und Intensivsubstrat ist die Vegetation robust und auch während Trockenperioden geschützt. Das Betreten des Dachs ist allerdings untersagt. Der Erinnerungsort fügt sich so nicht nur gestalterisch, sondern auch ökologisch in die Olympialandschaft ein.
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Brückner & Brückner schufen mit ihrem Einschnitt eine Gedenkstätte ohne Pathos, jedoch mit Platz für Information und Erinnerung. Zwischen den Gesteinsaufschüttungen des Olympiaparks von Grzimek und den Zeltdächern von Behnisch und Otto stellt sich die Frage, ob Zurückhaltung allein dem historischen Gewicht des Ortes gerecht wird.
Bautafel
Architektur: Brückner & Brückner Architekten und Winfried Helm (Theorie & Praxis)
Projektbeteiligte: Susanne Wichlitzky und Honcolor Multimedia (Installation); Mittnacht Beratende Ingenieure, Würzburg (Tragwerksplanung); Dorn Architekten Ingenieure, München (Brandschutz); W. Markgraf, Immenreuth (Stahlbau); Optigrün international (Begrünungssystem)
Bauherr*in: Freistaat Bayern, Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
Fertigstellung: 2017
Standort: Kolehmainenweg 11, 80809 München
Bildnachweis: Brückner & Brückner Architekten; André Mühling, München; Christian Horn, Horncolor Multimedia, Puchheim
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