Wer in Brütten lebt, genießt bei gutem Wetter eine schöne
Aussicht auf die Alpen. Die auf 640 Metern Höhe gelegene Gemeinde
gehört zum Bezirk Winterthur im Zentrum des schweizerischen Kantons
Zürich. Mittlerweile leben knapp 2.200 Menschen hier – rund tausend
mehr als noch 1980. Wie kann dieses Wachstum bewältigt werden,
ohne die gewachsene Dorfstruktur zu stark zu beeinträchtigen? Und
wie kann sich der Ort an die veränderte Altersstruktur anpassen?
Ideen zu diesen Fragen wurden 2017 in einem Wettbewerb für das
Dorfzentrum gesammelt, aus dem der Entwurf des Architekturbüros
Roider Giovanoli hervorging.
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Eingereicht werden sollten Entwürfe für vier Neubauten einen
Grünraum. Das Budget stammte aus dem Nachlass der verstorbenen
Eheleute Hans und Anna Köchli-Trüb. Sie übertrugen es der Gemeinde
mit der Auflage, „betagte Einwohner von Brütten so zu
unterstützen, damit diese möglichst lange in Brütten wohnhaft
bleiben können“.
Roider Giovanoli schlugen vor, die ehemalige Obstbaumwiese zu
einer von allen Seiten erreichbaren Allmend zu machen, also einem
von der Dorfbevölkerung gemeinschaftlich nutzbaren
Gemeindegrundstück. Um diese herum gruppieren sich die drei
architektonisch ähnlich gestaltete Wohngebäude. Den bisher isoliert
wirkenden Gemeindehausplatz aus den 1980er-Jahren plante das
Architekturbüro um, sodass dieser nun besser an Kirche, Dorfplatz
und Brüelgasse angebunden ist. Mit der gemeinschaftlich genutzten
Allmend soll er zu einem zentralen Begegnungsraum für die Menschen
des Ortes werden. In den nächsten Etappen soll ein weiterer Bau mit
Lebensmittelgeschäft, Bistro und zusätzlichen Alterswohnungen
folgen. Außerdem ist ein Wohn- und Gewerbehaus an der Westseite der
Brüelgasse vorgesehen.
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In einer ersten Etappe, von 2017 bis 2021, wurde das erste Haus
mit sechs großzügigen Alterswohnungen errichtet sowie der nördliche
Teil der Allmend gestaltet. Der Neubau liegt genau zwischen dem
Gemeindehaus und der neuen Grünzone. Er beherbergt nicht nur die
altersgerechten Wohnungen im ersten Obergeschoss und Dachgeschoss,
sondern im Parterre auch einen Gemeinschaftsraum, der von allen im
Ort genutzt werden kann.
Das ausladende Satteldach, die Gauben und der klar abgesetzte
Sockel sind gestalterische Elemente der traditionellen Häuser im
Ort auf, die das Architekturbüro aufgriff, damit sich der Neubau
gut in die Umgebung einfügt. Allerdings durchbricht er auch
herkömmliche Bautraditionen, da neben dem traditionellen Holz auch
Eternit, Beton und Stahl zum Einsatz kommen. Die hölzerne
Balkonschicht über weiß lackierten Stahlstützen ruht auf einem
skulptural wirkenden Betonsockel. Die Stirnfassaden umhüllen
ornamental anmutende Eternitplatten. Dazwischen fasst die Fassade
die Wohngeschosse visuell zusammen.
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Prägend für die Wohnungen im ersten Geschoss sind die
großzügigen Lauben, die von einem großen, zentralen Raum aus
betreten werden. Die Wohnungen im Dachgeschoss hingegen
charakterisiert ein zeltartiger überhoher Wohnraum. In diesem
Geschoss gibt es keine Lauben. Stattdessen wurden die Gauben als
großzügige Wintergärten ausgebildet. Bei der Gestaltung aller
Wohnungen wurde darauf geachtet, dass sie flexibel genutzt werden
können, um bei Bedarf auch Familien beherbergen zu können.
Die unterschiedlich ausgebildeten Längsseiten des Gebäude –
Lauben und Laubengang – sollen helfen, gegensätzlichen
Wohnbedürfnissen gerecht zu werden. In dem Mehrparteienhaus soll
sich gleichermaßen der Wunsch nach Kontakt und Gemeinschaftlichkeit
wie der Wunsch nach Rückzug und Privatheit erfüllen können. Allen
Wohnungen ist daher auch gemeinsam, dass ihre Küchen und Bäder zum
Laubengang ausgerichtet sind, während die Wohn- und Schlafräume dem
Bedürfnis nach Privatsphäre entsprechend auf der anderen Seite
liegen.
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Laube und Laubengang
Durch die Einhausung werden die Treppen und privaten Außenräume
vor Regen, Schnee und übermäßiger
Sonneneinstrahlung geschützt. Nach Südosten, zur Allmend hin,
handelt es sich um Lauben mit eingebauter Sitzbank. Mit dem Begriff
werden im Schweizer Alpenraum die oft länglichen, eingehausten
Balkone von Bauernhäusern bezeichnet. In Brütten erstrecken sich
die Lauben über die gesamte Längsseite und bilden gewissermaßen
eine „Filterschicht“ zwischen privatem Wohn- und öffentlichem
Grünraum. Auf der anderen Seite dient der überdachte Außenraum
als Laubengang zur Erschließung der Wohnungen. An ihn ist auch
die Treppe angeschlossen, um die herum die Wohnungseingänge liegen.
So ergibt sich ein Raum für Begegnungen mit Nachbar*innen.
Als weitere Sonnenschutzelemente finden sich bei den Lauben
grüne Markisen und beim Laubengang ebenso grüne
Außenrollos, die in nach außen geneigten Schienen verlaufen. In der
halboffen Struktur ist außerdem die Dachkonstruktion von unten
einsehbar. In die Deckung eingestreute durchsichtige Pfannen lassen
natürliches Licht in den Erschließungsraum und sorgen für
eine je nach Tageszeit wechselnde Atmosphäre.