DFAB House in Dübendorf

Ein Bau schlägt Wellen

Das Ganze ist bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile. Beim DFAB House liegt das Augenmerk trotzdem auf eben jenen Teilen – genauer noch: auf den Methoden ihrer Entstehung. Acht Lehrstühle der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich haben sich bei der Planung des Projekts in Dübendorf bei Zürich zusammengetan. Unterstützt wurden sie von zahlreichen Partnern aus der Industrie. Der dreistöckige Aufbau ist Teil des modularen Forschungs- und Innovationsgebäudes NEST und entstand im Rahmen des durch den Schweizer Nationalfonds geförderten, nationalen Forschungsschwerpunkts „Digitale Fabrikation". Das Ensemble aus mehreren Pilotprojekten soll auf engstem Raum nachhaltige Bautechnologien der nächsten Generation vereinen.

Gallerie

Das Haus bietet eine Wohnfläche von 200 Quadratmetern und wird bis zu vier akademischen Gästen der Bauherrenschaft als temporäres Zuhause dienen. Wichtiger als die Nutzung ist für die Baubranche allerdings die Tatsache, dass der Bau überwiegend mit digitalen Verfahren entworfen, geplant und gebaut wurde. Die hier vorgelebte, enge Zusammenarbeit von Forschung und Industrie soll zukünftig den Transfer neuer Technologien in die Praxis beschleunigen.

Während die Eingangsebene auf der dritten Etage des NEST-Gebäudes vorrangig aus Beton und Glas konstruiert ist und gemeinschaftliche Wohnbereiche aufnimmt, haben die beiden Geschosse mit den privaten Rückzugsräumen darüber ein Holzfachwerk mit einer lichtdurchlässigen Hülle. Die vorgefertigten Bauteile der Holzstruktur sind von zwei Baurobotern montiert worden. Diese fügten die präzise geschnittenen Balken zu einem komplexen Raumtragwerk, das sich durch seine Geometrie selbst aussteift. Die Bekleidung der zum Teil doppelt gekrümmten Flächen übernimmt ein spezielles Fassadenmaterial, bei dem Aerogel-Granulate zwischen zwei Membranplatten eingebracht und stabilisiert werden. Die so entstandene Hülle ist bei einem U-Wert von 0,165 W/m2K zwischen 80 und 120 Millimeter dick und transluzent, sodass fast überall Licht ins Innere gelangen kann.

Dem Anspruch, ein Haus der Zukunft zu planen, ist wohl auch die smarte Haustechnik geschuldet: Eine mehrstufige Einbruchsicherung, automatisierte Blendschutz- und Beschattungsmöglichkeiten, sogenannte intelligente Hausgeräte und eine Sprachsteuerung sollen den Bewohnern den Alltag erleichtern.

Schalung: 3D-sandgedruckte Schalelemente

Die einzelnen Bauteile des unteren Geschosses in Beton sind, unter anderem, mittels 3D-Druck, robotergestütztem Bauen, automatisierter Fertigungsverfahren und CNC-Techniken entstanden.

Mit einer Anpassung der Deckengeometrie an die tatsächliche statische Belastung lässt sich massiv Material – und damit auch Herstellungsenergie – einsparen. Bisher scheitert eine derartige Optimierung von Betonfertigteilen oft noch an den komplexen Formen der dafür nötigen Schalung. Für die hier entwickelte, Smart Slab genannte Rippendecke nutzten die Planer digitale Daten der Tragwerksberechnung, um mittels 3D-Sanddruck Schalungen zu erstellen. Die Belastungssituation wird durch die spezielle Geometrie also gestalterisch sichtbar gemacht.

Im 3D-Sanddruck entstehen die Schalelemente durch die Injektion von Kunstharzbindern in das Rohmaterial Sand. Die mit dem künstlichen Sandstein geschalte Fläche formt die strukturierte Unterseite der Decke. Den größten Teil der Eigenlasten und der Lasten aus den oberen Geschossen nehmen Betonrippen auf, die zusammengesetzt auf der Oberseite der Decke ein Gitter bilden. Für die Schalung dieser eigentlichen Tragstruktur nutzten die Planer CNC-gelaserte Holztafelelemente.

Die montierte Schalung wurde zunächst mit einer dünnen Schicht ultrahochfestem, faserverstärktem Beton bespritzt. Anschließend floß der Beton in die Gitterstruktur. Die fertige Decke besteht aus 11 unregelmäßig geformten, länglichen Fertigteilen, die nach zwei Wochen Aushärtezeit vor Ort per Kran in Querrichtung aneinander montiert wurden. Abschließend wurden die Elemente für eine bessere Tragwirkung vorgespannt. Das zusammengesetzte Bauteil wird mittig von einer S-förmigen Wandscheibe getragen, über die es bis zu vier Meter auskragt.

Der Materialverbrauch konnte, im Vergleich zu herkömmlichen Betondecken, um etwa 65 Prozent reduziert werden. Die entstandenen Wölbungen nehmen darüber hinaus diverse haustechnische Installationen auf. Durch 3D-Druck können selbst komplexe gestalterische Vorstellungen in die Optimierung einfließen, ohne die Produktionszeit wesentlich zu verlängern.

Bewehrung als Schalung

Die geschwungene, 12 Meter lange Betonwand entstand auf Grundlage des sogenannten Mesh Mould: einer Metallgitterstruktur, die gleichzeitig Schalung und Bewehrung ist. Hergestellt wurde diese vor Ort durch einen Fertigungsroboter. Auf die Herstellung von Sonderschalungen zur einmaligen Verwendung konnte damit verzichtet werden; gleichzeitig wurde die aufwendige Erstellung des Gitterelements mit seinen 22.300 Schweißpunkten weitgehend automatisiert.

Einen höheren handwerklichen Aufwand nahmen die Planer bei der Betonage in Kauf: Der spezielle Beton musste in die Form eingefüllt werden, die Metallgitterstruktur wurde mit Spritzbeton bedeckt und am Ende war die Wandfläche zu glätten – alles in Handarbeit. Weil in vielen Fällen gekrümmte Geometrien statisch effizienter sind als rechtwinklige oder lineare Tragwerke, hat die Idee, Bewehrung und Schalung zusammen zu denken, dennoch Potenzial.

Gleitschalverfahren für Fassadenstützen

Auch die 15 Fassadenstützen aus Stahlbeton ließen die Planer vorfabrizieren. Ihre Geometrie hat einen variablen Querschnitt, der sowohl gestalterischen Aspekten als auch ihrer jeweiligen Rolle bei der Lastabtragung geschuldet ist. Möglich macht das ein digital gesteuertes Gleitschalungsverfahren namens Smart Dynamic Casting. Dabei wird selbstverdichtender Beton in eine flexible, dynamische Schalung gefüllt, die nach oben wandert und das Material so während des Aushärtens formt.

Die unterschiedlich geformten Fassadenstützen konnten so – statt mit 15 verschiedenen individuell gefertigten Schalungen – mithilfe eines einzigen Systems erstellt werden. Für die Herstellung eines Pfostens waren 23 Liter Beton und vier Stunden Produktionszeit nötig. Eine Herausforderung bei diesem Prozess war die Kontrolle des Hydratationsgrades, anhand dessen die Gleitgeschwindigkeit der Schalung berechnet wurde. -chi

Bautafel

Architektur: NFS Digitale Fabrikation, ETH Zürich (Konzept: Prof. Matthias Kohler, Konrad Graser; Design und Projektmanagement: Konrad Graser, Marco Baur, Sarah Schneider)
Projektbeteiligte: Erne Holzbau, Laufenburg (Generalplanung); Dr. Schwartz Consulting, Zug (Tragwerksplanung); Bakus Bauphysik und Akustik, Zürich (Bauphysik); Elektro Siegrist, Kaisten (Elektrotechnik); Häusler Ingenieure (HLK / Sprinkler-Planung); Schibli Gebäudetechnik (Gebäudetechnik); Sommerlatte & Sommerlatte, Zürich (Lichtdesign)
Bauherr: Empa, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Dübendorf
Standort: Überlandstrasse 129, CH-8600 Dübendorf
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Empa, Dübendorf

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