_Nachhaltig Bauen
Mehrfamilienhaus in Hamburg
Getarnter Geschosswohnungsbau
In direkter Nachbarschaft zum Kunst- und Mediencampus Finkenau sowie zur Hochschule für Bildende Künste Hamburg verläuft die Leo-Leistikow-Allee, die von einem langen Reihenhauszug begleitet wird. Was wie eine Zeile aus 22 Stadthäusern wirkt, gilt rechtlich und baulich als ein einzelnes Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen. Wer die Allee hinunter geht, wird das jedoch kaum von selbst feststellen, denn jedes Reihenhaus hat seinen eigenen Eingang, eine individuelle Klinkerfarbe und Fassadengestaltung. Entworfen wurde das Ensemble von insgesamt drei Architekturbüros für die Baugemeinschaft StadtFinken.
Gallerie
Das Mehrfamilienhaus gehört zu einem groß angelegten
Wohnungsbauprojekt, in dessen Zuge in den letzten Jahren auf dem
Grundstück eines ehemaligen Pflegeheims in Hamburg-Uhlenhorst
insgesamt 650 Wohneinheiten entstanden sind. MoRe Architekten
gewannen in Arbeitsgemeinschaft mit Mudlaff & Otte Architekten und
Studio Witt das Bieterverfahren für den Bauabschnitt an der
Leo-Leistikow-Allee, für das sie neben einem Kaufpreisgebot auch
ein Bebauungskonzept vorlegen mussten. Das Projektberatungsbüro
Conplan stellte nach dem Wettbewerbsgewinn eine
generationenübergreifende Baugruppe mit 42 Parteien zusammen,
welche die Rolle der Bauherrschaft übernahmen. 2019 konnte die ARGE
den Bau der 42 Wohneinheiten abschließen.
Gemeinsame Traufhöhe, individuelle Gestaltung
Beim
Entwurf griffen die Architekten Mudlaff und Otte auf ihre Studien
zu historischen Hamburger Stadthäusern zurück. Dabei stellten sie
wichtige architektonische Elemente heraus: rote Klinkerfassaden,
zweigeschossige Erker und überhöhte Natursteinportale. Die
einzelnen Reihenhäuser wurden unter den Architekten der ARGE
aufgeteilt. Diese waren frei, die genannten architektonischen
Elemente im Neubau modern zu interpretieren und in spielerischer
Art zu arrangieren. Insgesamt ergab sich dadurch eine Vielfalt an
Fassaden, die gemeinsam ein harmonisches Ganzes bilden, da die
Stadthäuser die gleichen Traufhöhen aufweisen.
Die 22 Bauten sind jeweils fünf bis acht Meter breit und dreigeschossig mit einem zusätzlichen Staffelgeschoss sowie einer Dachterrasse nach Südwesten. Alle unteren Wohnungen besitzen eine rückwärtige Terrasse mit privatem Gartenanteil. Ein Gemeinschaftsraum und -garten sowie eine Werkstatt und zwei Tiefgaragen mit Anschlüssen für E-Mobilität gehören ebenfalls zum Projekt. Zweigeschossige Maisonettewohnungen machen den größten Teil des Wohnungsangebots aus. Dazu kommen fünf Meter schmale Lofthäuser und ein 13 Meter breites Zwillingshaus.
Nachhaltig Bauen: Sole-Wasser-Wärmepumpe mit Erdsonde,
Photovoltaik-Anlage, Biogas-Blockheizkraftwerk
Das insgesamt
145 Meter lange Gebäude soll in der Energieversorgung von
Wohnhäusern der Stadt Hamburg eine Vorbildfunktion einnehmen. Die
durchmischte Häuserzeile erreicht den Effizienzhaus-Plus-Standard,
was bedeutet, dass die Gebäude in der Jahresbilanz mehr Energie
gewinnen als sie verbrauchen. Die Dämmwerte entsprechen dem
Passivhaus-Standard und werden mit 20 cm Mineralwolle-Dämmung
hinter der Vorsatzschale aus Vollsteinmauerwerk erreicht. Mögliche
Wärmebrücken
berechnete das Ingenieurbüro im Einzelnachweis. Das Energiesystem
besteht aus einer Sole-Wasser-Wärmepumpe mit Erdsonde, einer
Photovoltaik-Anlage (PV) und einem Biogas-Blockheizkraftwerk (BHKW)
für die Trinkwassererwärmung. Die Erdwärmeleitungen werden hier
auch für die Kühlung verwendet, sodass im Sommer kühles Wasser
durch die Fußbodenheizung fließt.
Zur Effizienzsteigerung haben die Energie-Fachplaner zusätzlich eine Abwasserwärmerückgewinnungsanlage eingebaut, welche die Restwärme aus dem Warmwasser zieht. Dieses System wurde ursprünglich für eine Restaurantkette entwickelt und ist nun das erste Mal in einem Wohnungsbau zu finden. Der Nutzen des Systems wird überwacht und ausgewertet. Bislang wird er als durchaus hoch eingeschätzt, da nur 20-30 Prozent der Wärmeenergie für Warmwasser verwendet werden. Überschüssiger Strom aus dem BHKW und der PV-Anlage nutzt die Gemeinschaft für ihre E-Bikes und Elektroautos.
Die Reihenhäuser sind nicht nur in Planung, Betrieb und der Verwaltung als ein einziges Gebäude zukunftsweisend und nachhaltig. Für den Bau kamen auch überwiegend Baustoffe mit den Labels Nature Plus oder Blauer Engel zum Einsatz. So sind etwa nur umweltverträgliche Lacke und Farbe verarbeitet worden. Das Projekt wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bundespreis für Umwelt & Bauen 2020 sowie mit dem, 1. Preis in der Kategorie Neubau des KfW Award Bauen 2020 (mehr dazu siehe Surftipps). –sh
Bautafel
Architektur: ARGE Mudlaff & Otte Architekten, Hamburg / MoRe Architekten, Hamburg / Studio Witt Architecture and Design, Hamburg
Projektbeteiligte: Conplan, Hamburg (Projektentwicklung/Baugruppenbetreuung); Dudda Energiesysteme, Hamburg (TGA); Dr. H. Marxen-Drewes, Melsdorf (Freiraum); Schreyer Ingenieure, Bad Odlesloe (Tragwerksplanung)
Bauherrschaft: StadtFinken c/o Conplan, Hamburg
Fertigstellung: 2019
Standort: Leo-Leistikow-Allee 47-89, 22081 Hamburg
Bildnachweis: Sebastian Glombik, Braak bei Hamburg; Daniel Sumesgutner, Hamburg; Claus M. Morgenstern, Mannheim