Schalenbrücke aus Beton

Verbindung aus textiler Schalungskonstruktion und 3D-Spritzbeton

Dünne Schalentragwerke haben hohe Anforderungen an Geometrie, Statik und das zu verwendende Material. Die Realisierung ist oftmals kostenintensiv und planerisch aufwendig: Gängig war früher etwa der Einsatz von physikalischen Hängekettenmodellen zur Modellierung der Schalenkonstruktionen. Mit Einzug der computerbasierten Planung haben sich dahingehend neue Möglichkeiten ergeben. Darauf basiert die Forschungsarbeit aus dem Sonderforschungsbereich Transregio 277 Additive Manufacturing in Construction AMC. In diesem Rahmen entwickelten Studierende und Lehrende der Technischen Universität Braunschweig, Delft und München einen neuartigen, computerbasierten Entwurfs-, Planungs- und Fertigungsprozess für eine Betonschalenbrücke.

Gallerie

Textile Schalung für robotergestützte Spritzbeton Brücke

Mit additiven Planungs- und Fertigungsmethoden lassen sich komplexe Schalenkonstruktionen mit hoher Gestaltungs- und Formfreiheit herstellen, die gegenüber traditionellen Bauweisen weniger schalungs- und arbeitsintensiv sind – darauf zielt die universitätsübergreifende Forschungsarbeit ab, aus der ein Prototyp der Fußgängerbrücke in Originalgröße hervorging.

Der im Maßstab 1:1 gebaute Demonstrator vereint zwei digitale, unabhängig voneinander entwickelte Betonbautechnologien in einem nahtlosen Prozess: Die als KnitCrete bekannte Technologie, bei der eine CNC-gestrickte stay-in-place Schalung (verlorene Schalung) hergestellt wird, wird mit Shotcrete 3D Printing (SC3DP) – dem robotischen Spritzbeton-3D-Druck – kombiniert. Zusätzlich werden eine rechnergestützte Formfindung, die robotisch gewickelte Faserverstärkung, eine CNC-Nachbearbeitung und die geometrische Qualitätsprüfung in den Arbeitsablauf integriert. Insgesamt wird damit die Präzision und Effizienz dieser Herstellungsmethode gewährleistet. Die Nachteile herkömmlicher Schalenkonstruktionen wie hoher Materialabfall, gesteigerte Arbeitskosten und Korrosion sollen so vermieden werden.

Gallerie

Versuchsaufbau und Ablaufplanung

Das Gesamtfertigungskonzept von Robotic Knitcrete umfasst das digitale Entwerfen und Modellieren der Brücke auf der einen und den Herstellungsprozess auf der anderen Seite. Letzterer gliedert sich in mehrere Stufen: Grundlage ist zunächst der manuelle Aufbau der Unterkonstruktion. Alle weiteren Produktionsschritte wie etwa die Herstellung der textilen Schalung, der Betonauftrag mit Bewehrungseinbau und die Oberflächennachbearbeitung erfolgen automatisiert.

Gallerie

Die Unterkonstruktion der Brücke besteht aus zwei identischen gegossenen und verstärkten Fundamentblöcken, in die Kartuschen für die biegeaktiven Bewehrungsstahlstäbe eingebettet sind. Diese definierten die spätere Geometrie der geplanten Fußgängerbrücke. Die Textilschalung wurde vorab – anders als alle anderen automatisierten Versuchsschritte – an der TU Delft mit einer CNC-Strickmaschine hergestellt. Der Produktionsprozess der Textilien, die im gestreckten Zustand eine Spannweite von 5 Meter überbrücken, dauerte in etwa vier Stunden. Dieser durch Knitcandela bekannt gewordene KnitCrete-Prozess von Mariana Popescu fand hier erstmalig vollautomatisiert statt. 

Im Digital Building Fabrication Laboratory (DBFL) des Instituts für Tragwerksentwurf (ITE) der TU Braunschweig wurde die Textilschalung durch die elastisch gebogenen Bewehrungsstäbe in Form gebracht. Dafür wurden vorab Kanäle für die Stäbe in das Textil eingebracht, auf die das Textil aufgefädelt wurde. Die Stäbe wurden anschließend in das Fundament verankert, womit die Unterkonstruktion fertiggestellt war.

3D-Scan als Grundlage für automatisierte Prozesse

Mithilfe von 3D-Scannern wurde daraufhin die Geometrie und genaue Position der zusammengesetzten Struktur bestimmt und in eine computergestützte Konstruktionssoftware übertragen. Auf der Grundlage der realen Form der Struktur konnten dann die Roboterbahnen für alle weiteren Fertigungsschritte generiert werden. Diese Art der Datenerfassung wurde nach jedem Prozessschritt durchgeführt, um die folgenden Schritte präzise planen zu können. Weiterhin erlaubte dies einen digitalen Vergleich zwischen der tatsächlichen und der geplanten Geometrie.

Gallerie

Die auf die Bewehrungsstäbe aufgefädelte Schalung wurde mithilfe des Shotcrete 3D-Printing (SC3DP)-Verfahrens mit einer nur wenige Millimeter dicken Schicht Leichtzementpaste besprüht. Dies sorgte für die nötige Steifigkeit der textilen Schalung und erhöhte außerdem die Tragfähigkeit für den anschließenden Betonauftrag. Der Arbeitsschritt dauerte nur rund 10 Minuten. Auf diese Schicht ließ sich die Endlosglasfaserbewehrung mittels Roboterabwicklung um zuvor montierte Stifte anbringen.

Nach der Integration der Faserbewehrung kam erneut das SC3DP-Verfahren zum Einsatz: Dafür wurde die tragende Schicht aus Feinkornbeton in örtlich unterschiedlicher Dicke robotisch auf die ausgesteifte Geometrie aufgespritzt. Damit war die Faserbewehrung strukturell eingebettet. Die charakteristische raue Struktur des 3D-Spritzbetons ließ sich durch ein ebenfalls robotergestütztes Glättungsverfahren im nassen Zustand nachbearbeiten, um die parametrische Klarheit in die Oberflächentextur der Brücke zu bringen. Die Kanten wurden im ausgehärteten Zustand mit einem handelsüblichen Grabsteinfräskopf dreidimensional nass geschliffen und die Konturen geschärft.

Gallerie

Mit dem interdisziplinären Lehrformat und der daraus resultierenden Forschung konnten die neuen Technologien erprobt, angewendet und kombiniert werden. Die Arbeit zeigt: Additive Fertigungstechniken haben das Potenzial, Schalungsmasse und manuelle Arbeit bei qualitativ hochwertiger Ergebnisse einzusparen. Der Brückendemonstrator wurde bereits im Galileo des Forschungszentrums Garching der TU München und an der TU Braunschweig ausgestellt.

Video

Knitcrete Bridge - Collaborative Demonstrator

Bautafel

Projektteam: Institut für Tragwerksentwurf, TU Braunschweig; Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz, TU Braunschweig; Institut für Geodäsie und Photogrammetrie, TU Braunschweig; Department für Materials, Mechanics, Management und Design, TU Delft; Professur für Digitale Fertigung, TU München; Professur für Tragwerksentwurf, TU München; Lehrstuhl für Baustatik, TU München; Institut für Bauingenieurwesen – Fachgebiet Robotergestützte Fertigung der gebauten Umwelt; TU Berlin
Förderung: Transregio 277 Additive Manufacturing in Construction AMC, Deutsche Forschungsgemeinschaft; Holcim Innovation Center
Fertigstellung: 2023
Bildnachweis: ITE, TU Braunschweig

Fachwissen zum Thema

3D-Betondruck: Schichtweise hergestellte Wand aus Beton

3D-Betondruck: Schichtweise hergestellte Wand aus Beton

Grundlagen

Additive Fertigung

Was versteht man unter additiver Fertigung und welche Herstellungsverfahren zählen dazu?

Erst seit Anfang der 1990er-Jahre kam es zu einer weitläufigen Etablierung der rechnerunterstützen 3D-Konstruktionsmethodik.

Erst seit Anfang der 1990er-Jahre kam es zu einer weitläufigen Etablierung der rechnerunterstützen 3D-Konstruktionsmethodik.

Grundlagen

CAD, 3D und BIM

Die flächendeckende Etablierung von CAD-Software legte den Grundstein für das computergestützte Arbeiten mit 3D-Modellen und ebnete den Weg für die BIM-Methodik: Eine Entwicklungsreise.

Bauwerke zum Thema

Im September 2024 soll das Projekt Tor Alva – der Weiße Turm von Mulengs fertiggestellt sein.

Im September 2024 soll das Projekt Tor Alva – der Weiße Turm von Mulengs fertiggestellt sein.

Kultur/​Bildung

Der Weiße Turm in Mulegns

Ein 3D-gedruckter Turm soll ein kleines Schweizer Dorf als Kulturstätte für Konzerte, Lesungen oder als Ort der kulturellen Vermittlung wiederbeleben – zunächst für fünf Jahre.

Aus der Kooperation von dem Architekturbüro allmannwappner, Archim Menges Architekten und Jan Knippers Ingenieure ging das neue Texoversum auf dem Campusgelände der Hochschule Reutlingen hervor.

Aus der Kooperation von dem Architekturbüro allmannwappner, Archim Menges Architekten und Jan Knippers Ingenieure ging das neue Texoversum auf dem Campusgelände der Hochschule Reutlingen hervor.

Kultur/​Bildung

Texoversum in Reutlingen

Eine robotisch gefertigte Fassade aus faserbasierten Materialien vereint ästhetische und funktionale Anforderungen wie Absturzsicherung und außenliegenden Sonnenschutz – und ist komplett selbsttragend.

Tipps zum Thema

Die Software Collectiv Parts ermöglicht die modulare Planung ganzer Wohnquartiere, umgesetzt mit großformatigen 3D-Druckern.

News/​Produkte

Collective Parts

Mit der Software für Designstrategien modular zusammenstellbarer Wohntypologien aus dem 3D-Drucker zählt das Studio Beta Realities zu den Gewinner*innen der ICON Initiative 99. 

Bei dem 3D-Injektionsdruckverfahren werden Betonstränge robotergesteuert in ein Trägermedium (Gel) injiziert, sodass besonders filigrane, materialsparende Betonstrukturen hergestellt werden können.

Forschung

Jenseits des 3D-Drucks

Forschende der TU Braunschweig entwickeln ein neuartiges 3D-Injektionsdruckverfahren, mit dem die Herstellung filigraner und materialsparender Strukturen aus Beton ermöglicht wird.

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Integrales Planen sponsored by:
Graphisoft Deutschland GmbH
Landaubogen 10
81373 München
Tel. +49 89 74643-0
https://graphisoft.com


Zum Seitenanfang

Seit 2021 wird an dem 175 Meter hohen Estrel Tower von Barkow Leibinger in Berlin Neukölln gebaut.

Seit 2021 wird an dem 175 Meter hohen Estrel Tower von Barkow Leibinger in Berlin Neukölln gebaut.

Work in Progress

Estrel Tower in Berlin

Hochhaus mit Open-BIM geplant

Das Forschungs- und Inoovationszentrum NEST in Dübendorf wurde um die Unit STEP2  erweitert.

Das Forschungs- und Inoovationszentrum NEST in Dübendorf wurde um die Unit STEP2 erweitert.

Work in Progress

Gebäudemodul STEP2 in Dübendorf

Digitaler Fertigungsprozess für Freiformtreppe Cadenza

Der Sockelbereich des neuen Wohnhochhauses von Kushner Studios wird aus 3D-gedruckten Elementen bestehen. (Visualisierung)

Der Sockelbereich des neuen Wohnhochhauses von Kushner Studios wird aus 3D-gedruckten Elementen bestehen. (Visualisierung)

Work in Progress

Wohn- und Geschäftshaus in New York

3D-gedruckte Struktur für Hochhaus

Studierende und Lehrende der Technischen Universitäten Braunschweig, Delft und München erarbeiteten gemeinsam einen digitalen Entwurfs- Planungs- und Fertigungsprozess für eine Brücke mit textiler Schalung.

Studierende und Lehrende der Technischen Universitäten Braunschweig, Delft und München erarbeiteten gemeinsam einen digitalen Entwurfs- Planungs- und Fertigungsprozess für eine Brücke mit textiler Schalung.

Work in Progress

Schalenbrücke aus Beton

Verbindung aus textiler Schalungskonstruktion und 3D-Spritzbeton

Ursprünglich entworfen für das Victoria & Albert Museum in London, sorgt der Elytra Filament Pavilion seitdem auch an verschiedenen Standorten weltweit für Furore.

Ursprünglich entworfen für das Victoria & Albert Museum in London, sorgt der Elytra Filament Pavilion seitdem auch an verschiedenen Standorten weltweit für Furore.

Work in Progress

Elytra Filament Pavilion

Biomimikry und computerisierte Fertigung

Ende 2020 soll das Zentrum für Angewandte Quantentechnologie ZAQuant der Universität Stuttgart fertig sein; verantwortliche Planer sind Hammeskrause Architekten.

Ende 2020 soll das Zentrum für Angewandte Quantentechnologie ZAQuant der Universität Stuttgart fertig sein; verantwortliche Planer sind Hammeskrause Architekten.

Work in Progress

Forschungsgebäude ZAQuant in Stuttgart

Planung unter Einsatz von Open BIM, VR und BIM to field

Am Mülheimer Hafen entsteht derzeit eine Wartungshalle für ein Turbinenwerk nach Plänen des Büros aib

Am Mülheimer Hafen entsteht derzeit eine Wartungshalle für ein Turbinenwerk nach Plänen des Büros aib

Work in Progress

Wartungshalle für ein Turbinenwerk in Mülheim an der Ruhr

Digitale Planung für optimierte Projektabläufe im Industriebau

Als Solitär gliedert sich der zweigeschossige Baukörper des CIGL in das lockere Gefüge auf dem durchgrünten Seltersberg ein

Als Solitär gliedert sich der zweigeschossige Baukörper des CIGL in das lockere Gefüge auf dem durchgrünten Seltersberg ein

Work in Progress

Forschungsgebäude CIGL in Gießen

Detaillierte Laborplanung dank koordiniertem 3D-Gebäudemodell

In der Wüstenstadt Al-Ain, die am Fuße einer Bergkette zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Oman liegt, entsteht eine neue Klinik mit 140.500 m² Nutzfläche

In der Wüstenstadt Al-Ain, die am Fuße einer Bergkette zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und dem Oman liegt, entsteht eine neue Klinik mit 140.500 m² Nutzfläche

Work in Progress

Al-Ain Hospital in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Planung und Koordination eines Großprojekts mit BIM

Archicad 28

Ganzheitlich entwerfen, die Nachhaltigkeit im Fokus und den Gebäudezyklus früh verankern: Das und vieles mehr bietet Archicad 28 von Graphisoft.

Partner-Anzeige