Parktoilette in Weimar
Zweck und Ästhetik vereint
Unsere Stadträume werden maßgeblich durch das Stadtmobiliar
geprägt: Bänke, Papierkörbe, Fahrradständer, aber auch größere
Strukturen wie Bushaltestellen oder öffentliche Toiletten tragen
dazu bei, wie wir unsere gebaute Umwelt wahrnehmen und nutzen.
Dennoch kommt diesen Kleinstarchitekturen vielerorts formal wenig
Bedeutung zu; sie werden als rein funktionale Objekte behandelt,
die mit ihren oftmals grauen Anstrichen in den Hintergrund treten
sollen. Dieser Entwicklung entgegen wirkt die neue Toilette im
Weimarer Park an der Ilm, die zweckmäßige und architektonische
Kriterien zugleich erfüllt.
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Das ortsansässige Architekturbüro Naumann Wasserkampf Architekten folgte beim Entwurf der Toilettenanlage in Weimar der Wiener Tradition öffentlicher Bedürfnisanstalten. Um mit den Tabus rund um diese Typologie zu brechen, waren die ersten öffentlichen WCs in der österreichischen Hauptstadt um 1900 äußerst komfortabel ausgestattet und nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltet; einige davon sind heute noch erhalten und stehen zum Teil unter Denkmalschutz.
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Sockel, Schaft und Dach
Der kleine Pavillon zeigt die klassische Gliederung in Sockel, Schaft und Dach und ist konstruktiv als Holzständerbau ausgeführt. Über dem schmalen Betonsockel – der die Fassadenhaut vor Spritzwasser schützt – beginnt die Fassadenfläche aus petrolblauen Massivholz-Dreischichtplatten. Rot lackierte Stahlprofile und weitere Fügungselemente halten die Fassadenplatten zusammen und sorgen außerdem für kontrastreiche Akzente – in Anlehnung an die Fügungsdetails früherer Wiener Toilettenanlagen. Das Walmdach kragt 95 Zentimeter über die Fassade aus und schützt Baumasse und Besucher*innen vor Witterung. Es besteht aus Brettschichtholzplatten, die mit einer Stehfalzdeckung aus Kupfer verkleidet sind. Das in der umlaufenden Rinne gesammelte Regenwasser wird über ausgestaltete Wasserspeier abgeleitet, deren Form an Fischköpfe erinnert. Eine an die Fassade montierte Sitzbank dient den Besucher*innen als witterungsgeschützter Wartebereich. Hier verbirgt sich zudem eine Tapetentür in der Fassade, die zum Putz- und Technikraum führt.
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Die Erschließung der WCs erfolgt jeweils über die dem Weg abgewandten Stirnseiten, was ungewollte Einblicke in die Sanitärräume verhindert. Es stehen zwei getrennte Sanitärräume zur Verfügung: Eine etwas größere Zelle für bewegungseingeschränkte Menschen und Kinder und eine kleinere für alle anderen Nutzer*innen. Die Dreischichtplatten der Fassade sind auf der Innenseite unbehandelt und erzeugen dort eine helle und warme Atmosphäre. Darüber liegt eine Lage perforierter Fassadenteile, über die der Innenraum dauerhaft belüftet wird. Ein Fliesenspiegel von 1,2 Meter Höhe vereinfacht die Reinigung und übernimmt die Farbgebung der petrolblauen Fassadenplatten.
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Digitale Planung
Nicht nur für sehr große und komplexe Bauvorhaben, sondern auch für Kleinstarchitekturen kann eine computergestützte Planung durchaus sinnvoll sein. Die Planungsbeteiligten nutzten in Weimar ein 3D-CAD-Planungsprogramm, das theoretisch auch BIM-fähig ist. Die BIM-Funktionalität wurde in diesem Fall nicht verwendet; dennoch konnte der Pavillon mithilfe der Software vorab bis ins Detail digital geplant und anschließend präzise umgesetzt werden – von den durchdachten Fügungspunkten über die Wasserspeier bis hin zur Signalethik. -si
Bautafel
Architektur: Naumann Wasserkampf Architekten, Weimar
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro für Baustatik, Ludger Hottenrott, Weimar (Ingenieurbau); Ingenieurbüro Hirsch, Erfurt (Ingenieurbau); Graphisoft, Budapest/München (Planungsprogramm ArchiCad)
Bauherrschaft: Klassik Stiftung Weimar
Fertigstellung: 2022
Standort: Park an der Ilm, Weimar
Bildnachweis: Naumann Wasserkampf Architekten, Weimar
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