Urbaner Holzbau
Vorteile des Baumaterials und aktuelle Entwicklung
Holz wird oft als ländlicher Baustoff wahrgenommen. Urbane
Umgebungen werden meist mit anderen Baustoffen in Verbindung
gebracht. Das historische Bild europäischer Städte assoziiert man
gerne mit Mauerwerk und verputzten Fassaden. Das ist erstaunlich,
denn in Mittel- und Nordeuropa waren die Städte bis in das 19.
Jahrhundert zu einem guten Teil von Holzbauten geprägt. Und vielen
Städten sieht man dieses Erbe auch heute noch deutlich an,
beispielsweise der mittelalterlichen Altstadt von Straßburg, die
unter dem Titel „Straßburg: von der Grande-Île zur Neustadt, eine
europäische Stadtszenerie“ als UNESCO-Welkulturerbe anerkannt ist.
Das Kammerzellhaus am Münsterplatz von 1427, ein viergeschossiger
Fachwerkbau auf gemauertem Sockelgeschoss, fasziniert durch die
reiche Ornamentik seiner geschnitzten Fassade und ist aus seiner
städtischen Umgebung nicht wegzudenken. Es ist ein gutes Beispiel
dafür, dass nicht das Material an sich, sondern der
architektonische Umgang damit das Einfügen in den urbanen Kontext
ausmacht.
Gallerie
Seit dem Jahr 2008 wohnt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, während 1950 noch 70 Prozent auf dem Land lebten. Nach Prognosen der UNO wird der weltweite Anteil der städtischen Bevölkerung bis 2030 auf über 60 Prozent steigen und im Jahr 2050 rund 70 Prozent erreichen. Weltweit gibt es über 63 Städte mit mehr als drei Millionen Einwohnern [1]. Wenn der Holzbau seine ökologischen Vorteile in relevantem Umfang zur Entfaltung bringen soll, muss er wieder in die Städte zurückkehren.
Wie im Beitrag „Geschichte des Holzbaus“ (siehe Fachwissen zum Thema) dargestellt, hat der Holzbau in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung gemacht. Mit der Leistungsfähigkeit des Holzbaus wurden auch sukzessive die baurechtlichen Rahmenbedingungen angepasst, die das Bauen mit Holz jahrzehntelang erschwert haben. Baden-Württemberg nimmt innerhalb Deutschlands dabei die Vorreiterrolle ein, indem beispielsweise die Ausführung von Gebäuden der Gebäudeklasse 5 nicht mehr mit der Nicht-Brennbarkeit der Baustoffe primärer Tragwerksteile und Raumabschlüsse verbunden ist, sondern allein mit der Feuerwiderstandsdauer. Außerhalb Deutschlands ermöglicht die Gesetzgebung meist schon einen wesentlich umfangreicheren Einsatz von Holz.
Wenn die baurechtlichen Bestimmungen es ermöglichen, kann Holz
mit anderen Baustoffen wirtschaftlich durchaus konkurrieren.
Bezahlbares, mehrgeschossiges Bauen ist die Grundvoraussetzung
dafür, dass der Holzbau in die Städte zurückkehrt. Einige gebaute
Beispiele zeigen bereits, dass sich die Vorteile des Holzbaus
besonders in den Städten positiv bemerkbar machen:
- Holzbauten haben nur etwa 20 bis 50 Prozent des Eigengewichts
von mineralischen Gebäuden. Sie sind daher prädestiniert für
Aufstockungen von Bestandsgebäuden im Zuge der notwendigen Nachverdichtung innerstädtischer Gebiete. Am
Bahnhof Giesshübel in Zürich (Burkhalter Sumi Architekten:
Giesshübel Pile Up, s. Abb. 2-4) konnte ein bestehendes
Infrastrukturgebäude dank der Leichtigkeit von Holz viergeschossig
statt eingeschossig aufgestockt werden.
- Holzkonstruktionen erlauben eine weitgehende Vorfertigung großer Bauteile, die dann auf der
Baustelle in kürzester Zeit montiert werden können. Das entlastet
die Infrastruktur in den hoch beanspruchten Gebieten. Die
Vorfertigung reduziert das Müllaufkommen, Baustellenemissionen und
Lärmbelastung dicht besiedelter städtischer Umgebungen auf ein
Minimum. Beim Bau des achtgeschossigen LifeCycle Towers in Dornbirn
(Hermann Kaufmann Architekten, 2012; s. Abb. 5, 6) konnte – nachdem
der Treppenhauskern betoniert war – täglich ein Geschoss
einschließlich Fassade und Deckenkonstruktion erstellt werden.
- Aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit von Holz können Dämmung
und Tragwerk in der selben Ebene liegen. Bauteile der Gebäudehülle können als Holzkonstruktion daher
bei gleicher Dämmleistung in geringerer Stärke ausgeführt werden
als bei mineralischen Aufbauten. Das ermöglicht bei vorgegebenem
Bauraum eine größere Nutzfläche – hinsichtlich teuren Baugrundes in
den Städten ein wichtiger Faktor.
- Holzkonstruktionen eignen sich nicht nur für Neubauten und
Aufstockungen, sondern auch für Umbau- und Sanierungsmaßnahmen.
Gerade energetische Fassadensanierungen können als
Holz-Tafelbauelemente vorgefertigt und vor Ort schnell und präzise
montiert werden. Bei der Sanierung einer achtgeschossigen Wohn- und
Geschäftshausfassade in der Donnersbergerstraße in München (Braun
Krötsch Architekten, siehe Abb. 7, 8) wurden vorgefertigte, 14
Meter lange Tafelbauelemente einschließlich Fenster und
Fassadenbekleidung innerhalb von Stunden montiert, die gesamte
Fassade von 32 Wohnungen konnte in fünf Tagen fertiggestellt
werden. Dadurch entstand kaum Belastung für die Bewohner und die
Läden im Erdgeschoss.
Quellenangaben: [1] United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2018). World Urbanization Prospects: The 2018 Revision, Online Edition. Available from https://esa.un.org/unpd/wup/Publications.
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