Shou County Culture and Arts Center
Lokale Bautradition, zeitgenössisch übersetzt
Bekannt für zahlreiche
Kulturbauten in der eigenen Heimat China sowie für die Einbindung
örtlicher und traditioneller Bezüge in die Architektur konnte das
Studio Zhu-Pei in der ostchinesischen Binnenprovinz Anhui ein
Kunst- und Kulturzentrum errichten. Das Shou County Culture and Art
Center präsentiert sich als vielschichtiger
und überraschend durchlässiger Komplex. Nach außen fast wehrhaft
verschlossen, zeigt sich innen eine Abfolge von Räumen, Höfen und
Wegen, die eine antike Stadt nachzeichnen. Die Innen- und
Außenfassaden weisen unterschiedlich strukturierte Oberflächen in
Sichtbeton auf.
Gallerie
Formale Bezüge zur antiken Stadt
Die in der Denkmalliste der Volksrepublik China geführte Stadtmauer von Shou umschloss einst einen axial angelegten, historischen Kern mit nahezu quadratischer Grundfläche. Auch heute sind noch Teile der Mauer, der Wohnbebauung und des Rasters erkennbar. Diese Merkmale prägen den Entwurf eines Kulturzentrums, das 2 Kilometer südöstlich der Altstadt errichtet wurde. Dort entstand in den vergangenen zehn Jahren ein dicht bebauter, ebenfalls streng gerasterter Stadtteil auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Die Tradition der
Hofhäuser mit geschlossener Außenhülle und engen Passagen im
Inneren, die typisch sind für die Provinz Anhui, greift das
Kulturzentrum ebenfalls formal auf. Entstanden ist daraus ein
rechteckiges Volumen, das knapp über 30.000 Quadratmeter für ein
Kunstmuseum, das Kulturzentrum, eine Bibliothek und ein Archiv
bereitstellt.
Gallerie
Erschließung entlang
einer öffentlichen Passage
Aus dem massiven Block
sind sowohl in der Vertikalen als auch in der Horizontalen
verschiedene Höfe und tiefe Öffnungen in unterschiedlichen Größen
eingeschnitten. Diese parzellieren die Ansichten und Draufsicht
kleinteilig. Je zwei bis drei Höfe sind einem Nutzungsbereich
zugeordnet, dabei verbindet ein öffentlicher Umlauf die einzelnen
Bereiche und Ebenen zentral.
Brücken und Stege führen in den Komplex, der von spiegelnden Wasserflächen theatral gerahmt wird. Der südlich gelegene Eingangshof ist einem „tang wu“ nachempfunden, also dem zentralen Hof und Versammlungsort in einem regionaltypischen Wohnhaus. Die weiteren Freiflächen und Wege zeichnen enge Gassen, weite Durchgänge, Stadtbalkone und Hinterhöfe nach und werden stets von monumentalen Wänden gerahmt. Die nach innen geneigten Dachflächen simulieren eine umgebende Stadtlandschaft mit Sattel- und Pultdächern.
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Die zahlreichen Durchbrüche und Öffnungen, die unregelmäßig verteilt sind und auch mal von der Rechteckform abweichen, ermöglichen eine natürliche Belüftung. Die tiefen Wände hingegen dienen dem Sonnen- und Witterungsschutz. Die Räume und Plätze profitieren so von einem eigenen Mikroklima, das im Sommer kühl und im Winter warm bleibt. Nicht zuletzt greift damit das Architekturbüro, das für seine nachhaltigen Gebäudekonzepte bekannt ist, wiederum auf regionale Bauweisen zurück.
Beton mit
unterschiedlichen Facetten
Die massive Struktur
des Gebäudekomplexes wird durch den allgegenwärtigen Sichtbeton
unterstrichen. Dabei sind die Außen- und Innenfassaden
unterschiedlich gestaltet. Die stadtzugewandten Bereiche weisen
großflächig opake Flächen mit einer feinen Rillenstruktur auf.
Diese ist das Abbild horizontal geschichteter Bambusstämme, die als
Schalungsmaterial abermals einen Bezug zur lokalen Bautradition
herstellen. Die kleinteiligen Schalelemente wurden versetzt
angeordnet, sodass das Fugenbild einem Mauerwerksverband ähnelt.
Dadurch steht der steinernen Struktur eine filigrane Ausarbeitung
entgegen, die sich bis in die tiefen Laibungen der Wandöffnungen
ziehen.
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Die Innenfassaden
wiederum prägen ebenfalls kleinteilig geschalte Sichtbetonflächen,
die von klassischen Ankerlöchern gekennzeichnet sind. Der dichte
Rhythmus an runden Aussparungen weist auf den Einsatz von
zusätzlichen Blindkonen hin – ein Gestaltungselement, das auch dem
japanischen Architekten Tadao Ando gerne zugesprochen wird. Die
Fugen ziehen sich hier geradlinig durch und betonen ihrerseits das
kleinteilige geometrische Formenspiel im Kontrast zu den immensen
Wand- und Dachflächen.
Bautafel
Architektur: Studio Zhu-Pei, Peking
Projektbeteiligte: ShengWo Construction Group (Bauunternehmung); BIAD JAMA (Tragwerksplanung und TGA); Studio Zhu-Pei mit The Design Institute of Landscape & Architecture China Academy of Art (Landschaftsarchitektur und Innenarchitektur)
Bauherr*in: Shouxian Government
Standort: Shou County, Anhui, China
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: schranimage, courtesy of Studio Zhu-Pei (Fotos); Studio Zhu-Pei (Pläne)