Kurvenreiches Reetdach als Schutz vor Sonne und Regen
Künstlerresidenz und Ortsmittelpunkt im senegalesischen Sinthian
Reet oder Schilf ist eines der ältesten Materialien zur Bedachung menschlicher Behausungen. Es ist leicht zu handhaben, braucht keine komplizierten Werkzeuge und ist als Wasserpflanze mit Eigenschaften ausgestattet, die es als Regenschutz für das sprichwörtliche Dach über dem Kopf hervorragend qualifizieren. Voraussetzung ist allerdings, dass das Reetdach steil genug ausgebildet wird, die Wassertropfen zügig von Halm zu Halm gleiten können und dadurch nur die oberste Schicht der Dachdeckung durchfeuchtet wird. Gleichzeitig hat das rohrförmige Reet sehr gute Isolationseigenschaften; im Sommer ist es ein guter Schutz vor Wärme, im Winter vor Kälte. Vorsicht ist nur bei allzu lang andauernder Sonnenbestrahlung geboten: Dann trocknet das Reet aus und fängt leicht zu brennen an.
Gallerie
Ein zumindest in dieser Hinsicht durchaus gefährdetes großflächiges Reetdach ist im westafrikanischen Senegal als Bedachung eines Zentrums für Künstleraufenthalte entstanden. In Sinthian im Norden des Landes herrscht einige Monate lang, wenn der trockene heiße Passatwind bläst, Wüstenklima. Andererseits gehen hier zwischen Juli und Oktober tropische Regengüsse nieder.
Das Gebäude entstand auf Initiative und mit Mitteln der amerikanischen Josef und Ani Albert Foundation und soll bildenden Künstlern, Autoren und Musikern aus aller Welt im Austausch mit den Einheimischen ein inspirierender und stimulierender Ort der Zusammenkunft sein. Den Entwurf lieferte die in New York ansässige Architektin Toshiko Mori. Die geschwungene Dachfläche, ein großflächiges Gewebe aus vor Ort wachsendem Gras und Bambus, erstellt von einheimischen Handwerkern, schützt einen offenen Raum vor Sonne und Regen und nimmt ein paar aus Lehmziegeln gemauerte und weiß verputzte Rundbauten unter seine Fittiche. Gleichzeitig sammelt die Dachfläche das Niederschlagswasser und lässt es kontrolliert in eine Zisterne laufen, aus der es nach einfacher Reinigung dem ganzen Dorf zur Verfügung steht. Bis zu 30% des Gesamtwasserverbrauchs von Sinthian kann damit gedeckt werden.
Das Haus, das gleichzeitig Künstlerresidenz ist und
Kulturzentrum, trägt den eingängigen kurzen Namen Thread.
Das kann einerseits den Diskussions- und Gesprächsfaden bezeichnen,
der sich hier zwischen Gästen und Einheimischen entspinnen soll
oder aber die hunderttausend fadendünnen Halme, die, kunstvoll
zusammengebunden, das Ganze zu einem Ort machen.