Zur kulturellen Dimension des Steildachs
Studie über das Verhältnis der Architektenschaft zum geneigten Dach
Steildächer in großer Form- und Materialvielfalt gehören zum zentralen Repertoire traditioneller Architektur aller Kontinente. Das Satteldach mit zwei Schrägen, die einen Giebel bilden, wurde zur Urform des Daches und steht sinnbildlich für ein Zuhause oder eine Zuflucht. Auch wenn natürlich auch andere Dachformen im Lauf der Zeit stärkere Verwendung fanden, prägt es immer noch 65 Prozent der Wohnbauarchitektur in Deutschland und ist aus dem Bild der Dörfer und Städte nicht wegzudenken. Welche Bedeutung das Steildach heutzutage bei Planern und ihren Projekten einnimmt, untersucht die Studie Die kulturelle Dimension des Steildachs des Fachbereichs Architektur der Hochschule Bochum, die 2018 im Auftrag der Initiative Dachkult entstanden ist.
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Relevanz besitzt die Untersuchung nicht zuletzt, weil die letzte Studie zum Thema Dach bereits über 90 Jahre zurück liegt: Walter Gropius veröffentlichte 1926 Ergebnisse aus der Umfrage „Das flache Dach“, welchen Paul Schultze-Naumburg 1927 die Schrift „Flaches oder geneigtes Dach?“ entgegenstellte. Bei der aktuellen Studie wurden Fragen der Gestaltung, Aspekte der Planung und die Rolle des Architekten oder der Architektin bei der Entscheidung thematisiert, welche Dachform für ein Projekt gewählt wird. Erhoben wurden die Daten über eine Online-Befragung eines repräsentativen Querschnitts der deutschen Architektenschaft. Zentrales Ergebnis ist, dass das geneigte Dach auch heutzutage noch eine kulturell geprägte, identitätsstiftende Funktion hat, die stark von regionalen Traditionen beeinflusst wird.
Zudem belegt die Studie, dass die teilweise eher ideologisch gefärbte Ansicht, das Steildach sei Ausdruck eines konservativen Architekturverständnisses, bei den Planern zurückgegangen ist. Stattdessen existiert insbesondere bei jungen Architekten eine neue Aneignungsoffenheit: Das Steildach wird als eigenständige Typologie mit großem gestalterischen Potenzial wahrgenommen, wobei dem Material sowie dem Übergang zwischen Dach und Fassade besonderes Augenmerk zuteil wird. Weiterhin zeigt die Studie einen Trend zu gefalteten oder asymmetrischen Dächern sowie der Umsetzung geneigter Dachlandschaften auch bei größeren Projekten. Für welche Dachform sich Planung und Bauherrschaft entscheidet, hängt dabei sowohl von städtebaulichen und ästhetischen Aspekten wie auch von Fragen der räumlichen Funktionalität, des Raumprogramms und der gewünschten Atmosphäre ab.