_Geneigtes Dach
KCEV Umwelt-Bildungszentrum in Vrchlabi
Gefaltetes Gründach mit Sedummatten und Vakuum-Kontrollsystem
Gallerie
Ein Gebäude, das selbst zum Anschauungsobjekt für die Topografie
des Riesengebirges wird – das war die Entwurfsidee für das neue
Umwelt-Bildungszentrum des Nationalparks Riesengebirge KCEV
in Vrchlabí. Die verantwortlichen Planer des Architekturbüros Petr
Hájek entwickelten dafür im Schlosspark der tschechischen Stadt
einen Neubau, der sich zurückhaltend in die seichte Topografie der
Gärten einfügt. Fast komplett ins Erdreich abgesenkt, ist er
vis-a-vis dem historischen Verwaltungsgebäude des Nationalparks
(KRNAP) platziert. Er liegt außerdem in der Blickachse des barocken
Schlosses und des ehemaligen Augustinerklosters, das derzeit als
Museum des Riesengebirges dient. Vom Schlosspark aus gesehen
verweisen einzig einige geradlinige Edelstahlentwässerungsrinnen
und ein spitzwinkliger, verglaster Einschnitt in der Grünfläche auf
die Tatsache, dass sich darunter etwas versteckt. Zum bestehenden
Verwaltungsbau hin öffnet er sich mit seiner langen Westseite, die
senkrecht verglast ist (siehe Abb. 2).
Die Geometrie des Gründaches stellt Bezüge zur Topografie des
Gebirges her. Seine polygonale Form wurde in Dreiecke zerlegt und
mehrfach gefaltet, wobei jede Kante und jeder Winkel ein Pendant in
den Gesteinsformationen des Gebirges findet. Im Innenraum erhielten
die Grate eine Beschriftung, die auf die jeweiligen Bezüge verweist
(siehe Abb. 18). Somit kann die Dachform als abstraktes Model der
grundlegenden Beziehungen der großmaßstäblichen Gesteinsformation
verstanden werden. Zusätzlich zu diesen abstrakt-geometrischen
Bezügen lassen sich bildhafte herstellen: Während die äußere
Erscheinung des Gründachs mit seinen Sedumpflanzen als „Bergwiese“
konzipiert ist, soll die in Sichtbeton ausgeführte Innenansicht der
Decke an das Felsgestein erinnern.
Das neue Bildungszentrum bietet eine Plattform für Veranstaltungen,
Vorträge und Konferenzen, die sich mit Fragestellungen zum
Riesengebirge auseinandersetzen. Außerdem möchte man dort das
öffentliche Bewusstsein rund um das Thema Naturschutz schärfen und
den Dialog fördern – auch und besonders bei Kindern und
Jugendlichen. Nicht zuletzt dient das Zentrum schließlich als
Arbeitsort für Forschungsprojekte. Das Raumprogramm sieht
entsprechend einen Hörsaal (76 Sitze und 2 Rollstuhlplätze) und
einen Unterrichtsraum (für 30 Personen) mit Laborarbeitsplätzen
(ausgelegt für 16 Studierende) vor. Darüber hinaus gibt es eine
Bibliothek, eine Ausstellungsfläche und einige Neben- und
Technikräume. Im nördlichen Gebäudeteil befindet sich ein großer
Raum mit 10 Stellplätzen, der temporär auch als Galerie oder für
Veranstaltungen genutzt werden kann. Der Zugang in das
Bildungszentrum erfolgt an seiner Westseite, außerdem unterirdisch
durch eine Verbindung mit dem Verwaltungsbau. Die Pkw-Zufahrt ist
an der Nordseite.
Der Inneneinrichtung der Räume wurde eigens für das Bildungszentrum
entwickelt. Um dem Thema Naturschutz auch hier gerecht zu werden,
wurden die Möbel und Einbauten aus Kiefernsperrholz nach
Industriemaßen so gefertigt, dass möglichst keine Abfälle durch
Verschnitt anfielen. In ihrer warmen Farbgebung stehen die
Einbauten in angenehmem Kontrast zu den raumprägenden
Sichtbetonoberflächen der geneigten Dachflächen.
Dach
Aufgrund der Lage des Grundstücks nahe der Elbe und der
klimatischen Bedingungen der Region mussten die Planer von starken
Schwankungen des Grundwasserstandes im Baugrund ausgehen – und
damit zumindest temporär von Wasserdruck auf die gesamte
unterirdische Gebäudehülle. Hieraus resultierten besondere
Anforderungen für die Abdichtung des Daches bzw. Gebäudes, denen
durch ein zweilagiges System mit Kontroll- und Reparaturfunktion
entsprochen wurde.
Dieses besteht aus zwei Abdichtungsfolien und einer Drainageschicht
dazwischen. An diese kann zur Kontrolle der Dichtigkeit der Folien
eine Vakuumpumpe mit Druckmesser angeschlossen werden. Die doppelte
Schutzschicht kommt für Dach und die im Erdreich gelegenen
Außenwände gleichermaßen zum Einsatz, wobei die gesamte
Gebäudeoberfläche in kleine Sektoren unterteilt wurde. Durch
regelmäßiges Überprüfen der Dichtigkeit der einzelnen Abschnitte
soll ein frühzeitiges Erkennen und Lokalisieren von Beschädigungen
in der Abdichtung ermöglicht werden, und zwar noch ehe die
Konstruktion davon in Mitleidenschaft gezogen wird. Undichte
Stellen können dann mithilfe von Injektionen repariert werden.
Dachaufbau:
- Extensive Dachbegrünung mit vorgezogenen Sedumpflanzen
- auf nicht verrottenden Matten
- Substrat mit Rutsch- und Schubsicherung
- wasserspeichernde Textilschicht
- Trennschicht/Schutzfolie
- Abdichtung mit Kontrollsystem
- Wärmedämmung
- Dampfsperre
- 260 mm dicke, tragende Betondecke
Bautafel
Architekten: Petr Hájek Architekti, Prag
Projektbeteiligte: Jan Kolář, Aussig (Statik), Jaroslav Hulín, Prag (Dachgeometrie); Dualdek, Prag (Abdichtung), Cornelia Klien / Martin Stoss, Prag (Möbel)
Bauherr: Krkonoše Mountains National Park Administration
Standort: Vrchlabí, Riesengebirge
Fertigstellung: Bautafel
Bildnachweis: Benedikt Markel, Prag; Petr Hájek Architekti, Prag
Fachwissen zum Thema
Initiative Steildach/Dachkult, Augsburg | www.dachkult.de