Interview mit Hadi Teherani über ganzheitliche Fassadenkonzeption
Der Architekt Hadi Teherani prägt mit seinen Bauten Stadtbilder im In- und Ausland. Sein ganzheitlicher Entwurfsansatz kommt dabei auch im Kontext mit Fassaden zum Tragen. Eine „perfekte“ Fassade ist für Teherani nicht nur funktional, sondern spricht auch emotional an und ist damit weit mehr als die bloße Hülle eines Gebäudes. Im Rahmen der Messe BAU 2017 in München inszenierte er mit seiner Firma Hadi Teherani Design im Zentralbereich des Standes von Agrob Buchtal den Baustoff Keramik im Allgemeinen und Keramik für Fassaden im Besonderen. Nachfolgend ein Interview mit Teherani über zeitgemäße Gebäudehüllen und die Möglichkeiten, die Keramik dafür offeriert.
Gallerie
Die Hülle eines Bauwerks trägt maßgeblich zu dessen Identitäts-Bildung bei. Was macht eine „perfekte Fassade“ in Ihren Augen aus?
Das Bild des Gebäudes im Straßenraum manifestiert den Inhalt der
Architektur und den Anspruch, der an sie gestellt wird. Die Fassade
liefert damit nicht allein die notwendige bauphysikalische
Abschirmung, sondern sie bringt im Zusammenspiel mit der Form und
den Öffnungen des Gebäudes die komplexe architektonische
Zielsetzung zum Ausdruck. Ein Passant, der keine Gelegenheit hat,
das Innere des Gebäudes kennenzulernen, kann einen Eindruck davon
gewinnen, was hinter der Fassade vor sich geht. Die Qualität im
Inneren wird im äußeren Erscheinungsbild sichtbar und spürbar. Der
Anspruch an die Fassade umfasst damit das gesamte ganzheitliche
Spektrum der Architektur.
Können Sie an Hand eines Ihrer Projekte erläutern, welche Rolle die
Fassadengestaltung in Ihrer Arbeit spielt?
Es gibt keine logische Trennung zwischen verschiedenen Entwurfs-
und Planungsphasen. Mit den allerersten Ideen ist auch die Fassade
schon mit im Spiel, ebenso wie erste Vorstellungen zu
Raumkonfiguration und Interior Design. Wie in einer musikalischen
Komposition lassen sich einzelne Passagen nicht für eine spätere
Bearbeitung vorläufig ausklammern. In unterschiedlichen
Projektphasen variieren lediglich die Bearbeitungstiefen. Bei den
Tanzenden Türmen in Hamburg musste die Fassade die Gebäudedynamik
wie selbstverständlich umsetzen. Bei den Kranhäusern in Köln
bestand die Aufgabe von Anfang an darin, die unterschiedlichen
Typologien der Hochhäuser zu veranschaulichen, aber auch die
Gesamtwirkung des dreiteiligen Ensembles.
Sie vertreten einen ganzheitlichen Ansatz, der von der
Architektur bis hin zu den Details sowie einzelnen Designprodukten
reicht, die Sie jeweils ausgehend von der Architektur entwickeln.
Wie erfolgt in Ihrem Büro die Konzipierung einer Fassade?
Mit der Entwurfsidee steht von Anfang fest, in welche Richtung wir
die Fassade entwickeln wollen. Das Konzept leitet sich aus dem
Innenraum und dem städtebaulichen Zusammenhang ab. Gerade die
Materialität der Fassade muss die vorhandene Umgebung reflektieren.
Das heißt nicht, dass die einzig richtige Lösung grundsätzlich in
der Anpassung besteht. Variation und Kontrast sind weitere
sinnvolle Möglichkeiten, sofern der Entwurf die Voraussetzungen
dafür aus der Aufgabenstellung mitbringt.
Bezüglich Wahl und Einsatz von Materialien in der
Fassadengestaltung – ob klassische, traditionelle Werkstoffe oder
moderne, ausgefallene Lösungen – sind heute immer weniger Grenzen
gesetzt. Welche Materialien und Funktionen reizen Sie bei der
Fassadenplanung besonders?
Neue Materialien reizen immer. Fortschritte in der Entwicklung der
Materialien ermöglichen neue Freiheiten in der Gestaltung. Davon
ist jeder Architekt und Designer fasziniert. Glas, dessen
Transparenz regelbar ist, reduziert den Wärmeeintrag auf ein
Minimum. Corian ermöglicht eine neue leichte Ästhetik und eine
subtile Beleuchtung. Bei Keramik faszinieren mich die
dreidimensionalen Strukturen, Oberflächen, Farben und Texturen.
Damit eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, um den aus
energetischen Gründen zwangsläufig höheren Anteil geschlossener
Fassadenflächen zu gestalten.
Welche Prämisse gilt für Sie im Zusammenhang mit Fassaden? „Form
follows Function“ oder „Function follows Form“? Oder anders
formuliert: Legen Sie den Fokus primär auf kreative Ästhetik oder
spielen Funktionserfüllung und die Einbindung in das urbane bzw.
ländliche Umfeld eine Rolle?
Anders als der Künstler steht der Architekt stets vor der Aufgabe,
dem Alltagsgebrauch eine Form und einen Rahmen zu geben. Wenn man
dafür eine griffige Gleichung sucht, kann das nur „Form
follows Function“ sein. Trotzdem geht es dabei auch um die Form, um
Emotion, Ausstrahlung und Identität. Identitätsstiftende Gebäude
verlangen eine eindeutig definierte, anschauliche Architektur mit
funktionalen Vorteilen, aber vor allem emotionaler Ausstrahlung.
Überzeugende Architektur ist darum immer auch Form gewordene
Sinnlichkeit.
Techniken wie der Digitaldruck eröffnen verblüffende und nahezu
unbegrenzte ästhetische Möglichkeiten. Dies gilt auch und gerade
für keramische Fassaden. Bevorzugen Sie dabei projektspezifische
Sonderfertigungen oder arbeiten Sie auch mit hochwertigen
Standardlösungen oder sehen Sie eine „friedliche Ko-Existenz“
beider Denkschulen?
Das hängt immer von der jeweiligen Situation und Aufgabenstellung
ab. Schon die Möglichkeiten der Standardlösungen schaffen im Detail
einen sehr weiten Spielraum. Man muss also nicht in jedem Fall mit
einer absoluten Neuheit oder Sonderfertigung arbeiten. Trotzdem
liegt es mitunter nahe, die Möglichkeiten des Materials
weiterzuentwickeln, wenn eine besondere Bauaufgabe oder Situation
Anlass dafür geben..
Für die Messe BAU 2017 in München inszenierte Hadi Teherani
Design an zentraler Stelle des Standes von Agrob Buchtal den
Baustoff Keramik im Allgemeinen und Fassadenkeramik im Besonderen. Was fasziniert Sie
an diesem Material?
Keramik vermittelt in seiner Elementierung und in seiner steinernen
Anmutung den tektonischen Ansatz der Architektur in besonderer
Weise. Es ist ein dauerhaftes, hartes und sehr resistentes Material
von hoher haptischer Wertigkeit, dabei aber dennoch sehr
ursprünglich und natürlich.
Im Rahmen dieser Inszenierung haben Sie sich intensiv mit
Rohstoffen zur Herstellung von Keramik, deren Verarbeitung sowie
den vielfältigen Endprodukten auseinandergesetzt. Welche neuen
Aspekte und Erkenntnisse konnten Sie dadurch in Bezug auf
keramische Fassaden entdecken?
Überraschend ist die Vielfalt
der Verfahren zur Herstellung von Keramikfassaden und der gänzlich
unterschiedliche Ausdruck, der dabei entsteht. Das Spektrum reicht
von planen Großformaten über strukturierte Profile bis zu
speziellen Individualformen. Bei den Oberflächen gehört die raue
Tonoptik ebenso zum Programm wie farbig glasierte Lösungen in
unterschiedlichen Glanzgraden oder raffiniert gedruckte
Designs.
Gibt es bestimmte Gebäudetypen bzw. „Situationen“, für die Sie
sich Keramikfassaden vorstellen könnten?
Gerade bei großen geschlossenen Flächen von Museen, Einkaufswelten
und Wohngebäuden erlaubt die Keramik einen Weg zurück zu einer
filigranen Kleinteiligkeit und Proportionalität, die bei großen
„monumentalen“ Projekten schnell verlorengeht. Der besondere
Reiz liegt für mich aber auch im edlen, besonders anspruchsvollen
und dauerhaften Auftritt dieses Materials.
Keramik zählt zu den ältesten Materialien überhaupt. Zugleich
ist es ein innovativer Werkstoff, der z. B. in der Raumfahrt
eingesetzt wird und durch besondere Eigenschaften besticht. Welche
Potentiale sehen Sie in der Zukunft für den Einsatz von Keramik im
Baubereich?
Nachhaltigkeit bleibt das große Thema unserer Zeit, der natürliche
und langlebige Werkstoff Keramik bewährt sich in dieser Disziplin
sehr gut. Die große Offenheit für freie, innovative Strukturen und
Oberflächen erlaubt sogar hochgradig individualisierte
Ausführungen. Besonders interessant finde ich die Veredelung „HT“
von Agrob Buchtal, die Luftschadstoffe abbaut und so jedes Gebäude
zu einer Art „vertikalem Stadtwald“ macht. Denn der Architekt muss
ganzheitliche Lösungen finden, er muss Städtebau, Ökologie,
Ökonomie, Identität und Emotion gleichrangig berücksichtigen.
Das Interview führte EINSATEAM, Berlin (Katharina Sommer) und wurde
uns von Agrob Buchtal zur Verfügung gestellt.