_Fassade
Schulsanierung in Innsbruck
Fassadentausch mit Botschaft
Eine Kettenbrücke in Innsbruck? Wer heute in der Tiroler Landeshauptstadt danach sucht, kommt mehr als achtzig Jahre zu spät. Zwar überquerte ab 1843 zwei Kilometer nördlich der Innenstadt die wohl imposanteste Kettenbrücke Österreich-Ungarns den Inn, doch musste diese 1938/39 dem Neubau der vierspurigen Mühlauer Brücke weichen. Der alte Name aber hat sich erhalten: Neben dem Sanatorium Kettenbrücke betreibt hier die Ordensgemeinschaft der Barmherzigen Schwestern auch das Bildungszentrum Schulen an der Kettenbrücke, bestehend aus Grund-, Mittelschule und Gymnasium sowie Berufsschule, Kinderkrippe, Kita und Schulhort.
Gallerie
Als der 1970er-Jahre-Bau der Grundschule zur Disposition stand, plädierte das ortsansässige Büro Studio Lois Architektur für Sanierung statt Abriss. So erfolgte ein Update des Gebäudes an der Nordspitze eines dreieckigen, nach Süden offenen Blockrandes. Zwischen dem Mittelschultrakt im Westen, einem schon zweifach aufgestockten Riegel aus den 1930er-Jahren und einer Betonkirche der 1960er-Jahre im Südosten hat das dreigeschossige Grundschulgebäude eine Gelenkfunktion innerhalb des heterogenen Ensembles inne, das über 80 Jahre in sieben Bauphasen gewachsen war.
Öffnung und Reduktion
Von außen ist die Erneuerung neben einer zeitgemäßen Fassade
vor allem auch über die Öffnung zum Straßenraum durch den Abbruch
der alten, gemauerten Einfriedung erlebbar geworden. Im Inneren
erfolgte eine Reduktion und Rückführung des Bestands auf seine
bauzeitliche Betonkonstruktion, die unter Anstrichen und
Verkleidungen freigelegt und sandgestrahlt wurde. Handwerklich
aufwendige Brettschalungen der 1970er-Jahre entfalten so ihre
Wirkung und wurden – passend zur Rohbauoptik des Sichtbetons –
kombiniert mit schallschluckendenden Wandelementen in Weißtanne und
Akustikdeckenfeldern aus zementgebundener Holzwolle.
Im Rahmen der Maßnahmen wurden außer den Klassenräumen auch der Festsaal und zwei übereinanderliegende Einfeldturnhallen saniert, und die Eingangssituation wurde verbessert. Durch einen hofseitigen Anbau um 300 Quadratmeter, was etwa ein Achtel der sanierten Flächen ausmacht, konnten die Erschließungszonen großzügiger gestaltet werden. Diese stellen keine reinen Verkehrsflächen dar, sondern kommen, wie etwa der „Marktplatz des Wissens“, als flexibel nutzbare Bereiche zeitgemäßen Lernkonzepten zugute. Ein Aufenthaltsfoyer mit Buffet für Pausen und Mittagstisch ist zum Hof hin orientiert. Im ersten Obergeschoss konnten Musikräume erweitert werden, und aus der Notwendigkeit zur Fluchtwegoptimierung ist auf dem Turnhallendach eine Terrasse entstanden, die auch als Freiluftklassenzimmer mit Blick auf die Zweitausender der Inntalkette genutzt werden kann.
Fassade: Pfosten-Riegel-Elemente und
Polycarbonatpaneele
Mit ihrer neuen Hülle setzt die sanierte Grundschule an der
städtebaulich prägnanten Stelle einer viel befahrenen Kreuzung
einen neuen Akzent, ohne jedoch das Umfeld zu dominieren. Mit dem
Gymnasiumskomplex der Barmherzigen Schwestern, dem reduzierten
1960er-Jahre-Kirchturm, mehreren Heimatstilvillen und einem großen
Oktogon, das bis vor zehn Jahren ein Rundgemälde des Tiroler
Volksaufstandes von 1809 beherbergte, ist die Nachbarschaft überaus
vielschichtig.
Die ursprüngliche Grundschulfassade im Stil der 1970er-Jahre mit massiven Brüstungen und geschlossenen Flächen war durch rot gerahmte Fensterbänder gegliedert, was den Eindruck eines unverbundenen Nebeneinanders der verschiedenen Zeitschichten erweckte. Mit ihrer neuen Hülle haben die Architektinnen und Architekten von Studio Lois den spätmodernen Duktus aus Fläche und Linie zu einer Komposition aus hellen und dunklen, größeren und kleineren Flächen variiert. Dadurch ist es gelungen, ohne größeren Eingriff in die Baumasse die Ensemblewirkung zu unterstreichen und die einzelnen Bestandteile stärker zusammenzubinden. Weite Teile der zweifach abgeknickten Eckfassade sind jetzt mit transluzenten Paneelen verkleidet, hinter denen sich geschlossene wie offene Wandbereiche befinden. Hierfür wurden Lichtbauelemente aus Polycarbonat stehend montiert. Dazwischen sind mehrere, etwas kleinere Felder angeordnet, bestehend aus dunklen Aluminium-Pfosten-Riegel-Elementen mit den entsprechenden Fensterflächen.
Beschriftetes Fassadenfeld
Eine große, rechteckige Polycarbonatfläche im Bereich der
Turnhallen weist in den Straßenraum und dient als grafisch
gestalteter Blickfang. Die vertikalen Fugen
der Paneele als Zeilen nutzend, sind in weißen
Großbuchstaben – von rechts lesbar – die Vornamen all
jener Menschen aufgebracht, die mit dem Gebäude in Verbindung
stehen: von Ordensschwestern als Gründerinnen, Direktorinnen und
Direktoren bis zum Lehrpersonal und anderen Beschäftigten und
natürlich auch von Schülerinnen und Schülern. Einige Lücken
zwischen den Vornamen sind so gesetzt, dass sich daraus – wiederum
waagerecht lesbar – der rund zwei Meter hohe Schriftzug WIR
ergibt: ein Hinweis auf den besonderen Wert der Gemeinschaft aller
mit dem Gebäude verbundenen Menschen. Zudem kann dieses
künstlerisch gestaltete Fassadenfeld nachts hinterleuchtet
werden.
Das Sanierungsprojekt erhielt eine Auszeichnung des Landes Tirol
für Neues Bauen 2020.
Bautafel
Architektur: Studio Lois Architektur, Innsbruck
Projektbeteiligte: Dibral, Natters (Tragwerksplanung); A3 Innsbruck (Haustechnik); Andreas Plattner, Rinn (E-Planung); Fiby, Innsbruck (Bauphysik); Lochner Baumangagement, Absam (Bauleitung); himmel Graphik & Kommunikation, Innsbruck (Visuelle Kommunikation / Kunst am Bau)
Bauherrschaft: Schulverein der Barmherzigen Schwestern Innsbruck
Fertigstellung: 2019
Standort: Falkstrasse 28, 6020 Innsbruck, Österreich
Bildnachweis: David Schreyer, Tirol, Graz u.a.; Studio Lois, Innsbruck
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