Bühler-Areal in Sennhof bei Winterthur

Ode an die Indsutriehalle

Sie war die letzte große Baumwollspinnerei der Schweiz, die bis 2016 Feingarn produzierte: Die Hermann Bühler AG in Sennhoff, einem Vorort von Winterthur. Das lokale Büro RWPA hat als Ergebnis eines Wettbewerbs weite Teile des „nutzungsbefreiten“ Bühler-Areals neu beplant. Mit gestalterischen wie materiellen Rückgriffen wurde der Bestand zum vielfältigen Gewerbestandort umgebaut.

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Die ursprünglich wasserkraftbetriebene Spinnerei 1 von 1860 – der Altbau – ist ein 70 Meter langer, viergeschossiger Riegel mit Satteldach. Im Laufe der Zeit hatte er fast allseitig Anbauten erhalten. In den 1930er-Jahren war ein Turbinenkraftwerk errichtet worden. 1980 und 1990 kamen westlich des Altbaus die Spinnereien 2 und 3 hinzu, zusammen kurz die Fabrik genannt. Die miteinander verwachsenen Hallen verfügen über je 3.500 Quadratmeter Grundfläche. Nördlich wurde die Anlage um ein Ballenlager erweitert. 

Die nordwestlich gelegene Halle (Spinnerei 2) ist eingeschossig, die südöstliche (Spinnerei 3) hingegen zweigeschossig. Ihnen ist ein zwei- bis dreigeschossiges, 136 Meter langes Servicegebäude vorgelagert, das vor dem Umbau eine Elektrozentrale, einen Ballenlift und einen Aufenthaltsraum beherbergte. Die zum Altbau orientierte Ansicht gliedern vier Klimatürme mit paarweise hervortretenden, abgerundeten Seiten. 

Während der Altbau noch zum Wohnhaus umfunktioniert werden soll, ist der Umbau der später errichteten Gebäude 2024 bereits abgeschlossen. Hier hat sich unterschiedlichstes Gewerbe eingerichtet, von der Zimmerei über eine Kaffeerösterei und Start-Ups bis hin zu einer Elektromobilitätsfirma. Die Architekt*innen schufen 12.000 Quadratmeter Miet- und 300 Quadratmeter Gemeinschaftsflächen. Im nur gut zwei Meter hohen Untergeschoss der Spinnerei 3, dem ehemaligen Verteilerraum für die Technik, ließ eine Ausnahmegenehmigung die Schaffung von 90 Parkplätzen zu.

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Offensichtlich anpassbar

Aufgrund der geringen Eingriffstiefe der Transformation blieb der Charakter des Industriebaus mit seiner Rohbauoptik erhalten. Zugleich wurden einige wirkungsvolle, fast surreal anmutende Akzente gesetzt. Für die veränderten Nutzungsansprüche waren zusätzliche Öffnungen in den Beton- und Kalksandsteinwänden notwendig, deren Schnittkanten sichtbar belassen wurden. Nicht mehr benötigte Öffnungen schlossen unverputzte, rote Blockziegel. Die Böden wurden teils nur gereinigt und im Bereich der Treppen und Rampen geschliffen. 

Die neuen Korridorwände setzen sich durch ihre zweilagig montierten, sichtbar geschraubten Gipsfaserplatten vom Bestand ab. Nur einlagig beplankt sind die Trennwände zwischen den Mieteinheiten. Deshalb wurden hier die Stöße verspachtelt und anschließend horizontal wie vertikal präzise als gleich breite Streifen weiß gefasst. Durch die exakte Montage der Platten gliedert ein regelmäßiges, versetztes Raster die großen Wandflächen. Die Leichtbauweise und die konsequente Montage von Aufputz-Installationen gewährleisten, dass sich die Gewerbeflächen mit wenig Aufwand an neue Nutzer*innen anpassen lassen.

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Rückgriffe auf den Bestand

Der satte Grünton der Bestandsfenster und Türen ist bei den neuen Konstruktionsbauteilen wiederzufinden. Dazu gesellt sich das Rot der eingefügten Ziegelwände und ein strahlendes Gelb, in dem Küchen und Sanitärräume gefasst sind. Schließlich stellt eine prägnante Signalethik, mit einer eigens entworfenen, an Garfäden erinnernden Schrift, den Bezug zur Nutzungsgeschichte her.

Zahlreiche demontierte Bauteile und Materialien wie Heizkörper und Waschtröge, Fassadenplatten und Stahlprofile wurden vor Ort gesammelt, aufbereitet und wiederverwendet, teils auch in neuen Kontexten, etwa für Leuchten oder Pavillons im Freiraum. Eine großflächige PV-Anlage auf dem Dach der Spinnerei 3 und ein Fernwärmeanschluss ergänzen die schon von Anfang an genutzte Wasserkraft. Letztere wird über ein neues Kraftwerk gewonnen, während in das alte ein Bistro einzog.

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Fassade: Bauen mit Bestand

Für den neuen Gewerbemix mussten die weitgehend geschlossenen Außenhüllen der Fabrik geöffnet werden. Die 136 Meter lange Südwestfassade war fast vollständig mit geschosshohen Großprofilplatten vom Typ Canaleta verkleidet, die der Hersteller Eternit eigentlich für geneigte Dächer entwickelt hatte. 1971 erhielten die Elemente mit dem markant gefalteten, fast 25 cm tiefen Profil sogar einen Designpreis. Bei der Spinnerei 2 sind die stehend montierten Platten in einem matten Beige gehalten. Dieser Farbton setzt sich im Erdgeschoss der Spinnerei 3 fort, während das Obergeschoss einen leicht dunkleren Braunton aufweist.

Die Spinnerei 2 hatte an der Südwestseite ursprünglich drei, die Spinnerei 3 vier Fensterachsen. Je sechs weitere kamen jetzt hinzu, eingepasst in das Raster der Hallenstruktur. Die neuen Öffnungen erforderten zusätzliche Abschlusselemente für Geschossübergang und Dachrand. Diese Elemente wurden mithilfe von Abdrücken der bestehenden Formteile hergestellt. Statt grüner Rahmen, wie bei den Bestandsfenstern, wählte man für die neuen graue, feuerverzinkte Profile. 

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In den Brüstungsbereichen und an der Attika wurden eine neue vorgehängte hinterlüftete Fassade mit acht Millimeter starken Eternitplatten montiert. Sie hebt sich einerseits durch das helle Granitgrau, andererseits durch das gestreckte Querformat der Paneele ab. Dabei sorgen acht Zentimeter breite, grüne Metallprofile für die an Stülpschalungen erinnernde Schrägstellung. Als Sonnenschutz dienen verdeckt am Sturz eingebaute Rafflamellenstore.

Auf der gegenüberliegenden Seite, am ehemaligen Servicetrakt, erfolgten großzügige Öffnungen zwischen den Rundungen der Klimatürme. Die ehemalige Brücke zum Altbau wurde gekappt und der verbliebene Rest mit einer Rundstütze unterfangen. Als Fragment erinnert er an frühere Funktionszusammenhänge und dient jetzt als Loggia für Pausengespräche. Wie auch die Dachterrasse auf der Spinnerei 2 erhielt er an der Vorderkante eine getönte Glasbrüstung im dunklen Grünton des Bestands.

Bautafel

Architekten: RWPA, Winterthur
Projektbeteiligte: ROBAUEN, Winterthur (Baumanagement), Roland Krauer, Büro Fax, Winterthur (Signaletik), Heinrich Landschaftsarchitektur, Winterthur (Freiraumplanung)
Bauherr: Hermann Bühler AG, Sennhof (Winterthur)
Fertigstellung: 2023
Standort: Bühler-Areal 23, 8482 Sennhof (Winterthur), Schweiz
Bildnachweis: Lucas Peters, Zürich (Fotos); RWPA, Winterthur (Pläne)

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