DAV-Bundesgeschäftsstelle in München
Umgebaut und neu verkleidet
Ein Siebzigerjahre-Bürohaus zum Low-Tech-Gebäude umbauen? Diese scheinbare Quadratur des Kreises war das Ziel für den neuen Sitz des Deutschen Alpenvereins. Der DAV wollte als Bergsport- und Naturschutzorganisation mit der Architektur seiner Bundesgeschäftsstelle in München ein Zeichen setzen – und entschied sich gegen einen Neubau. Nach einem Wettbewerbsentwurf von hiendl_schineis haben Element A Architekten daher die alte Verwaltung des Langenscheidt-Verlags saniert, erweitert und aufgestockt. 2021 war die Transformation abgeschlossen.
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Das einstige Verlagsgebäude in der Parkstadt Schwabing – einem Quartier mit 12.000 Büroarbeitsplätzen und 1.500 Wohnungen im Norden von München – war in zwei Bauabschnitten Anfang der 1970er- und 1980er-Jahre errichtet worden. Der viergeschossigen Betonskelettbau mit Aluminium-Bandfassaden, entworfen von Kurt Ackermann und Partner, ist heute baulich mit der neuen CSU-Parteizentrale, dem früheren Langenscheidt-Neubau, verbunden. Direkt gegenüber stehen die 126 Meter hohen Highlight Towers.
Bei der Teilentkernung des Altbaus blieb die Betonkonstruktion und die darin gespeicherte Graue Energie in weiten Teilen erhalten. Zwei Geschosse in Holzbauweise kamen hinzu, mit Rundstützen, Holzbetonverbunddecken und Flachdach. An der zur Straße gelegenen Stirnseite wurde das Gebäudevolumen um eine Raumschicht mit Atrium und Treppenhaus erweitert, im Westen ragt neu ein Konferenzsaal aus dem Erdgeschoss.
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Freigelegt und neu verkleidet
Innen bleiben einige Betonflächen des Rohbaus sichtbar und stehen nun im Kontrast zu den verschiedenen neuen Holzoberflächen der abgehängten Akustik-Deckenelemente, Treppenläufe, Parkettböden, Fensterbrüstungen und Konstruktionsteile. Selbst für den Brandschutz schwerer Deckenstahlträger kamen Holzverkleidungen zum Einsatz. Auf Abbrand gerechnet, ergab sich, dass bei 0,7 mm Abbrand pro Minute 3 cm Massivholz für eine F30-Ummantelung ausreichen.
Die offenen Bürozonen sind gut belichtet. Für ein angenehmes Raumklima sorgt unter anderem der thermische Auftrieb zweier im Hausinneren liegender Konvektorschächte mit Langsamläufer-Ventilator. Gerade wegen der freiliegenden Betonelemente wurde Wert auf die Raumakustik gelegt, zu deren Verbesserung neben den Deckenelementen auch Teppichböden in den Bürobereichen beitragen.
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Fassade aus Holz, Stahl und Glas
Heute ist das Gebäude von einer vorgehängten Pfosten-Riegel-Fassade umgeben, mit Holzelementen, annähernd raumhoher Festverglasung und vereinzelt öffenbaren Fensterflügeln. Die Brüstungshöhe liegt nun nur noch bei ca. 60 Zentimetern. Vor den beiden Längsseiten wurde außerdem eine weitere, fünf Geschosse hohe und 1,5 Meter tiefe regalartige Struktur errichtet, die auf eigenen Fundamenten steht und thermisch entkoppelt ist. Sie besteht aus gestapelten, geschosshohen Holzpfosten, die durch liegende, mit Holzbalken verblendete Stahlrahmen verbunden und ausgesteift sind. Absenkbare Schraubverbindungen an den Knotenpunkten erleichtern den Austausch verwitterter Pfosten.
In die Rahmen sind Gitterroste und Pflanzkästen eingesetzt, in denen Gräser und andere einheimische Pflanzen wachsen. Somit dient die zusätzliche Schicht einerseits der Verschattung und Regulierung des Mikroklimas, andererseits erleichtert sie das Pflegen und Reinigen der Fassade und ihrer großen Glasflächen.
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Passiv klimatisiert
Ein wesentliches Element des Low-Tech-Konzepts ist die Luftführung in der Brüstung: Außenluft gelangt unter der Fensterkante durch ein schalldämmendes Lüftungsgitter ins Gebäude. Dort fällt sie an der Brüstungsinnenseite nach unten, wird kurz über dem Boden mit Raumluft gemischt und dann über einen Konvektor erwärmt. Der thermische Auftrieb im Konvektorschacht zieht die Luft nach oben, bevor sie durch Lüftungsschlitze im Fensterbrett in den Raum gelangt. Mit auf diese Weise vorgewärmter Frischluft bleibt Fußkälte aus. Der zusammen mit Transsolar entwickelte Mechanismus dient auch der sommerlichen Nachtabkühlung und macht eine aktive Gebäudeklimatisierung überflüssig.
Auf außenliegenden Sonnenschutz verzichtete man überall dort, wo Simulationen zeigten, dass durch Umgebungsbebauung und Begrünung bereits eine hinreichende Verschattung gegeben ist. An den sonnigeren Stellen wurden gelbgrüne Fassadenmarkisen angebracht – farblich abgestimmt mit den lindgrünen Brüstungen. Unterhalb der Traufkante reduzieren zudem fünf Reihen schräggestellter Holzlamellen die direkte Sonneneinstrahlung.
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Ähnliche Konzepte wie bei der DAV-Geschäftsstelle ließen sich womöglich übertragen auf viele andere als „unsanierbar“ geltende Bürobauten der Nachkriegs- und Spätmoderne mit ihren bekannten Unzulänglichkeiten: Energieverbrauch, Raumklima, geringe Deckenhöhen, Gründungsverhältnisse und ausgereizte Tragreserven. Das Projekt bezeugt damit, dass trotz schwieriger Voraussetzungen Erhalt statt Abriss und Neubau möglich sind, wenn von standardisierten Sanierungsansätzen abgewichen wird.
Bautafel
Architektur Bestand: Kurt Ackermann und Partner
Architektur Umbau: hiendl_schineis architektenpartnerschaft, Passau/Augsburg (Wettbewerbsentwurf); Element A Architekten, München (Entwurfsplanung, Innenarchitektur und Ausführung inkl. Fassadenplanung) Projektbeteiligte: Christian Taufenbach, Andreas Kreft, Romuald Dehio, Tobias Richter, Ludmila Volk, Johanna Öchsner, Saskia Weber, Andreas Riesch, Lisa Detter, Zsofia Varga, Daniela Retze-Stefani (Projektteam Architekten), Andreas Kreft, Christian Taufenbach (Bauleitung), Element A / Transsolar Energietechnik, Stuttgart, München u.a. (Klimakonzept), merz kley partner, Dornbirn (Tragwerksplanung Holzbau) Ingenieurbüro Kovacs Passau (Tragwerksplanung Massivbau), Ingenieurbüro Lackenbauer, Traunstein (Haustechnik), ekplan Elektroplanung, Nenzing (Elektroplanung), IBU Brandschutz, Kirchberg i. W. (Brandschutz), Möhler+Partner Ingenieure, München (Akustik), mk.landschaft, München (Landschaftsarchitektur), Oliver Alefeld, München (Projektsteuerung)
Bauherr: Deutscher Alpenverein, München
Fertigstellung: 2021
Standort: Mies-van-der-Rohe-Straße 5, 80807 München
Bildnachweis: Pk. Odessa Co / Markus Lanz, Sebastian Schels (Fotos); Element A Architekten, München (Fotos und Pläne)
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