Primarschulhaus Vinci in Suhr

Doppelhelix aus Beton vereint Freitreppe mit Fluchttreppenhaus

Regelmäßig angeordnete Stützen prägen die Fassade des Primarschulhauses Vinci in Suhr. Zusammen mit dem quadratischen Grundriss lassen sie das Gebäude von pool architekten aus Zürich Ruhe und Introvertiertheit ausstrahlen, die auch als Reaktion auf die heterogene Umgebung zu lesen ist. Das Volumen ruht leicht zurückversetzt an der Tramstrasse – der zentralen Verkehrsachse von Suhr – und ist mit seinen vier Geschossen das höchste Gebäude der campusähnlichen Schulanlage. Mit der Positionierung erreichen die Architekten eine veränderte Wahrnehmung des Geländes: An die Stelle einer linearen Erschließung rückt ein Wegenetz, das die verschiedenen Freiräume miteinander verbindet.

Zwischen den doppelgeschossigen, vorgefertigten Sichtbetonstützen sitzt eine Leichtbaufassade
Blick zum Eingang: Das Herz des Gebäudes bildet eine verspielte Treppenskulptur
Die Treppenanlage in Form einer Doppelhelix vereint die offene Haupttreppe und ein Fluchtreppenhaus

Die strenge äußere Erscheinung, die sich im Zusammenspiel von zweigeschossigen Betonstützen und Leichtbaufassade ergibt, lässt nicht vermuten, dass für das zentrale Element des Schulhauses ein prächtiges Renaissanceschloss Pate stand. Die skulpturale Treppe im Herzen des Gebäudes ist inspiriert von der Treppenanlage im Loire-Schloss Chambord und wie diese als Doppelhelix ausgeführt. Während im Schloss zwei gleichwertige Wendeltreppen ineinandergreifen und ein turmartig geschlossenes Treppenauge umlaufen, entwickelten pool architekten für das Schulgebäude eine Kombination aus einer offenen und einer geschlossenen, als Fluchttreppe konzipierten Wendeltreppe, die zusammen ein Atrium begrenzen. Tageslicht gelangt unter anderem über das Dach, das zwischen den Trägern mit Glasbausteinen ausgefacht ist, ins Innere.

Um die im Grundriss kreisrunde Treppenskulptur legen sich ein innerer und ein äußerer quadratischer Stützenkranz, deren Stützen symmetrisch angeordnet sind und zwischen denen sich das Raumprogramm aufspannt. Im Erdgeschoss ist neben dem Lehrerzimmer und dem Rektorat unter anderem die Gemeindebibliothek untergebracht; eine öffentliche Nutzung, die das Schulhaus noch stärker mit dem Ort und seinen Bewohnern verknüpft. Die eigentlichen Lehr- und Lernräume – die Klassen- und Gruppenräume – finden sich in den drei Obergeschossen. Während das Herz des Gebäudes mit der Treppenskulptur und dem indirekten Licht meditativ und tempelartig wirkt, richtet sich der Blick in der umschließenden Raumschicht durch die geschosshohen Fenster nach außen auf das Grün der Umgebung und den Ort.

Beton

Ein rahmenartig ausgesteiftes Betonskelett bildet die Tragstruktur des viergeschossigen Gebäudes. Die zweischaligen, jeweils doppelgeschosshohen Fassadenstützen sind so ausgebildet, dass sie zusammen mit einem Randunterzug entlang der Geschossdecken und einem Fundamentriegel ein biegesteifes System bilden. Auf diese Weise wird die Stabilität des Gebäudes gegenüber horizontalen Einwirkungen wie Wind und Erdbeben gewährleistet.

Im Gebäudeinneren war nur noch ein zusätzlicher innerer Stützenkranz zur vertikalen Abstützung der Geschossdecken erforderlich. Sämtliche Innenwände konnten deshalb nichttragend ausgebildet werden, sodass eine flexible Einteilung der Fläche möglich war – auch eine Umnutzung zu Einzel- oder Großraumbüros ist denkbar.

Alle Stützen wurden im Werk vorgefertigt. Der repetitive Aufbau des Schulbaus und die Vorfabrikation ermöglichten eine effiziente und schnelle Umsetzung. Dank der Verwendung von Fertigteilen wirken die Sichtbetonoberflächen der Stützen zudem hochwertig und homogen.

Geschossdecken und Treppen wurden in Ortbeton erstellt. Bei der Treppenskulptur entschieden sich die Planer für eine Schalung aus sägerauen Brettern. Sichtbare Geschossdecken und Wandelemente aus Beton im Bereich des inneren Ringes zeigen den regelmäßigen Abdruck von Schaltafeln. Die Trittstufen der offenen Wendeltreppe wurden terrazzoähnlich geschliffen, die Oberflächen der Fluchttreppe blieben unbehandelt. -chi

Bautafel

Architekt: pool Architekten, Zürich (Team: Dieter Bachmann, Matthias Stocker, Martin Trefon (PL), Kaspar Appels)
Projektbeteiligte: Eichenberger Architekten, Küttigen (Baumanagement/Bauleitung); Haag Landschaftsarchitektur, Zürich (Landschaftsarchitekt); Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich (Bauingenieure); Gruenberg + Partner, Zürich (Gebäudeingenieur HLK); Planungsbüro S. Widmer, Suhr (Sanitär); Bhend Elektroplan, Suhr (Elektro); Grolimund + Parnter, Aarau (Bauphysik); applied acoustics, Gelterkinden (Akustik); GKP Fassadentechnik, Aadorf (Fassadenplaner); Conti Swiss, Zürich (Brandschutz); Amstein Walthert, Zürich (Brandschutz Simulation); Bivgrafik, Zürich (Signaletik)
Bauherr: Gemeinde Suhr
Standort: Tramstrasse 20, 5034 Suhr, Schweiz
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Ralph Feiner, Malans

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