Wettbewerbsverfahren

Der Architekturwettbewerb gilt als fachlicher Leistungsvergleich und ermöglicht Bauherr*innen, eine optimale Lösung für ihr Bauvorhaben zu finden. Die Geschichte der Wettbewerbskultur reicht bis in die 1860er-Jahre zurück, wo ein erster Entwurf der deutschen Wettbewerbsordnung für Architekten und Ingenieure entstand. Die Grundprinzipien und Vorteile bleiben bis heute die gleichen. Mit der erfolgreichen Teilnahme und der darauffolgenden Veröffentlichung der Entwürfe können junge wie etablierte Büros ein Preisgeld gewinnen, für ihr Büro werben und potenzielle Auftraggeber*innen auf sich aufmerksam machen. Diese können bei der Auslobung eines Wettbewerbs aus verschiedenen Beiträgen einen oder mehrere Preisträger auswählen und mithilfe einer Fachjury eine Entscheidung für das passende Projekt treffen.

Gallerie

Wettbewerbsarten

Die Ausführung eines Wettbewerbes ist von der Größe und der Art des Projektes abhängig. So werden beispielsweise – wie bei anderen Vergabesituationen auch – unter anderem Unterschiede zwischen öffentlichen und privaten Auftraggebenden und offenen und nichtoffenen Verfahrensarten gemacht.

Öffentliche Auftraggeber
Öffentliche Bauherr*innen sind verpflichtet, Bauaufgaben in einem öffentlichen Verfahren zu vergeben. Dabei müssen sie sich an die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (kurz: VgV) halten. Diese gibt in §2 VgV einen Baugesamtkosten-Schwellenwert (inkl. Honorierungskosten) von bis zu 5.538.000 EUR (Stand: Januar 2024) an, der bei einer Überschreitung zu einer EU-weiten Ausschreibung nach Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (kurz: VOF) verpflichtet. Bei der Durchführung eines Planungswettbewerbs müssen diesem zudem einheitliche Richtlinien, wie die Richtlinien für Planungswettbewerbe (kurz: RPW) zugrunde liegen. Auftraggeber*innen müssen auch schon vor Beginn des Verfahrens festlegen, ob ein Wettbewerb die Teilnehmerauswahl ersetzt und ob das anschließende Verhandlungsverfahren durch eine Vertragsklausel – etwa die Festlegung des Preisträgers als Verfahrensgewinner -  aufgehoben wird.

Bei einer Unterschreitung des Schwellenwertes sind die Vergaberichtlinien des Auslobers bestimmend. Das Wettbewerbsverfahren unterliegt weiterhin den Regelungen der RPW.

Private Auftraggeber
Während öffentliche Auftraggeber*innen zu der Ausführung eines öffentlichen Wettbewerbs verpflichtet sind, steht privaten Bauherr*innen die Wahl der Verfahrensarten frei. Auch die Auswahl der Teilnehmenden ist demnach frei und kann nach dessen Präferenzen gestaltet werden. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Zusammenstellung der Jury; diese muss in diesem Fall nur zur Hälfte aus Fachpreisrichtern bestehen. Bei der Beauftragung können private Auslobende unter den Preisträgern frei wählen. Auch hier gelten die RPW sonst uneingeschränkt.

Offener Wettbewerb
Bei der offenen Verfahrensart kann jeder teilnehmen, der die in der Auslobung definierten Voraussetzungen erfüllt. Neben Architekturschaffenden, Stadt- und Landschaftsplaner*innen können hier – wenn nicht anders ausgeschrieben – auch Kommunikationsfachleute, Künstler oder gar Kollektive aus verschiedenen Fachrichtungen teilnehmen. Unter Umständen werden diese Wettbewerbe zweiphasig ausgeführt, dabei werden alle eingereichten Arbeiten begutachtete und schließlich in einer weiteren Bewertungsphase ausgewertet.

Nichtoffener Wettbewerb
Bei der nicht offenen Ausführung eines Wettbewerbs wird die Teilnehmerzahl begrenzt. Potenzielle Teilnehmer können sich bewerben und werden mittels eines in der Auslobung definierten Verfahrens ausgewählt.

Abläufe

Erstellung der Auslobung
Für den ersten Teil der Auslobung (Teil A) muss zunächst die spezifische Planungsaufgabe und die Wettbewerbs- und die Verfahrensart definiert werden. Anschließend werden die Wettbewerbsbestimmungen, wie Qualifikationen der Teilnehmer, die Besetzung des Preisgerichts, sowie Entscheidungskriterien und die Wettbewerbssumme, in Rücksprache mit der Architektenkammer festgelegt.

Im zweiten Teil der Auslobung (Teil B) wird die Wettbewerbsaufgabe definiert, die Ausgangssituation für die Entwurfsaufgabe beschrieben, Ortsanalysen, sowie Plan- und Modellbauunterlagen werden zusammengestellt. Dies übernimmt in der Regel ein externes Büro, das zur Koordinierung des Wettbewerbsverfahrens hinzugezogen wird.

Schließlich findet eine erste Vorbesprechung der berufenen Jury und der Auslobenden statt.

Wettbewerbsdurchführung
Die Durchführung eines Wettbewerbs erfolgt in 4 Schritten.

  • Zunächst wird die Auslobung in amtlichen Medien und der Fachpresse veröffentlicht, oder – im Falle eines eingeladenen Wettbewerbs – durch die direkte Einladung der ausgewählten Büros bekannt gemacht.
  • In der Regel findet vor Beginn der Bearbeitungsphase ein Rückfragekolloquium statt, in dem sich potenzielle Wettbewerbsteilnehmer ein genaueres Bild von der Aufgabe machen können und Fragen beantwortet werden können. Üblicherweise findet dieses am Standort der Bauaufgabe statt; um Anfahrtskosten und Zeit zu sparen, finden diese Termine immer häufiger Online statt.
  • Die Bearbeitungsphase sollte nach Angaben der Bundesarchitektenkammer mindestens acht Wochen betragen. Zur vorgegebenen Frist werden die Wettbewerbsbeiträge anonym an den in der Auslobung angegebenen Abgabeort versandt.
  • Nach Eingang aller Beiträge erfolgt eine Vorprüfung durch die Jury, oder separat beauftragten Prüfern. Hier wird die Vollständigkeit, sowie die Erfüllung grundlegender Vorgaben geprüft, bevor die Preisgerichtssitzung stattfindet und die Sieger festgelegt werden.

Nach der Preisgerichtsentscheidung werden alle Beteiligten über das Ergebnis informiert. Ein Protokoll mit der Bewertung der Beiträge wird ebenfalls versendet. Die Beiträge werden in einer öffentlichen Ausstellung veröffentlicht.

Kosten und Vergütung

Für Auftraggebende ist der Wettbewerbsprozess eine besonders wirtschaftliche Alternative zur regulären Beauftragung. Die Kosten und der Koordinierungsaufwand einer Mehrfachbeauftragung der Leistungsphasen 1 bis 2 nach der HOAI fallen weg. Kosten für die Erstellung einer Auslobung, Planungs- und Organisationskosten, sowie die der Preisrichter und schließlich dem Preisgeld fallen, stattdessen an. Diese erreichen in der Regel die Kosten einer einfachen Beauftragung, wodurch sich das Prozedere als besonders wirtschaftlich und wirksam für Bauherr*innen erweist.

Für Architekturschaffende sieht dies anders aus. Trotz zahlreicher Regelungen bleibt die Wettbewerbsteilname bis heute ein Risiko. Besonders kleine und junge Büros sind von einer geringfügigen, bis nicht vorhandenen Kompensation betroffen und können sich oftmals die Teilnahme durch einen zu hohen Aufwand nicht leisten. Während Preisträger eines Wettbewerbs oftmals einen Betrag erhalten, der die Planungsaufwände deckt, bekommen Teilnehmer*innen ohne Auszeichnung oftmals keine Aufwandsentschädigung.

Wettbewerbe Online

Mit der Digitalisierung großer Teile des Wettbewerbsverfahrens wird es immer einfacher für Auftraggebende, sowie Teilnehmer*innen Wettbewerbe wahrzunehmen. Größere Plattformen, die auch mobil erreichbar sind, machen auf Wettbewerbe aufmerksam und lassen diversere Teilnahmen zu. Auch das Prozedere selbst wird so vereinfacht. Neben Online-Besprechungsterminen, werden nun auch Auslobungsunterlagen, sowie Vorlagen und Protokolle immer häufiger digital abgelegt. Während der Bearbeitung können teilnehmende Büros so jederzeit Fragen stellen, die in Form eines Wettbewerbsforums für alle Beteiligten beantwortet werden können. So wird Zeit gespart und eine offene, uneingeschränkte Kommunikation ermöglicht.

Die fertigen Wettbewerbsbeiträge werden in der Regel trotzdem als physische Abgabe verlangt, um die Anonymität zu wahren und die Beiträge gegenüberstellen zu können. Um Ausstellungen und Veröffentlichungen zügig organisieren zu können, werden die Wettbewerbsbeiträge zusätzlich digital über anonyme Ablagen abgegeben.

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