Bereits seit Jahrhunderten wird Seegras verwendet,
beispielsweise um Matratzen und Möbel zu polstern, aber auch um
Dächer zu dämmen. Dafür sind die Meerespflanzen heutzutage kaum
bekannt. In den letzten Jahren hat der nachwachsende Dämmstoff in
der Baubranche wieder zunehmendes Interesse geweckt. Die
gereinigten, getrockneten Fasern können als Einblasdämmung, als Schüttung oder als Stopfwolle
verwendet werden.
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Seegras ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für eine Reihe
von Pflanzen, die am Meeresgrund wachsen und dort dichte Wiesen
ausbilden. Im Gegensatz zu Algen verfügen sie über Wurzeln im
Boden, Stängel und Blätter und können zudem blühen –
wenngleich eher selten. Die Familie der Seegrasgewächse kommt in
mehr als 150 Ländern und auf sechs Kontinenten vor.
Seegras aus dem Mittelmeer
Im Mittelmeer verbreitet ist die auch als Neptungras bekannte
Art Posidonia oceanica, die in Tiefen von 3 bis 40
Zentimetern wächst. Ihre Präsenz deutet auf eine hohe
Wasserqualität hin. Posidoniawiesen dienen vielen Meerestieren als
Lebensraum und schützen die Strände vor Erosion. Für die Nutzung
als Dämmstoff werden die Bestände nicht angetastet. Vielmehr kommt
hierbei ausschließlich angespültes Seegras zum Einsatz.
Mancherorts sammeln sich auch sogenannte Neptunbälle an, etwa an
den Stränden von Tunesien und Albanien. Die seltsamen, abgeflachten
Kugeln von 2 bis 10 cm Größe bestehen aus abgestorbenen Blattrippen
und Blattscheiden, die von den Wellen zu Kugeln geformt und dann
angespült werden. Da die Mittelmeerküsten mittlerweile wichtig sind
für die Tourismuswirtschaft, gelten die mitunter enormen
Seegrasmengen meist als Abfall.
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Der Verarbeitungsprozess gestaltet sich verglichen mit anderen
Dämmstoffen einfach und energiearm. Auf Ibiza werden die
graubraunen Pflanzenteile in großen Taschen gesammelt und fernab
der Strände, auf großen Planen ausgebreitet, um dort in der Sonne
zu trocknen. Gereinigt gelangt der flockige Dämmstoff dann auf die
Baustelle. Die in Albanien und Tunesien gesammelten Neptunbälle
werden zerkleinert und gesiebt, um den Sand zu entfernen. Auf diese
Weise erhält man ein homogenes, kurzfaseriges Material, das an
Wolle erinnert. Per Bahn, Schiff und LKW wird der
Seegras-Dämmstoff dann nach Deutschland gebracht.
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Seegras aus der Ostsee
Ähnlich läuft die Verarbeitung der schmalen, langen Blätter des
Ostsee-Seegrases ab. In Dänemark sammeln sie Landwirt*innen ein,
deren Grundstücke ans Meer grenzen. Dazu fahren sie mit Traktoren
dicht ans Ufer und nehmen mit einem Greifer die frischen, noch
nassen Blätter auf. Sie sind sie zu einem Haufen aufgetürmt, kann
dann einen Tag lang das noch anhaftende Meereswasser abfließen.
Danach transportieren die Landwirt*innen das Seegras ab und
verteilen es auf nahegelegenen Wiesen. Je nach Jahreszeit dauert es
nun einige Tage bis mehrere Wochen, bis der Regen das Plankton
abgespült und die Blätter einen Trockenheitsgrad von 20 % erreicht
haben. Das Waschen ist so wichtig, damit der Dämmstoff später
keinen unangenehmen Geruch entwickelt. Zum Transport werden aus dem
jetzt braun-schwarzen Gras zu rund 150 kg schweren Ballen geformt.
Bei den Dämmstoffen aus Ostsee-Seegras ist die Verarbeitung zwar
etwas aufwändiger, dafür entfallen weite Transportwege.
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Anwendung
Seegras eignet sich für Neubauten und – wegen seiner hohen
Diffusionsoffenheit – gleichermaßen für das Bauen im Bestand. Die
Dämmwollen können geschüttet, mit der Hand gestopft oder
eingeblasen werden. Wichtig ist, dass der Einbau in vor
Feuchtigkeit, Niederschlag und Bewitterung geschützten Bereichen
erfolgt. Das lose Material kann die Gefachdämmung in
einer Fachwerk- oder Holzständerkonstruktion bilden. Mithilfe einer
Vorsatzschale sind auch Innen- und Außendämmungen möglich. Bei
geneigten Dächern kann Seegras als Zwischensparrendämmung
eingebracht werden. Auf den Balearen kam Posidonia ursprünglich
auch bei den flachen Dächern der Fincas zum Einsatz. Diese verfügen
über einen dreischichtigen Aufbau: Wacholderholz, eine Mischung aus
Asche und Seegrasfasern und zuoberst eine Schicht aus Ton, die für
Isolierung sowie Wetterfestigkeit sorgt. Genutzt wurden die Dächer,
um Agrarprodukte zu trocknen und das Regenwasser zu sammeln, das in
die Zisterne weitergeleitet wurde.
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Weiterhin eignen sich Schüttdämmungen aus Seegras zur Wärme- und
Trittschalldämmung bei Holzbalkendecken oder Böden, etwa der
obersten Geschossdecke. Dort kann die Seegraswolle auch offen
liegen. Da sie allerdings begrenzt druckbelastbar ist, ist eine
Trägerkonstruktion nötig, deren Gefache befüllt und dann beplankt
werden, zum Beispiel mit einem Rauspundboden. Als Perimeterdämmung ist Seegras nicht verwendbar.
Während Schilfdämmungen eine bauaufsichtliche Einzelgenehmigung
erfordern, ist das Mittelmeer-Seegras des Herstellers Neptutherm
seit 2010 zur Wärmedämmung grundsätzlich zugelassen. Der Hersteller
Seegrashandel strebt aktuell auch für Ostsee-Seegras eine
allgemeine bauaufsichtliche Zulassung an.
Eigenschaften
Im Unterschied zu anderen pflanzlichen Dämmstoffen verfügt
Seegras durch die Salze des Meerwassers bereits über einen
natürlichen Brandschutz, sodass sich auf Flammschutzmittel wie
Borsalz verzichten lässt. Derart schadstofffrei ist das Material
wiederverwendbar und kompostierbar. Das Neptutherm-Produkt ist
seinem Brandverhalten nach der Baustoffklasse B2 der DIN
4102-B2: Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen; Bauteile,
Begriffe, Anforderungen und Prüfungen zugeordnet. Damit ist es zwar
als normal entflammbar eingestuft, benötigt aber dennoch
keinen zusätzlichen Flammschutz. Der Dämmstoff ist diffusionsoffen,
kapillaraktiv sowie schädlings- und schimmelresistent gemäß Klasse
1. Wegen seiner verhältnismäßig hohen Dichte bietet Seegrasdämmung
einen guten Schall- und sommerlichen Wärmeschutz.
Technische Daten*
Wärmeleitfähigkeit λ: 0,039 – 0,046 W/(mK)
Rohdichte ρ: 65 – 75 kg/m3 Spezifische Wärmekapazität: 2.502 J/(kgK)
Wasserdampfdiffusionswiderstand μ: 1 – 2
Baustoffklasse nach DIN 4102-1 und EN 13501-1: B2 (DIN) und E
(EN)
*Anmerkung: Alle Angaben ohne Gewähr. Die Werte können sich
aufgrund von Produktweiterentwicklungen ändern, sind aber
aufgeführt, um als Anhaltspunkte zu dienen.
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