CRCLR-Haus in Berlin

Fortschrittlich von der Planung bis zur Ausführung

Auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei in Berlin-Neukölln loten Architekt*innen derzeit die Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft aus. Das Vollgut-Areal mit rund 20.000 Quadratmetern Nutzfläche wurde 2015 von der Terra Libra Immobilien GmbH, einer Tochter der anthroposophischen Stiftung Edith Maryon, erworben. Diese vergab das Grundstück im Erbbaurecht an die Genossenschaft TRNSFRM eG, die das Areal seither gemeinwohlorientiert und nachhaltig entwickelt. In unmittelbarer Nachbarschaft zum KINDL Zentrum für zeitgenössische Kunst befinden sich hier bereits eine Kartbahn, ein Szeneclub, eine Eventlocation sowie das neu errichtete ALLTAG – Haus der Parität. Am südlichen Ende des Areals wurde 2023 der Umbau und die Aufstockung des CRCLR-Hauses in bzw. auf der ehemaligen Fassladehalle fertiggestellt.

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Vom Fasslager zur Wohn- und Arbeitslandschaft

Die eingeschossige historische Halle liegt in den Hang eingebettet an der Rollbergstraße. Das Gebäude aus dem späten 19. Jahrhundert wurde im 2. Weltkrieg beschädigt und in den 1950er-Jahren wieder aufgebaut. Die Sanierung und Erweiterung erfolgte durch das Büro Die Zusammenarbeiter, in Kooperation mit der TRNSFRM, ZRS Ingenieuren und dem Basler Baubüro in situ. Die Umnutzung des Fasslagers sollte den Prinzipien des zirkuläres Wirtschaftens entsprechen. Zwei wichtige Planungsprinzipien waren, so viel Substanz wie möglich zu erhalten und zu gewährleisten, dass neu hinzugefügte Materialien den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft entsprechen. Das bedeutet, dass die Materialien nach dem Rückbau sortenrein getrennt und damit entweder direkt wiederverwendet oder hochwertig und schadstofffrei recycelt in den Kreislauf zurückgeführt werden können.

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Gebot: Wiederverwendung

Bereits der Erhalt der Bausubstanz stellte die Architekt*innen vor Herausforderungen: Das eingebaute Holz war belastet und konnte nicht wiederverwendet werden. Das teilweise beschädigte Mauerwerk musste hofseitig an einigen Stellen mit Ortbeton ergänzt werden. Die straßenseitige Fassade konnten die Planenden im historischen Original erhalten. Sechs neue Zugänge erschließen hier die hellen Arbeitsräume auf Straßenniveau. 

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Arbeiten im Bestand

In die eingeschossige historische Halle zogen die Zusammenarbeiter eine Galerieebene ein. Mieter ist der Impact Hub, der Co-Working-Spaces und Büroräume an nachhaltig wirtschaftende Unternehmen bzw. Personen vergibt. Der Ausbau von LSXY Architekten erfolgte im Auftrag des Impact Hub aus wiederverwendeten Materialien. Diese stammten beispielsweise von Abriss-Baustellen, Messen, Museen oder aus Lagerbeständen von Firmen. Damit auch Holzverschnitt oder Reststücke von Schreinereien verwendet werden konnten, beträgt das Holzständerraster der Einbauten nur 62,5 cm.

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Aufwändige Materialprüfungen

Die in zwei Baukörper geteilte Aufstockung schafft Platz für weitere 700 m² Arbeitsflächen und 1200 m² Wohnraum auf zwei bzw. drei Geschossen. Aus dem Rückbau der Hallendachkonstruktion konnten die Planenden 120 Träger Baustahl mit bis zu 18 Metern Länge gewinnen, die nun zum Teil die Tragstruktur der Treppe bilden. Die Träger durften allerdings nicht ohne erneute Schweiß- und Belastbarkeitsprüfung wiederverwendet werden. Dazu schnitten die Architekten von jedem vierten Träger eine Probe ab und schickten diese in ein Labor – ein zusätzlicher Zeit- und Kostenaufwand. Der Baustahl hätte auch für die Konstruktion eines mittig liegenden Gewächshauses und die geplanten Balkone an der Westfassade eingesetzt werden sollen, doch diese Zusatzbauten wurden im Rahmen des Kosten-Controlling gestrichen.

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Neu in die Halle eingesetzte Betonstützen und eine neue Deckenplatte tragen die Aufstockung, deren Tragwerk sich wiederum an den darunter liegenden Bestand anpasst. Deshalb mussten die Architekt*innen auch mal eine Holzstütze vor der freien Aussicht platzieren. Dafür konnten sie die 120 Kubikmeter Beton einsparen, da die neue Hallendecke 12 Zentimeter schlanker ist. Der Einsatz des CO₂-intensiven Materials ist minimal: Neben den Stützen und dem Dach kam Beton nur bei dem Treppenhaus sowie dem Aufzugschacht zum Einsatz. Ansonsten besteht der Wohnbereich aus einem Holzständerbau mit mineralisch verputzter Strohdämmung. Die Technik ist auf Putz verlegt, sodass sie einfach rückbaubar bleibt.

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Herausforderungen bei der Wiederverwertung

Wie wenig die Baubranche derzeit auf die Kreislaufwirtschaft vorbereitet ist, zeigte auch der Einbau von wiederverwendeten Fenstern. Über einen Bekannten konnten die Zusammenarbeiter 140 Fenster erstehen, die jener aus einem Verssicherungsschaden erworben hatte. Weil man keinen Kontakt zum Produzenten der sechs Jahre alten Fenster herstellen konnte, mussten die Planenden alle technischen Eigenschaften und Anforderungen selbst erarbeiten, die Dimensionen ausmessen und passende Details entwickeln. Während dieses Prozesses stellte sich heraus, dass die Zweifach-Verglasung durch eine Dreifach-Verglasung ersetzt werden musste, um die energetischen Vorgaben zu erfüllen. Die Zusammenarbeiter konnten schließlich einen Handwerksbetrieb finden, der sich diesen Umbau zutraute und die Verantwortung für die bauphysikalischen Eigenschaften übernahm. In der Aufstockung führten die übernommenen Fenster zu einer 30 Zentimeter größeren Raumhöhe, wofür eine zusätzliche Ausnahmegenehmigung notwendig war.

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Das zirkuläre Experiment verdeutlicht, wie stark sich die Baubranche noch verändern muss, um kreislaufgerecht wirtschaften zu können. Dabei sehen die Zusammenarbeiter auch Handlungsbedarf auf Seiten der Hersteller: Einmal ausgebaut, verlieren beispielsweise Brandschutztüren sämtliche werksseitigen Prüfzertifikate und Zulassungen. Für die Hersteller wäre eine Rezertifizierung in großen Mengen wesentlich einfacher durchzuführen als für kleine Architekturbüros, die nur eine geringe Stückzahl wiederverwenden können. 

Iterative Arbeitsprozesse mit neuen Tools

Durch die hohe Komplexität des Projektes benötigte es eine gute interne Bürosteuerung sowie eine klare Kommunikation und Koordination zwischen den beteiligten Planer*innen und den Herstellerfirmen. Neben regelmäßigen Meetings zur Besprechung der Arbeitsstände und Herausforderungen wie auch der iterativen Prüfung, Abgleichung und Freigabe der einzelnen Planungsstände kamen im Planungsprozess digitale Tools zum Einsatz, die zur erheblichen Erleichterung und Effizienz von diesem beitrugen - dies kam auch dem umfangreichen Angebotsmanagement zugute.

Um auch auf administrativer Ebene den Fortschritt im Bauwesen einzubringen, nutzte man hier vor allem verschiedene Anwendungen aus der Start-Up-Szene, die eine schnellere Kommunikation förderten und bei der Projektkoordination erfolgreich unterstützten. -sh

Bautafel

Architektur: Die Zusammenarbeiter, Berlin in Kooperation mit Baubüro in situ, Basel und TRNSFRM, Berlin
Projektbeteiligte: ZRS Ingenieure, Berlin (Tragwerk); Solares Bauen, Freiburg (TGA-Planung); LXSY Architekten, Berlin (Innenarchitektur); Akustik-Ingenieurbüro Moll, Berlin (Akustik und Schallschutz); Solares Bauen, Freiburg (Energieplanung); eZeit Ingenieure, Berlin (Energieberatung); Brandkontrolle Andreas Flock, Berlin (Brandschutz); Martin Hahn (Elektroplanung); Biermann + Heldt, Berlin (Vermesser); FASBA – Fachverband Strohballenbau, Verden (Beratung Strohballenbau)
Bauherrschaft: TRNSFRM, Berlin
Fertigstellung: 2023
Standort: Rollbergstraße 28, 12053 Berlin-Neukölln
Bildnachweis: Christian Schöningh, Berlin / Philine Barbe, Berlin / Studio Bowie, Berlin / Sarah Metwally-Sadowsky, Berlin (Fotos); Die Zusammenarbeiter, Berlin (Pläne)

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