Bürogebäude Ocean 21 in Dortmund
Der BIM-basierte Bauantrag ist Wirklichkeit
Die Digitalisierung macht nicht vor den Türen der Bauämter halt. Umso wichtiger ist es, dass die Bauanträge in naher Zukunft digital und BIM-basiert eingereicht und geprüft werden können. Die Stadt Dortmund geht beim Thema BIM-basierter Bauantrag nun einen großen Schritt voraus. Als Modellkommune und mit renommierten Partnern wie der Forschungsförderung Zukunft Bau, der Ruhr-Universität Bochum, Planen Bauen 4.0 und dem Land Nordrhein-Westfalen untersucht das Bauamt Dortmund, wie sich BIM-Planungen in das Bauantragsverfahren einbinden lassen und wie groß der Nutzen des BIM-basierten Bauantrags für die Städte und Gemeinden ist. Im ersten Schritt ging es darum, Modellierungsrichtlinien zu entwickeln, die eine Allgemeingültigkeit für jede digitale Einreichung haben – und damit für eine digitale Prüfbarkeit genutzt werden können.
Gallerie
Pilotprojekt in NRW zum BIM-basierten Bauantrag
Das reale Bauprojekt, mit dessen BIM-Planung der digitale Bauantrag eingereicht wurde, ist das Bürogebäude Ocean 21 am Phoenixsee in Dortmund. Entwurf, Realisierung und Koordinierung des Projekts übernahm das Dortmunder Architekturbüro Drahtler Architekten.
Insgesamt umfasst der Neubau 6.500 m² Bruttogeschossfläche und gliedert sich in drei horizontale Abschnitte. Das Sockelgeschoss dient der zentralen, fußläufigen Erschließung und wird als Parkdeck genutzt. Das Erdgeschoss fungiert als gläserne Fuge zu dem darüber liegenden U-förmigen Baukörper, der die Baulinien der Nachbarbebauung in der Phoenixseestraße aufnimmt und sich einladend in Richtung des Vorplatzes an der Hans-Tombrock-Straße öffnet. Der Gebäudesockel aus antrazithfarbenen Betonsteinklinkern wirkt massiv und setzt einen Kontrapunkt zu dem optisch darüber schwebenden Baukörper im ersten und zweiten Obergeschoss. Die Fassade ist geprägt durch vorspringende, abgeschrägte und in Einzelbereichen farblich abgesetzte Fassadenelemente.
Regenerative Energieerzeugung
Ebenso wie die Architektur- und TGA-Planung erfolgte auch die
Tragwerksplanung BIM-basiert. Konstruktiv gesehen ist der Bürobau
eine integrale Stahlbetonkonstruktion aus Ortbeton und
Halbfertigteilen. Die Decken sind als punktgestützte Flachdecken
ausgeführt. Im Bereich des auskragenden Geschosses nutzen die
Architekturschaffenden die Vorteile des räumlichen Tragverhaltens
der eingesetzten Stahlbetonkonstruktion. Die Kragbereiche werden
zusätzlich mit V-Stützen in Verbundbauweise unterstützt.
Ein Großteil der benötigen Energie-, Heiz- und Kühllasten wird
regenerativ erzeugt. So kommt eine Luftwärmepumpe zur Kälte- und
Wärmeerzeugung, eine Lüftungsanlage mit hocheffektiver
Wärmerückgewinnung sowie Photovoltaikmodule zur Stromerzeugung zum
Einsatz. Die Gebäudehülle wird u.a. mit einer
3-fach-Sonnenschutzverglasung und außenliegendem Sonnenschutz mit
Lichtlenkung höchsten energetische Anforderungen gerecht.
Wissensvorsprung durch Open-BIM
Bauherr und Betreiber des
Ocean 21 ist der regional ansässige Unternehmer Jan Opländer.
Dieser forderte für die Planung des Projekts den Einsatz von
Open-BIM. Das Architekturbüro erhofft sich von dem Projekt einen
Wissensvorsprung, der durch Planungssicherheit, Durchgängigkeit im
Datenaustausch (Datenkonsistenz), Kostensicherheit durch eine
modellbasierte Massenermittlung und die Koordination aller
Planungsbeteiligten im BIM-Prozess entstehen soll. In diesem Zuge
entwickelte das Planungsteam einen eigenen BIM-Workflow, der auch
für Folgeprojekte adaptiert werden soll.
Das Gebäude wurde auch deshalb als Forschungsprojekt ausgewählt,
weil es in Größe, Komplexität, Aufwand bei der Planungskoordination
sowie der fachübergreifenden Zusammenarbeit aller Planungs- und
Realisierungspartner ein typisches Beispiel für viele mittlere
Bauprojekte in Deutschland bildet. So lassen sich viele
allgemeingültige Erkenntnisse aus dem Projekt ziehen, die auf
Folgeprojekte und deren Bauanträge übertragen werden können. Ein
umfangreicher Abschlussbericht zum Forschungsprojekt
BIM-basierter Bauantrag wird daher in den nächsten Wochen
auf einer öffentlichen Plattform (siehe Surftipps) zu finden
sein.
AIA und BAP als zentrale Grundlage in der Planung
Zentrale Projektgrundlage und Vertragsbestandteil sind die AIA und ein detaillierter BAP, in denen unter anderem wichtige Modellierungsgrundlagen definiert sind (Klassenstruktur, Bauteilcodierung, Bauteilnummerierung, Geometrischer Detaillierungsgrad LoG, Informationsgehalt LoI etc.). Der im Projekt favorisierte Open-BIM-Planungsansatz ermöglicht es überdies, dass jeder der Beteiligten mit seiner eigenen Software im Projekt arbeitet. Der Daten- und Informationsaustausch erfolgte bei dem Bürobau über IFC 2x3. Die Fachplanungen für Statik und TGA sind dann vom BIM-Manager geprüft, die Issues und Fragen über ein Kollaborationstool zwischen den Beteiligten ausgetauscht worden. Ergänzend kam ein Dokumentationstool hinzu, in dem alle wichtigen Daten unabhängig vom Dateiformat zentral und strukturiert über den Zeitraum der Projektabwicklung zur Verfügung stehen.
Wie in jedem Open-BIM-Projekt ist die Zusammenarbeit innerhalb
des Planungsteams von großer Bedeutung für einen reibungslosen
Projektverlauf. Insbesondere fachübergreifend ist ein stetiger
Austausch und eine enge Zusammenarbeit der Planungsbeteiligten
essentiell für den Erfolg des Projekts.
Normen- und rechtskonforme Einreichung mit zentralem Austauschformat
Der BIM-basierte Bauantrag ist analog zum konventionellen
Bauantrag in die Leistungsphase 4 (Genehmigungsplanung)
einzuordnen. Für den Datenaustausch der Bauaufsichtsbehörden mit
ihren Kommunikationspartnern wurde das zentrale Austauschformat für
Softwaresysteme im Baugenehmigungsprozess XBau 2.0
entwickelt. Um das Projekt normenkonform und nach den Maßstäben der
jeweiligen Landesbauordnung umsetzen zu können, können Planende in
Zukunft vor Projektstart eine Xplanung-Datei herunterladen,
die zusammen mit den Vermesserplänen die Grundlage für die digitale
Baueinreichung bildet. Anschließen wird ein IFC-Modell aus der
eigenen BIM-Planung erstellt, aus dem auf der Xbau-Plattform die
Formulardaten für den Bauantrag extrahiert werden. Die Einreichung
erfolgt dann ebenfalls über die Plattform, die fachspezifische
Prüfung in den Bauämtern dann auf Basis der zuvor digital
eingereichten Informationen. Feedback oder Rückfragen zu
Planungsdetails werden anschließend, ebenfalls digital, dem
Architekten als Projektkoordinator zugespielt.
Schnell und unkompliziert zur Bauantragseinreichung
Der Weg zur Einreichung ist am einfachsten vergleichbar mit einer digitalen Steuererklärung: Nach der Online-Registrierung lässt sich die IFC-Datei sowie weitere notwendige Daten hochladen. Anschließend erfolgt eine kurze Plausibilitätsprüfung, in der die Prüfbarkeit des Modells gecheckt wird. Nach Upload aller notwendigen Informationen wird der Antrag geprüft. Die Prüfergebnisse und der Status der aktuellen Bearbeitung können über die Plattform ebenfalls eingesehen werden.
Drahtler Architekten arbeiten bereits am nächsten Projekt, bei
dem ebenfalls das Land NRW, die Ruhr-Universität sowie die
Fachplaner und das Bauunternehmen vom aktuellen Projekt eingebunden
sind. In dem Pilotprojekt „Firmengebäude Louis Opländer“ werden der
BIM-Workflow und die zuvor erarbeiteten Modellierungsrichtlinien
auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Der BIM-basierte Bauantrag
wird Ende September 2020 eingereicht; die Antragsprüfung soll noch
im selben Jahr abgeschlossen werden. -tw
Bautafel
Architektur: Drahtler Architekten, Dortmund
Projektbeteiligte: HEG Beratende Ingenieure, Dortmund (Tragwerksplanung); Louis Opländer, Dortmund, Inovis Ingenieure, Düsseldorf (HKLSE- und TGA-Fachplanung); Freundlieb, Dortmund (Bauunternehmen); Formitas, Aachen (BIM-Manager); BIMcollab, Eindhoven (Kollaborationstool); Desite, Gloucester (Dokumentationstool); ComputerWorks, Lörrach (BIM-Software Vectorworks)
Bauherrschaft: Jan Opländer, Dortmund
Fertigstellung: geplant 2021
Standort: Dortmund
Bildnachweis: Drahtler Architekten, Dortmund