Paragon-Apartments in Berlin
Innerstädtische Verdichtung durch Anbau und Aufstockung
Jede Baulücke, jedes ungenutzte Gebäude in Berlin ist kostbar angesichts des dringenden Bedarfs an Wohnraum in der kontinuierlich wachsenden Hauptstadt. Dies trifft ganz besonders auf den Bezirk Prenzlauer Berg zu – spätestens seit der Jahrtausendwende eine sehr begehrte Wohnlage. Mit der Umnutzung und Aufstockung eines ehemaligen Krankenhauses an der Kreuzung Prenzlauer Allee/Danziger Straße entstanden dort nach Plänen von Graft Architekten 217 neue, unterschiedlich große Wohnungen, die sogenannten Paragon-Apartments.
Gallerie
Der Altbau der 1910er-Jahre war vom damaligen Stadtbaurat Ludwig Hoffmann als preußische Kadettenanstalt geplant, jedoch ausschließlich als Krankenhaus genutzt worden. Als der Klinikbetreiber das Gebäude im Jahr 2000 aufgab, stand es zunächst mehrere Jahre leer, bis ein Investor es erwarb, dessen Pläne jedoch unvollendet blieben. Die nun realisierte Verdichtung des mehrflügligen Komplexes basiert neben dem Altbau im Zentrum auch auf Anbauten aus dem Jahr 2008.
Die Architekten ließen das voluminöse Steildach des Altbaus abtragen und stockten den viergeschossigen Bestand um zwei Etagen auf. Die Anbauten wurden ergänzt und gleichfalls aufgestockt; neu errichtet wurden ein kurzer nördlicher Flügel am Fröbelplatz sowie ein achtgeschossiger Gebäuderiegel entlang der Danziger Straße. Dieser kulminiert in einem markanten Kopfbau, der sich zur Kreuzung richtet und zugleich die Eingangssituation der Wohnhöfe mit Bio-Supermarkt, Kaffeebar, Kita und Gemeinschaftsraum bildet. Markant deshalb, weil die Fassadenebene durch Loggien erweitert wird, die als ein- und zweigeschossige Betonrahmen unterschiedlicher Tiefe Richtung Prenzlauer Allee zunehmend hervortreten, bis sie an der kurzen Seite zur Kreuzung hin überwiegend zweigeschossig und regelrecht exponiert sind.
Durch die offene Blockecke entsteht hier der Zugang zum Hof, über den ein Großteil der Wohnungen und die Nebenhöfe erschlossen werden. Der historische Haupteingang im Mittelrisalit des Altbaus behielt seine Funktion, der Gebäuderiegel zur Danziger Straße wird ebenso wie die Verbindungsflügel bzw. Anbauten (teils zusätzlich) separat erschlossen. Die für den Altbau charakteristisch breiten Flure wurden in den oberen Geschossen zum Teil den Wohnungen als Schlafräume zugeordnet. Die Erschließung erweist sich – nicht zuletzt aufgrund des differenzierten Wohnungsangebots – als recht komplex. Verbindendes Element der Paragon-Apartments ist das Motiv der feingliedrigen, hellen Betonrahmen, die den Eingangsbau überziehen, und deren boxenartige Struktur mit der Aufstockung fortgesetzt wird. Sämtliche Gebäudeteile sind gleichsam überwachsen von gestaffelten Betonkisten, die eine zurückliegende dunkle Pfosten-Riegel-Konstruktion schmal umfassen. Es entsteht das Bild einer dicht besiedelten, noblen Wohnanlage mit zum Teil sehr schöner Aussicht über die Stadt.
Kleinste Einheit ist ein 37,5 Quadratmeter großes Apartment mit Wohn- und Schlafraum, die nur durch eine Schiebetür getrennt sind. Das Bad ist als Durchgangsraum von zwei Seiten begehbar, hohe und kompakte Einbauschränke in der Mitte erlauben einen Rundgang in den knapp bemessenen, eigenen vier Wänden, die dadurch großzügiger wirken. Eine zur Loggia raumhohe Verglasung unterstützt diesen Eindruck. Die vielfältigen Wohnungstypen, darunter auch Maisonettes, erreichen in den Dachgeschossen bis zu 250 Quadratmeter. Die Tiefe der Loggien beträgt im Mittel einen Meter und variiert zwischen 0,60 und 2,20 Metern. Einen erstaunlichen Effekt erzielten die Architekten durch die Verspiegelung sowohl eines Seitenteils der Betonrahmen als auch deren Untersicht im obersten Geschoss: der Raum wird optisch erweitert, das Tageslicht reflektiert, die gestapelten Boxen erscheinen (insbesondere zur Danziger Straße) leicht und durchlässig.
Bauphysik
Der Gebäuderiegel entlang der Danziger
Straße ist als Stahlbetonbau errichtet; die unterschiedlich tiefen,
6,30 Meter breiten Loggien sind als vorgefertigte Betonelemente
(vor Maisonettes zweiteilig) über Isokörbe (d.h. kraftübertragende,
gedämmte Elemente) an Wand, Decke und Boden verankert. Die Rahmen
sind aus Weißbeton in höchster Sichtqualität hergestellt. Sie
bilden das charakteristische Merkmal des Wohnblocks und dienen auch
als Sonnenschutz; die Entwässerung liegt hinter einer verkürzten
Betonseitenwand verborgen (siehe Abb. 24). Die großen Verglasungen
als Teil der Pfosten-Riegel-Konstruktion zur Danziger Straße
entsprechen der Schallschutzklasse 4. Die Lochfassade zum Hof sowie
Übergänge zwischen den Betonrahmen sind mit einem WDVS
ausgeführt.
Die Ausführungsplanung im Altbau erfolgte durch einen Generalunternehmer des Bauherrn. Die Balkone der Altbauwohnungen im ersten Hof sind dunkelbraune Stahlkonstruktionen mit eingespannten abgetönten Verglasungen, die über Isokörbe an Stahlträgern befestigt sind. Die ungedämmten Außenwände des Altbaus von 1913/14 wurden nicht neu verputzt, die alten Fenster zum Teil neu verglast, teilweise wurden alte Verglasungen aufgearbeitet und wieder eingesetzt. Die Entrauchung im Brandfall erfolgt über öffenbare Fenster.
Für die Aufstockung wurde das alte Gesims einschließlich der
Decke entfernt und ersetzt. Die Decken des neuen 4. und 5.
Obergeschosses einschließlich des extensiv begrünten Flachdachs
sind Stahlbetonhohldecken. Das Volumen der aufgestockten Apartments
entspricht in etwa dem ehemaligen Dachaufbau, die Gebäudehöhe
(Attika ± 25 m) bleibt knapp unter der Hochhausgrenze. Die
Aufstockung des seitlichen Anbaus von 2008 erfolgte über
Stahlbetonträger auf den tragenden Wänden; der Aufbau wird über den
Bestand entwässert, dazwischen besteht eine Fuge.
(us)
Bautafel
Architekten: GRAFT, Berlin
Projektbeteiligte: Dennis Hawner, Anja Frenkel (Projektleitung); Buro Happold Engineering (Tragwerksplanung); Steffen Gröhst Beratender Ingenieur (TGA Planung); HHP Berlin (Brandschutz); Günther Sawatzki (Bauphysik); Moll Akustik Ingenieurbüro (Akustik) – alle Berlin; Schöck Bauteile, Baden-Baden (Betonfertigelemente und Anschlüsse)
Fertigstellung: 2016
Standort: Danziger Straße 73-77, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Bauherr: Trockland Management Group, Berlin
Bildnachweis: Tobias Hein, Trockland Management, GRAFT, Berlin