Kaufhaus 18 Septemberplein in Eindhoven

Kristalline Glasboxen für ein Gebäude der Nachkriegszeit

Bauwerke aus den 1950er Jahren stellen nicht selten wichtige Zeitzeugen der Nachkriegsarchitektur da – dazu gehören in den Niederlanden (wie in Deutschland auch) durchaus auch Kaufhäuser der damaligen Epoche. Allerdings erlebten diese im Laufe der Jahrzehnte einen steten Wandel – Umbau, Sanierung, Fassadengestaltungen mussten sich dem Zeitgeist und dem Marketing anpassen.

Gallerie

So auch das 1952 von Jan van der Laan entworfene Kaufhaus der Modekette C&A in Eindhoven, welches über einen langen Zeitraum bei der Kundschaft sehr beliebt war. Zahlreiche Umgestaltungen aber ließen das Gebäude im Stadtbild immer weiter verblassen. Auch die nachträglich hinzugefügten Zufahrten einer Fahrrad-Tiefgarage trugen nicht zur Klarheit und Prägnanz der Fassade bei.

Initialprojekt zur Revitalisierung des Stadtbezirks

Als bedeutsamer Bestandteil der Nachkriegsarchitektur mittlerweile denkmalgeschützt, sollte das Kaufhaus erneut saniert werden – diesmal jedoch als Initialprojekt für eine zukunftsweisende und tragfähige Revitalisierung und Modernisierung des gesamten Stadtbezirks. Das Amsterdamer Architekturbüro UNStudio wurde vom Investor mit der Aufgabe betraut, die Ursprungsideen des Architekten van der Laan aufzunehmen, herauszuarbeiten und zeitgemäß zu interpretieren. Das sollte ressourcenschonend und mit minimalem Materialaufwand erfolgen.

Zentraler Ansatzpunkt war der ursprünglich verglaste Sockelbereich, als Bezugsebene für Passanten und potenzielle Kundschaft. Ein Versetzen des Geschossbodens sorgt nun für eine angemessene Raumhöhe, insbesondere für die neu installierte vollflächige Glasfassade im Erdgeschoss. Die transparente Sockelzone sorgt nicht nur für vielfältige Sichtbezüge; sie bewirkt auch eine großzügige Tageslichtnutzung der Verkaufsflächen. Was eher unüblich ist, da verglaste Bereiche im Einzelhandel oftmals als reine Schaufenster dienen, Innen- und Außenbereich trennen und eine intensive Versorgung der Räume mit Kunstlicht bedingen.

Kristalline Glasboxen als Blickfang

Im Obergeschoss der ehemals flächenbündigen historischen Fassade wurden die Fensteröffnungen (die vor der Sanierung jedoch nicht als solche genutzt wurden) durch prägnante Glasboxen ergänzt. Die Boxen erfüllen mehrere Funktionen: Tagsüber leiten sie Tageslicht ins Innere des Gebäudes. Neben der Lichtversorgung werden analog zur Erdgeschosszone Sichtbezüge von innen nach außen hergestellt. „Kommuniziert“ die Glasfassade im Sockelbereich mit den Passanten, die sich unmittelbar entlang des Gebäudes bewegen, sollen die Glasboxen Kontakt zu den Menschen auf der Straße in weiterer Entfernung herstellen.

In der Dämmerung differiert das Erscheinungsbild: Durch integrierte Lichtinstallationen werden die Boxen zu leuchtenden Kristallen, die aus der Fassade herausragen, sich lebhaft wandeln und den vorgelagerten Platz illuminieren. Architekt Ben van Berkel nimmt auf diese Weise Bezug auf Eindhoven als „Stadt des Lichtes“, nicht zuletzt bekannt durch das alljährliche Lichtfestival Glow.

Reflexion und Streuung der LED-Beleuchtung

Die Glasstrukturen sind um zehn Grad abgewinkelt, um die visuellen Effekte auf Straßenebene zu maximieren. Die Boxen werden von einer LED-Beleuchtung erhellt, die vom niederländischen Künstler Arnout Meijer entworfen wurde und von einem dünnen Film auf der Innenseite des Glases reflektiert und gestreut wird. Durch diesen Film erzeugte optische Effekte bilden Lichtmuster, die sich zu verändern scheinen, wenn sich Menschen über den benachbarten Platz bewegen.

Eine besondere und bisher einmalige ingenieurtechnische Herausforderung war es, eine möglichst „reine“ Glaskonstruktion optisch vor der Fassade gleichsam schweben zu lassen, ohne Glasrahmen, Stahlseilabhängungen und dergleichen. Gelöst wurde dies in anderthalbjähriger Entwicklungszeit gemeinsam mit einem deutschen Hersteller von Spezialgläsern. Die Glasflächen der knapp fünfeinhalb Meter breiten, sieben Meter hohen und 3.000 Kilogramm schweren Boxen sind mit einem Spezialkleber untereinander verklebt und über wenige Fixpunkte – nahezu unsichtbar für den Betrachter – an der Fassade befestigt. Eine bisher einmalige Verbindung von Handwerkskunst und Ingenieurleistung in den Niederlanden.

Bautafel

Architekten: UNStudio, Amsterdam
Projektbeteiligte:
Ben van Berkel, Gerard Loozekoot with Filippo Lodi, Jacques van Wijk and Alexander Kalachev Hans Kooij, Atira Ariffin, Emma Whitehead, Erwin Horstmanshof, Gys le Roux, Nanang Santoso, Pietro Scarpa, Harlen Miller (Mitarbeiter Architekturbüro); bbn adviseurs, Houten (Projektmanagement); SWINN, Gouda (Tragwerksplanung); ABT, Delft (Glaskonstruktion); Arnout Meijer Studio, Amsterdam (Lichtinstallationen); Stam + De Koning Bouw, Eindhoven (Generalunternehmer); Thiele Glas, Wermsdorf (Glashersteller)
Bauherr:
Redevco Nederland, Amsterdam
Fertigstellung:
2020
Standort:
Demer 1, 5611 AN Eindhoven
Bildnachweis: Eva Bloem, Amsterdam

Baunetz Architekt*innen

Fachwissen zum Thema

Die Tageslichtnutzung muss bei Bürogebäuden besonders sensibel geplant werden (Abb.: Bürogebäude in Hamburg)

Die Tageslichtnutzung muss bei Bürogebäuden besonders sensibel geplant werden (Abb.: Bürogebäude in Hamburg)

Tageslicht

Tageslicht und Energieeinsparung

Beim energiesparenden Bauen wird vorwiegend an die Reduzierung des Heiz- oder Kühlenergieverbrauches in Gebäuden gedacht. Ebenso...

Je besser natürliches Licht genutzt wird, desto weniger Energie muss für Kunstlicht aufgewendet werden

Je besser natürliches Licht genutzt wird, desto weniger Energie muss für Kunstlicht aufgewendet werden

Tageslicht

Tageslichtnutzung

Tageslicht wirkt sich nicht nur auf das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit aus, es ist für jeden Menschen lebensnotwendig. In...

Tipps zum Thema

Bücher

Baudenkmale der Nachkriegsmoderne

„Jedes einzelne weitergenutzte Denkmal ist in sich ökologisch nachhaltig – weil es eine lange Nutzungsdauer aufweist und...

Bücher

Bauphysik der Fassade

Die Fassade bildet die Schnittstelle zwischen der Umwelt und den Nutzern eines Bauwerks. Ihre Aufgabe ist es, die äußeren...

Zum Seitenanfang

Westliche Straßenansicht des neuen Gebäudeteils

Westliche Straßenansicht des neuen Gebäudeteils

Büro/​Gewerbe

Nike Europazentrale im Gertrudshof Berlin

Ergänzung eines denkmalgeschützten Industriegebäudes

Nach Plänen von UNStudio aus Amsterdam erhielt das 1952 von Jan van der Laan entworfene Kaufhaus der Modekette C&A in Eindhoven einen neuen, vollflächig verglasten Sockelbereich.

Nach Plänen von UNStudio aus Amsterdam erhielt das 1952 von Jan van der Laan entworfene Kaufhaus der Modekette C&A in Eindhoven einen neuen, vollflächig verglasten Sockelbereich.

Büro/​Gewerbe

Kaufhaus 18 Septemberplein in Eindhoven

Kristalline Glasboxen für ein Gebäude der Nachkriegszeit

Westfassade des Bürogebäudes „Brick”, geplant von Ernst Niklaus Fausch Partner: ablesbar die ehemalige Kistennaglerei (1931) und Suppenabfüllerei (1940) mit aktueller Aufstockung (2019)

Westfassade des Bürogebäudes „Brick”, geplant von Ernst Niklaus Fausch Partner: ablesbar die ehemalige Kistennaglerei (1931) und Suppenabfüllerei (1940) mit aktueller Aufstockung (2019)

Büro/​Gewerbe

Givaudan Business Center in Kemptthal/Lindau

Aufstockung einer ehemaligen Suppenabfüllerei

Westansicht von der De Beauvoir Road: Ursprünglich umfasste der Gebäudeblock sechs Warenlager aus dem 19. Jahrhundert

Westansicht von der De Beauvoir Road: Ursprünglich umfasste der Gebäudeblock sechs Warenlager aus dem 19. Jahrhundert

Büro/​Gewerbe

De Beauvoir Block in London

Aufstockung mit Modulen in Holzrahmenbauweise

Nordwestliche Eingangsseite: Das Hafven lässt an eine Festung denken

Nordwestliche Eingangsseite: Das Hafven lässt an eine Festung denken

Büro/​Gewerbe

Coworking Space Hafven in Hannover

Markanter Sichtbetonbau mit Kerndämmung aus Schaumglas

Mit einer Länge von 310 Metern, 72 Metern Breite und einer lichten Höhe von knapp neun Metern prägt der ehemalige Güterbahnhof Station F das Stadtgefüge im 13. Arrondissement von Paris maßgeblich

Mit einer Länge von 310 Metern, 72 Metern Breite und einer lichten Höhe von knapp neun Metern prägt der ehemalige Güterbahnhof Station F das Stadtgefüge im 13. Arrondissement von Paris maßgeblich

Büro/​Gewerbe

Station F in Paris

Baudenkmal aus Spannbeton wird Gründerzentrum

Das Marine Building 27E sollte nach seiner Ertüchtigung durch das Bureau SLA im Jahr 2016 als temporäres Verwaltungs- und Konferenzgebäude im Rahmen der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft dienen

Das Marine Building 27E sollte nach seiner Ertüchtigung durch das Bureau SLA im Jahr 2016 als temporäres Verwaltungs- und Konferenzgebäude im Rahmen der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft dienen

Büro/​Gewerbe

Marine Building 27E in Amsterdam

Umnutzung einer Umnutzung

Der markante Turm der Sihlpost mit den gelben Lettern und den vertikalen Fensterbändern ist heute das Wahrzeichen des neuen Quartiers an der Europaallee

Der markante Turm der Sihlpost mit den gelben Lettern und den vertikalen Fensterbändern ist heute das Wahrzeichen des neuen Quartiers an der Europaallee

Büro/​Gewerbe

Sihlpost Zürich

Energetische Ertüchtigung einer Schweizer Ikone

Die ehemalige Königliche Eisenbahndirektion in unmittelbarer Nähe des Kölner Doms erhielt einen fein gestaffelten Aufbau, der das Bild der historischen Dachform nachzeichnet

Die ehemalige Königliche Eisenbahndirektion in unmittelbarer Nähe des Kölner Doms erhielt einen fein gestaffelten Aufbau, der das Bild der historischen Dachform nachzeichnet

Büro/​Gewerbe

Neue Direktion Köln

Terrassierte Aufstockung lässt Mansarddach aufleben

Entworfen zu Beginn der 1950er-Jahre von Helmut Hentrich und Hans Heuser, erfolgte der Umbau des Hochhauses bis 2016 durch die Architekten und Stadtplaner Kister Scheithauer Gross (Südansicht)

Entworfen zu Beginn der 1950er-Jahre von Helmut Hentrich und Hans Heuser, erfolgte der Umbau des Hochhauses bis 2016 durch die Architekten und Stadtplaner Kister Scheithauer Gross (Südansicht)

Büro/​Gewerbe

Gerling Hochhaus in Köln

Energetische und brandschutztechnische Sanierung eines Stahlskelettbaus

Das 1960 von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg entworfene Dreischeibenhaus in Düsseldorf gilt heute als wichtiges Zeugnis der deutschen Nachkriegsmoderne

Das 1960 von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg entworfene Dreischeibenhaus in Düsseldorf gilt heute als wichtiges Zeugnis der deutschen Nachkriegsmoderne

Büro/​Gewerbe

Dreischeibenhaus in Düsseldorf

Modernisierung eines denkmalgeschützten 60er-Jahre-Baus

Ostfassade mit ehemaliger Laderampe, rechts daneben der barrierefreie Zugang

Ostfassade mit ehemaliger Laderampe, rechts daneben der barrierefreie Zugang

Büro/​Gewerbe

Bürogebäude The Box in Berlin

Umbau eines Lagerhauses aus den 1960er-Jahren

Das Vitrahaus beherbergt Ausstellungsräume

Das Vitrahaus beherbergt Ausstellungsräume

Büro/​Gewerbe

Vitrahaus in Weil am Rhein

Gestapelte Dachlandschaft