Stoffeigenschaften und Wasserdampfdiffusionswiderstand
Berechnungsverfahren und Richtwerte nach Norm
Zur Bewertung der feuchtetechnischen Sicherheiten einer
Konstruktion, bzw. zur Vorhersage eines möglichen Tauwasserausfalls darin, ist neben den
wärmedämmenden Fähigkeiten eines Materials der µ-Wert von
Bedeutung.
Gallerie
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl µ
Der µ-Wert bezeichnet die Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl.
Dieser Wert resultiert aus der Stoffeigenschaft und ist eine
Kenngröße zur Beurteilung des Widerstandes eines Stoffs gegen die
Wasserdampfdiffusion durch ein Bauteil. Der
µ-Wert des Wasserdampfdiffusionswiderstandes wird als einheitsloser
Verhältniswert gegenüber der Eigenschaft von Luft für einen
Baustoff angegeben.
In den Normen zum Wärme- und Feuchteschutz sind im Regelfall zwei
µ-Werte für Baustoffe aufgeführt: einer für den feuchten und einer
für den trockenen Zustand des Baustoffes. Der höhere µ-Wert steht
für den trockenen Zustand und bildet damit den größeren
Wasserdampfdiffusionswiderstand. Der kleinere µ-Wert bildet den
feuchten Zustand ab, der somit für einen geringeren Widerstand
steht.
Tabelle 1 Beispielhafter Auszug aus den Tabellen 1 und 2 der
DIN 4108-4
Tabelle 2 Beispielhafter Auszug aus den Tabellen 3 und 4 der DIN EN
ISI 10456
Produkte wie z. B. Mineralwolle haben einen geringen μ-Wert von 1. Damit sind sie offen für Wasserdampf bzw. bieten einen Wasserdampfdiffusionswiderstand, welcher nur der Luft entspricht. Dies resultiert aus der Struktur der Mineralwolle, die zu einem hohen Anteil aus Luft besteht und keine geschlossenzellige Struktur hat. Mineralwolle ist daher absolut diffusionsoffen und muss im Regelfall, wenn sie raumseitig eingebaut wird, mit einer Dampfbremse oder Dampfsperre geschützt werden. Vergleicht man Mineralwolle mit dem Dämmmaterial Schaumglas, sieht man, dass die geschlossene Zellstruktur von Schaumglas einen μ-Wert gegen unendlich hat. Damit ist Schaumglas ein dampfdichter Dämmstoff: Aufgrund der geschlossenzelligen Struktur existieren keine Verbindungen der Zellen untereinander.
Anwendung des ungünstigeren μ-Wertes im Berechnungsverfahren
Bei vielen Baustoffen werden sowohl in der Norm als auch in den Produktunterlagen zwei μ-Werte angegeben. Im Berechnungsverfahren nach Glaser, das auf der Grundlage der DIN 4108-3 – Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden Teil 3: Klimabedingter Feuchteschutz – Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung geführt werden muss, ist nach DIN 4108-4 Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden – Teil 4: Wärme- und feuchteschutztechnische Bemessungswerte (Tabelle 1, S. 22) jeweils der ungünstigere Wert für den Baustoff bzw. die Baukonstruktion in den Berechnungen einzusetzen. Als nähere Erläuterung gibt es einen Verweis auf die DIN 4108-3, die erläutert: „es sind die für die Tauperiode ungünstigeren μ-Werte anzuwenden, welche dann auch für die Verdunstungsperiode beizubehalten sind”.
Im Sinne des in der Norm beschriebenen Glaser-Verfahrens (siehe auch Beitrag Tauwasserbildung: Nachweise) bedeutet dies für die Betrachtung zur Tauperiode, dass die kleineren μ-Werte bis zum Tauwasserbereich bzw. inklusive der Dämmebene zu wählen sind. In diesem Bereich findet der Temperatursturz statt. Im Kontaktbereich der Schichtgrenze der Dämmung nach außen liegt i. d. R. der Bereich des Tauwasserausfalls. Ab dem Tauwasserbereich nach außen hin rechnet man mit dem hohen μ-Wert weiter.
Unterschiedliche Betrachtungsweisen der Konstruktion
Dieser rechnerische Ansatz berücksichtigt die größtmöglichen Sicherheiten. Vom Innenraum aus wird ein geringerer Wasserdampfdiffusionswiderstand gewählt. Das bedeutet, dass warme und feuchte Luft relativ gut in die Konstruktion eindringen kann, weil ein geringer Widerstand vorhanden ist. Ab dem Punkt, an dem Tauwasser ausfällt bzw. nach der Dämmebene ändert man die Betrachtungsweise. Nun interessiert die größtmögliche Behinderung mit dem hohen μ-Wert. Dies beinhaltet die Annahme einer Trocknungsbehinderung und damit einem Verbleib der Feuchtigkeit in der Konstruktion. Daraus resultiert für die rechnerische Annahme eine Behinderung bei der Verdunstung und damit Trocknung der Konstruktion.
Eine detaillierte Erläuterung zu den μ-Werten nach ihren
trockenen oder feuchten Eigenschaften ist in der aktuellen DIN
4108-4 (Ausgabe: 2017-03) leider nicht dargestellt. In der DIN
EN ISO 10456: Baustoffe und Bauprodukte- Wärme- und
feuchtetechnische Eigenschaften –Tabellierte Bemessungswerte und
Verfahren zur Bestimmung der wärmeschutztechnischen Nenn- und
Bemessungswerte finden sich jedoch ebenfalls tabellierte
Bemessungswerte von Baustoffen, die nach trockenen oder feuchten
Wasserdampfdiffusionswiderstandszahlen unterteilt sind. Grundlage
dieser Werte bilden die im „dry cup“- oder „wet cup“-Verfahren
ermittelten Werte nach DIN EN ISO 12572: Wärme- und
feuchtetechnisches Verhalten von Baustoffen und Bauprodukten –
Bestimmung der Wasserdampfdurchlässigkeit – Verfahren mit einem
Prüfgefäß.