Umbau eines Bauernhauses in Viechtach
Birg mich Cilli!
Seit 1840 steht in Viechtach im Bayerischen Wald ein altes Bauerhaus. Während seines ereignisreichen Lebens wurde es durch Aufstockungen, Umbauten und Anbauten in den jeweiligen Baualtersstufen an die wechselnden Nutzer angepasst. 1974 starb die letzte Bäuerin, Cilli Sigl, die dem Haus seinen Namen gab.
Gallerie
Das Haus besitzt alle Elementen, über die ein typisches bayerisches Bauernhaus verfügen sollte: Stall im Haus, Stube als einzigen beheizbaren Raum, Dachboden als Kornspeicher und heruntergezogenes Dach mit Streuschupfen. Die Eigentümerin wünschte sich „..., dass das Gebäude bleibt wie es ist, ...aber ich will nicht mehr frieren..“. Für die neue Nutzung als Ferienhaus sollte der Architekt Peter Haimerl in München deshalb die vorhandenen Elemente bewahren und eine Neuinterpretation wagen.
Das Umbaukonzept beruht auf drei Prämissen:
- Es bleibt fast alles wie es ist.
- Neue Räume werden im Bestand geschaffen.
- Sie bleiben offen für das Alte durch Wandausschnitte.
Es wurde kaum Bestehendes entfernt; das galt für die Fenster,
den alten Putz, die Bodenfliesen und andere alte Einbauten. Die
Sanierungsmaßnahmen beschränkten sich auf Reparaturarbeiten:
kaputte Fensterscheiben wurden ersetzt, schadhafter Putz
ausgebessert. Allein die Dachdeckung mit einer Ziegellattung ist
komplett erneuert worden. Musste doch etwas aus dem Bestand
entfernt werden, diente das Material zum Bau für neue Möbel:
Altbaumodernisierung als Recyclingkonzept. Alle benötigten Volumen
für die neue Nutzung mit den entsprechenden bauphysikalischen
Eigenschaften wurden einfach in das alte Bauerhaus eingestellt und
ergaben auch den bereits erwähnten Projektnamen: "Birg mich,
Chilli!".
Modernisierung
In vier zentralen Räumen
werden Betonkuben implantiert, in denen das neue Leben stattfindet.
Die Kuben sind aus hochwertigem Konstruktionsdämmbeton als
Spezialbeton hergestellt worden. Seine hervorragenden Eigenschaften
erhält dieser vor allem durch Zuschlagsstoffe aus
Schaumglasschotter.
Der Beton wurde als Ortbeton hergestellt. Einseitig diente das
Bestandsgebäude als verlorene Schalung, auf der anderen Seite wurde
eine glatte Holzschalung verwendet. Die Hälfte des verwendeten
Zementes ist Weißzement und dient zur farblichen Aufhellung des
Betons. In der Stube wurde der Beton zusätzlich weiß
lasiert.
Die einzelnen Kuben im Erdgeschoss sind die alte Stube, die
Küche und das Bad, im Obergeschoss das Schlafzimmer. Die Betonkuben
unterscheiden sich, je nach dem Ort wo sie implantiert wurden. In
der Küche schiebt sich der Betonkubus aus dem Gebäude heraus, da
diese Wand komplett marode war und erneuert werden musste. Die
Decke aus Beton der alten Stube schafft im Obergeschoss ein
großzügiges Freideck mit Öffnungen, die im Winter mit Holzklappen
geschlossen werden können. Der Kubus des Schlafzimmers im
Obergeschoss passt sich an die Neigung des Daches an. Der Beton
bildet immer wieder Öffnungen in denen wie gerahmt der Bestand sich
abzeichnet, sei es der alte Lehmboden, die alten Fenster oder auch
alte Wandflächen.
An den bestehenden Kamin wurde ein neuer Ofeneinsatz
angeschlossen und in die Wand integriert. Dieser wird von der Stube
aus beheizt. Durch die Hitzeentwicklung wird Wasser in einem
Speicher im Obergeschoss erhitzt und über ein Rohrsystem in die
Fußbodenheizung geleitet. Die Fußbodenheizung ist in die Böden der
Betonkuben integriert. Somit sind alle Betonkuben beheizbar. Nur in
der Küche wurde ein zusätzlicher Ofen aufgestellt. Die alten
Winterfenster existierten noch und können in der kalten Jahreszeit
außen vor die inneren Fenster vorgeblendet werden. Dadurch
verändert sich die gesamt Struktur des Hauses je nach Jahreszeit.
Im Sommer verzahnen sich die Kuben stärker mit dem Haus, Türen und
Klappen stehen dann offen. Im Winter sitzen die Einbauten eher wie
warme Inseln in einem kalten Gehäuse.
In dem Umbau kann man die Schönheit des Gewöhnlichen
entdecken. Das Vorgefundene wird in seiner Rohheit und
Unvermittelheit belassen. Dieser Rohheit wird ein kraftvolles
Gegenüber mit den Betonkuben geschaffen, welches ermöglicht das
Haus wieder zu bewohnen und zugleich dem Alten noch Raum und einen
Rahmen gibt seine Geschichte erzählen zu können.
Das Projekt erhielt den Architekturpreis Beton 2008. Aus der Begründung der Jury:"...Weich und poetisch schmiegen sich die Körper aus wärmedämmendem weißen Porenbeton in das alte Holzhaus, ... Wie ein Herzschrittmacher stabilisiert der Einbau den alten Hauskörper und macht ihn wieder bewohnbar. Ein Beispiel kreativer Denkmalpflege voller Poesie, das einem charaktervollen Haus zu überleben hilft.
Bautafel
Architekt: Peter Haimerl - Studio für Architektur, München
Bauherrin: Jutta Görlich, München
Fertigstellung: 2008
Standort: Cilli Sigl 4, Viechtach / Bayerischer Wald
Bildnachweis: Peter Haimerl