Gutenberg-Gymnasium in Erfurt
Sanierung und Erweiterung eines Schulgebäudes
Traurige Berühmtheit erlangte das Gutenberg-Gymnasium durch den
blutigen Amoklauf eines Schülers, der 2002 ganz Deutschland
erschütterte.
Das Gymnasium wurde nach der Bluttat geschlossen und ein
europaweiter Wettbewerb ausgeschrieben, der zum einen den
Trennschnitt zu einer psychisch entlasteten Schulatmosphäre und zum
anderen den gewachsenen Raumbedarf zum Ziel hatte. Den Preisgewinn
und die folgende Beauftragung konnte das international renommierte
Münchner Architekturbüro Koch und Partner in Arbeitsgemeinschaft
mit dem ebenfalls in München ansässigen Büro des
Landschaftsarchitekten Prof. Rainer Schmidt für sich verbuchen.
Zentraler Gedanke ihres Entwurfs war die Gegenüberstellung von Alt
und Neu, als sich gegenseitig ergänzende Antipoden. Unter den
mächtigen Gründerzeitbau, der fünf Geschosse hoch den öffentlich
zugänglichen Gutenbergplatz dominiert, wurde in der Symmetrieachse
ein einstöckig aus dem Gelände ragender Sockelbau gesteckt, dessen
begehbares Dach zu beiden Stirnseiten von weit ausladenden
Treppenanlagen erschlossen wird. Analog zu griechischen Tempeln
wird dadurch der Eindruck einer erhabenen Leichtigkeit und
Weitläufigkeit symbolisiert. Dieses einfache und daher auf den
ersten Blick schlüssige Konzept sollte nach den Worten der
Architekten dazu beitragen, dass "ein modernes Schulgebäude
entsteht, das in Zukunft Schüler und Lehrer (...) mit einer
weltoffenen, heiteren und freundlichen Atmosphäre zum Lernen und
Kommunizieren einlädt."
Gallerie
Sanierung/Modernisierung
Während an der Vorderfront unter dem Bauwerk der Eingangstreppe die
Aula steckt, beinhaltet jenseits des Altbaus die 90 Meter lange und
20 Meter breite Plattform im Schulhof eine ins Gelände abgesenkte
Dreifach-Turnhalle einschließlich ihrer Nebenräume. Die seitlichen
Wangen dieses neuen Gebäuderiegels wurden komplett verglast, um
Tageslicht ins Gebäude zu holen und gleichzeitig die erwünschte
Transparenz gegenüber der Umgebung hervorzuheben. Sämtliche Zugänge
wurden behindertengerecht ausgebildet. Die Sondernutzungen
Bibliothek, Aula und Mensa, die sich im Untergeschoss des
Bestandsbaus befinden, wurden klar strukturiert und besitzen
natürlich ebenfalls einen ebenerdigen Zugang zum Schulhof. Das
planerische Vorgehen war stark auf die Kommunikation mit einer
Elterninitiative und den Schülern ausgerichtet. Um das erwünschte
ganzheitlich Schulkonzept auch organisatorisch in den Griff zu
bekommen, wurde ein Innenarchitektur-Wettbewerb für die
"vorbelastete" Bausubstanz des Bestands ausgelobt. Nachdem damit
aber kein zufrieden stellendes Ergebnis erreicht werden konnte,
wurde nach einem weiteren Auswahlverfahren das Büro von Christa
Fischer mit der Aufgabe betraut. Im Wesentlichen ist der
innenarchitektonische Umgang von behutsamen aber präzisen
Eingriffen bestimmt: Unikate und teils sogar bewegliche Einbauten
setzen Akzente, ohne die Wirkung des räumlich opulenten Altbestands
zu schmälern. Minimierte Wandleuchten unterstützen die möglichst
nur mit Tageslicht erreichte Ausleuchtung. Alte Türen und
Wandsockel wurden in kräftigen, weitgehend erdigen Naturtönen
restauriert. Damit auch kleine Kinder hoch liegende Fenster
erreichen können, wurden parkettbelegte Rampen eingefügt, die von
älteren Schülern auch als Sitzstufen genutzt werden können. In den
großenteils breiten Fluren bilden hölzerne, winkelförmige Eckbänke
mit hohen Rückenlehnen "Chill-Out-Areas" für die Unterrichtspausen.
Weitere Details, wie an den Außenfenstern angebrachte Winker, in
denen die jeweiligen Klassen mit bis 20 Kilogramm schweren
Informationen auf Ihre Arbeit aufmerksam machen können. Das
Farbkonzept der überarbeiteten Klassenräume ist schlicht und sehr
hell gehalten, wobei geringfügig zwischen platzseitigen und
schulhofseitigen Räumen unterschieden wurde. Bereits im Flur weisen
graphische Signets (z.B. eine vereinfachte DNS-Struktur) oder
Wortbänder auf Fachlabore oder Sonderräume hin. Zusammengebunden
wird der Schulbau durch eine ruhige, in einzelne Flächen
aufgerasterte Gestaltung der Grünanlagen, das auf dem Dach der
abgesenkten Sporthalle ihre Fortsetzung findet. Unterschiedliche
Beläge und Niveausprünge definieren Raumzonen, die dennoch als eine
gemeinsame Einheit gelesen werden können. Bei so vielen
unterschiedlichen Interessen und bei einer Bauaufgabe, die unter
einem so "schlechten Stern" stand, verwundert die
Selbstverständlichkeit, wie die einzelnen Teile sich zu einem
harmonischen Ganzen fügen. Mag in Zukunft deshalb ein guter Stern
über dem Hause stehen.
Bautafel
Architekten: K+P Architekten und Stadtplaner GmbH, München
Projektbeteiligte: Stefan Maisch, Andreas Büscher (Projektleitung); Almut Abt, Thomas Abt. Gerald Bader, Caroline Baumann, Rachel Fischer, Thomas Geist, Klaus Gericke, Sylvia Neudecker, Katharina Schott, Verena Scholz, Ondrej Tomasek (Mitarbeiter); Prof. Rainer Schmidt (Landschaftsarchitekt); Christa Fischer Innenarchitekten, Berlin (Innenarchitektur); Conceptlicht Austria/ Mils-A (Lichtplanung)
Bauherr: Landeshauptstadt Erfurt/Thüringen
Fertigstellung: 2005
Standort: Gutenbergplatz 6 in Erfurt
Bildnachweis: Lafarge Zement GmbH; K+P Architekten und Stadtplaner GmbH; Bildwerk Weimar/ Michael Miltzow