Umspannwerk Süd in Hannover

Gewerbliche Umnutzung und Sanierung einer ehemaligen Trafostation

In der hannoverschen Südstadt entstand zu Zeiten der Weimarer Republik das Umspannwerk Süd, ein besonderes Meisterstück der Industriearchitektur des 20. Jahrhunderts. Der sachlich gestaltete, aber mit Friesen, Reliefs und horizontalen Gesimsen ornamentierte Backsteinbau, steht seit 1993 unter Denkmalschutz. Seine ursprüngliche Funktion als Transformatorenstation, die er bis 2006 innehatte, übernahm ein neues, nahegelegenes Umspannwerk.

Gallerie

Im Rahmen eines Bauherrenmodells wurde der freistehende, dreigeschossige Industriebau umfassend saniert und erhielt eine neue gewerbliche Nutzung mit loftartigem Charakter. Die Projektleitung übernahm das ortsansässige Büro Indigo Innenarchitektur, welches das Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von 1.921 m² in vier, etwa gleichwertige Segmente (A bis D) mit drei Eingängen aufteilte. Anschließend übernahmen verschiedene Planungs- und Architekturbüros die Gestaltung der einzelnen Bereiche. Die neuen Nutzungen weisen eine große Bandbreite auf: Neben Ateliers für Design und Mode, Architektur- und Planungsbüros sind hier eine Steuerberatergesellschaft, eine Anwaltskanzlei, eine Yoga-Schule sowie eine Hausverwaltung und eine Fortbildungsstätte untergebracht.

Sanierung und Modernisierung
Die im Laufe der Jahre entstandenen Verunreinigungen der Backsteinfassaden, gemauerten Ornamente und Sandsteinsockel wurden mit dem Rotec-Wirbelstrahlverfahren mittels Heißdampf umweltfreundlich entfernt. Gemäß dem Originalentwurf beschlossen die Projektbeteiligten, die Mauerwerksfugen detailgetreu wieder mit durchgefärbtem Mörtel zweifarbig auszuführen. Um die horizontale Gliederung der Fassade stärker zu akzentuieren, erhielten die Lagerfugen die Farbe Grau, die Stoßfugen hingegen wurden rot gefärbt. Wegen des denkmalgeschützten Sichtmauerwerks konnte der notwendige Wärmeschutz nur durch eine Innendämmung mit Kalziumsilikatplatten erreicht werden. Das Flachdach erhielt eine äußere Hartschaumdämmung. Die Fensteröffnungen blieben in Form und Größe unverändert und wurden mit dreifach verglasten, hellgrau gestrichenen Holzfenstern bestückt, deren Sprossenteilung den Vorgaben des Denkmalschutzes entspricht.

Das zentrale Treppenhaus im Segment A konnte mit seinen ursprünglichen Stahlgeländern erhalten werden, Abschnitt D wiederum wird durch eine außen liegende Stahltreppe am Ostgiebel des Gebäudes erschlossen. Zwei weitere innen liegende Treppenaufgänge, die neu im ehemaligen Transformatorenturm an der Rückseite des Gebäudes errichtet wurden, erschließen die mittleren Abschnitte B und C. Die Betonfertigteile der neuen Treppenanlage wurden über den Schachtkopf im Dachbereich angeliefert, der nachträglich verglast für eine gute Tagesbelichtung sorgt.

Erd- und Obergeschoss wurden für jede der Einheiten mittels Deckendurchbrüchen und neuen internen Treppen zusammengeführt, die kleinteilige Aufteilung der Innenräume musste zum Teil entkernt und mit Stahlträgern abgefangen werden. Jede der Gewerbeeinheiten erhielt ein eigenes, gestalterisches Interieur, auch wenn sich alle Beteiligten einig waren, den Industriecharakter des Gebäudes in seiner Sachlichkeit erhalten zu wollen. So variieren die Oberflächen zwischen verputzten und unverputzten Flächen, Betonestrich und Gussasphalt sowie Stahl und Holz.

Als schwierig stellte sich die Absenkung des Erdgeschossfußbodens um 70 cm heraus. Sie war im Bereich der Südfassade notwendig, um eine akzeptable Raumhöhe von 2,70 Metern zu erhalten. Für diese Maßnahme mussten die Fundamente abschnittweise abgefangen und der Untergrund ausgekoffert werden. Sichtbar ist die Maßnahme durch das neue Mauerwerk, das jedoch möglichst unauffällig mit alten und neuen Ziegeln ausgeführt wurde. Die alten Fensteröffnungen im Erdgeschoss konnten in Absprache mit dem Denkmalschutz vergrößert und um weitere ergänzt werden. In ihrer ursprünglichen Form hätten die Räume den unerwünschten Charakter eines Souterrains signalisiert. Die Räume in den beiden Obergeschossen besaßen bereits eine Höhe zwischen 3,45 und 5,00 Metern.

Auch die Außenanlagen erfuhren eine Neuordnung. Laubbäume, Beete, Grünflächen und das historische Basaltpflaster gliedern die Eingangsbereiche des lang gestreckten Baukörpers und fassen 25 Stellplätze ein.

Bautafel

Architekt: Indigo Innenarchitektur, Hannover
Projektbeteiligte: Stefan Thöle, Hannover (Projektleitung); Andreas Ackermann, Hannover (Landschaftsarchitektur); Ingenieurgemeinschaft Schülke-Gerke, Hannover (Tragwerksplanung); Architektur- und Sachverständigenbüro, Carsten Dietzsch, Hannover (Entwurf und Bauleitung Innenausbau Segment A und Segment B); Karsten Schlüter, Hannover (Entwurf Innenausbau Segment B)
Bauherr: Bauherrengemeinschaft Wredestraße 4, Hannover
Fertigstellung: 2012
Standort: An der Weide 33, 30173 Hannover
Bildnachweis: Doris Haas-Arndt, Hannover

Fachwissen zum Thema

Erhalten des Erscheinungsbildes

Erhalten des Erscheinungsbildes

Sanierung/​Denkmalschutz

Baumaßnahmen in altbauverträglicher Form

Bei der Altbaumodernisierung sind Bauweisen und Baumaßnahmen zu wählen, die möglichst altbauverträglich sind. Sie führen zu...

Sanierung/​Denkmalschutz

Behutsame Altbaumodernisierung

Nach sorgfältiger Analyse des Bestandes durch maßliche und technische Bestandsaufnahme, ist die Planung der neuen Grundrisse bzw....

Erhaltenswertes Erscheinungsbild

Erhaltenswertes Erscheinungsbild

Sanierung/​Denkmalschutz

Denkmalschutz und Altbaumodernisierung

Die bauliche Denkmalpflege wird durch Gesetze der Bundesländer geregelt, die meist als Reaktion auf die unsensible Stadterneuerung...

Calciumsilikatplatten

Calciumsilikatplatten

Energieeinsparung

Innendämmung ohne Feuchteschäden

Die bauphysikalischen Nachteile einer Innendämmung sind weitgehend bekannt. Einerseits lassen sich Wärmebrücken durch einbindende...

Flachdächer sind wegen ihrer Konstruktion Witterungseinflüssen stärker ausgesetzt als geneigte Dächer

Flachdächer sind wegen ihrer Konstruktion Witterungseinflüssen stärker ausgesetzt als geneigte Dächer

Dach: Sanierung

Sanierung von Flachdächern

Ältere Flachdächer sind für ihren hohen Sanierungsbedarf bekannt. Als besonders problematisch hat sich zu Beginn ihrer...

Gründerzeithäuser um 1900

Gründerzeithäuser um 1900

Sanierung/​Denkmalschutz

Umgang mit historischen Baumaterialien

Jahrhundertelang erfolgte die Auswahl der Baumaterialien fast ausschließlich nach deren regionaler Verfügbarkeit. Bei den...

Bauwerke zum Thema

Hauptfassade

Hauptfassade

Büro/​Verwaltung

Bürogebäude in Köln

Im ehemaligen Kölner Arbeiter- und Industrieviertel Ehrenfeld verläuft noch heute ein eher unwirtliches Gewerbegebiet quer durch...

Fachhochschule des Mittelstands

Fachhochschule des Mittelstands

Sonderbauten

Industriegebäude mit neuer Nutzung in Pulheim

Bis Anfang der 1990er Jahre wurde in den Industriehallen des Walzwerkes in Pulheim noch Bandeisen hergestellt. Das Areal, das Ende...

Ansicht des Speichergebäudes von der Kaiseite im Südwesten

Ansicht des Speichergebäudes von der Kaiseite im Südwesten

Sonderbauten

Thormann-Speicher in Wismar

Noch heute erinnern zahlreiche, zum Teil gut erhaltene, historische Gebäude an die einstige Blütezeit der Hansestadt Wismar an der...

Zum Seitenanfang

Historische Backsteinfassade an der Südseite

Historische Backsteinfassade an der Südseite

Gewerbe

Umspannwerk Süd in Hannover

Gewerbliche Umnutzung und Sanierung einer ehemaligen Trafostation

Altes Dokumentationsfoto der Schuhfabrik

Altes Dokumentationsfoto der Schuhfabrik

Gewerbe

Fabriksanierung in Pirmasens

Renovierung eines Industriedenkmals

Das äußere Erscheinungsbild der alten Industriehalle konnte erhalten werden

Das äußere Erscheinungsbild der alten Industriehalle konnte erhalten werden

Gewerbe

Rote Halle in Düsseldorf

Umnutzung eines Industriedenkmals

Ansicht nach der Sanierung, mit zweigeschossigem roten Eingangsportal

Ansicht nach der Sanierung, mit zweigeschossigem roten Eingangsportal

Gewerbe

Gewerbe-Passivhaus in Wolfurt/A

Energetische Sanierung einer Industriehalle

Zuerst wurde das HE-Gebäude saniert, wenige der Originalfenster sind erhalten geblieben.

Zuerst wurde das HE-Gebäude saniert, wenige der Originalfenster sind erhalten geblieben.

Gewerbe

Firmengebäude Verseidag in Krefeld

Umbau eines denkmalgeschützten Betriebsgebäudes von Mies van der Rohe

Die Brandwand zum Nachbargrundstück wurde farblich neu gestaltet.

Die Brandwand zum Nachbargrundstück wurde farblich neu gestaltet.

Gewerbe

Firmengebäude in Düsseldorf

Umbau und Aufstockung eines Firmengebäudes

Nur bündig in der Fassade sitzende Festverglasungen deuten auf die geänderte Nutzung hin.

Nur bündig in der Fassade sitzende Festverglasungen deuten auf die geänderte Nutzung hin.

Gewerbe

EDV-Zentrum in Köln

Umnutzung einer ehemaligen Seilerei

Blick von der Straße auf den von der Ziegelfassade eingerückten Eingang

Blick von der Straße auf den von der Ziegelfassade eingerückten Eingang

Gewerbe

Laden für Designerlabel in New York/USA

Umnutzung eines Lagergebäudes