Fliesenbearbeitung mit Wasserstrahltechnik
Eine aufgrund ihrer Anwendungsvielfalt häufig eingesetzte Schneidetechnologie ist die Wasserstrahltechnik. Mit ihr lassen sich auch keramische Fliesen hervorragend bearbeiten, sofern dem Wasser ein Abrasiv hinzugefügt wird. In der Natur ist das Schneiden von Werkstoffen mit Wasser seit ewigen Zeiten üblich, wie sich an den großen Canyons zeigt. Neben reinem Wasser waren auch bei ihrer Entstehung mitgeführte Sandpartikel oder Kieselsteine beteiligt.
Gallerie
Entwicklungsgeschichte
Der Mensch begann vor knapp 140 Jahren, sich mit der
Wasserstrahl-Technologie zu befassen: Um 1870 trennten erstmals
kalifornische Mineure mit Hilfe von Wasserstrahlen Gold vom
umliegenden Gestein und Erdreich. Die ersten kommerziellen
Hochdruck-Wasserstrahl-Schneideanlagen wurden allerdings erst
Anfang der 1970er Jahre eingesetzt. Ein wichtiger Impuls, den
Hochdruck-Wasserstrahl – auch Jet-Cutting genannt – in der
Fertigungstechnik als Werkzeug einzusetzen, kam aus dem Flugzeugbau
und der Raumfahrt. Die von Firmen wie Boeing benötigten
Wabenmaterialien reagieren besonders empfindlich auf hohe
Temperaturen sowie Drücke und lassen sich daher nur in einem
kalten, abriebarmen Trennprozess bearbeiten. Mitte der 1970er Jahre
machte man es dann der Natur nach, mischte dem
Hochdruck-Wasserstrahl Schleifmittel (abrasive Medien) bei und
erhöhte damit die Schnittleistung bedeutend. Die gleichzeitig
weiter entwickelten Hochdruckpumpen mit einem Druck von bis heute
6.000 bar ermöglichten schließlich das
Wasserabrasivstrahl-Schneiden nahezu jeden harten und dicken
Materials in jeder Form, die sich mit einem CAD-Programm zeichnen
lässt.
Eigenschaften
Fliesen lassen sich mit Wasserabrasivstrahl besser schneiden als
mit jeder anderen Technik. Wie beim Schleifpapier besteht der
abrasive Schleifsand meist aus Granat, Olivin oder Korund mit einer
Körnung von etwa 50 bis 120 Mesh/Maschen pro Zoll. Das Schneiden
erfolgt schnell (bis zu 15 Meter pro Minute), unproblematisch (da
der Wasserstrahl im Unterschied zu einer Fräse keine tangentialen
Kräfte einbringt, braucht das Material am Schneidetisch nicht gegen
Verrutschen gesichert zu werden), sauber (selbst bei komplizierten
Konturen), genau (mit einer Genauigkeit im
Zehntelmillimeter-Bereich), mit sehr guter Kantenqualität und wenig
Materialverschnitt. Darüber hinaus übernimmt das Wasser während des
Schneidens die Kühlung der Schnittkante, so dass eine sehr
schonende Bearbeitung erfolgen kann. Und dabei sind die Kosten der
Wasserstrahltechnik häufig günstiger als bei anderen
Bearbeitungsverfahren. Bei hochwertigen oder größeren Projekten
fallen die Maschinenkosten im Vergleich zu den Gesamtkosten kaum
ins Gewicht. Dabei geht es bei den Wasserstrahl-Projekten oft um
den Teil eines Auftrages, der dem Auftraggeber besonders wichtig
ist, um das Sahnehäubchen, das dem Bauvorhaben die besondere, die
individuelle Note gibt.
Zwei- und dreidimensionales Arbeiten
Da zweidimensionales Arbeiten möglich ist, lassen sich die Fliesen
auch perfekt anfasen. Dreidimensionales (also räumliches)
Wasserstrahlschneiden ist ebenfalls bereits möglich. Dies geschieht
entweder mit Roboteranwendungen, bei denen ein Schneidkopf an einem
beweglichen Roboterarm montiert ist oder über Schneidtische, die zu
den drei Achsen X, Y und Z noch zusätzlich über eine Rotations- und
eine Schwenkachse verfügen. Ein Schneidtisch mit
Fünf-Achsen-Steuerung etwa kann konische Einschnitte in flachen
Materialien erzeugen (Phasen schneiden). Sämtliche Schnittdaten
werden am Computer berechnet und danach in einer CAD/CAM-Software
an das Steuerwerk der Maschine übertragen – meist im dwg- oder
dxf-Format.
Gestaltungsmöglichkeiten
Mithilfe der Wasserstrahlschneidetechnik sind den Gestaltungsideen
praktisch keine Grenzen gesetzt: Egal, ob individuell gestaltete
Einzelstücke oder Fliesenserien, ob Einlegearbeiten aus
Feinsteinzeug, die mit Glas oder Metall kombiniert werden, ob mit
eingearbeiteten Motiven oder Schriftzügen versehene Fliesen an
Wänden oder Fußböden im Innen- und Außenbereich. Außerdem werden
Arbeiten mit höchster Präzision ausführbar, die vorher entweder gar
nicht oder nur mit immensen Kosten zu realisieren gewesen wären.
Der Handwerksbetrieb braucht sich keine eigene Wasserstrahl-Anlage
zu kaufen; das übernehmen für ihn technische Dienstleister, die die
entsprechenden Bearbeitungsaufträge in Lohnfertigung
entgegennehmen. Er muss ’nur’ ein CAD-Programm anschaffen und damit
umgehen können. Hierfür bieten einige Handwerkskammern bereits
entsprechende Lehrgänge an.
Rundungen in Fliesen
Neben der reinen Gestaltung kann die Wasserstrahltechnik auch als
Lösung für Bohrungen und das Schneiden von Rundungen in Fliesen und
Natursteinen dienen. Einfassungen für Bodenlampen etwa oder runde
Abschlüsse für Säulen sowie besonders knifflige
Material-Mix-Anfragen lassen sich mit dem Wasserstrahlen problemlos
umsetzen – auch in dem besonders harten Feinsteinzeug oder den
besonders temperaturempfindlichen Kunststeinen (die wegen ihrem
Bindemittel Harz zwingend mit Wasserstrahl
geschnitten werden müssen).
Mosaikfliesen
Seit Nutzung der Wasserstrahl-Schneidetechnik haben sich auch die
auf Netz geklebten Mosaike, Oberflächen-Kombinationen und
Material-Mix-Kompositionen enorm weiterentwickelt. Mit dem
Verfahren lassen sich aus einer Feinsteinzeugfliese Teilchen auch sehr geringer
Abmessungen erhalten, die miteinander identisch und mit hoher
Präzision definiert sind. Nachdem die einzelnen Mosaiksteine
geschnitten sind, werden sie auf dem Netz angeordnet, wobei
normalerweise 30 x 30 cm große Netze entstehen. Ein Vorteil der
Netzverlegung besteht darin, das Mosaik in den gewünschten
Dimensionen und Formaten zu schneiden; außerdem lassen sich – dank
der flexiblen Unterlage – auch gebogene Oberflächen wie
beispielsweise für Säulen, gewellte Decken, gerundete
Sitzgelegenheiten, abgefaste Ränder usw. verkleiden.