Pilotprojekt: Bioreaktorfassade fertiggestellt
Weißglaspaneele mit Mikroalgen an einem Wohnhaus in Hamburg
Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) ist im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ein Wohnhaus mit besonderer Fassade entstanden: Die Südost- und Südwestseite wurden mit einer sogenannten Bioreaktorfassade versehen, während die sonnenabgewandten Seiten eine grüne Putzfassade erhielten. Das BIQ genannte Wohnhaus wurde Ende März 2013 fertiggestellt, die Befüllung der Fassaden mit Algen und die offizielle Inbetriebnahme sind für Ende April 2013 vorgesehen. Auf fünf Geschossen beherbergt das Gebäude 15 Wohnungen mit Flächen von 50 bis 120 m².
Gallerie
Die Bioreaktorfassade besteht aus plattenförmigen Paneelen aus
reflexionsarmem Weißglas. Darin werden Mikroalgen gezüchtet, die
durch Photosynthese und Solarthermie Biomasse und Wärme
produzieren. Unter Tageslicht, Zugabe von CO₂, Wasser und
Nährstoffen sollen sich die Algen in den Photobiokollektoren rasch
vermehren. Sind sie in ausreichender Menge gewachsen, werden sie
geerntet und als Grundstoff zur Biogasgewinnung verwendet.
Zusätzlich zur Biomasse entsteht Wärme, die von einer Wärmepumpe
ausgekoppelt wird und sich für die Heizung und Warmwasserbereitung
nutzen lässt. Der Produktname der Photobiolkollektoren ist
Solarleaf.
Ihr Vorteil liegt in der zweistufigen Wandlung der Energie: Algen
bzw. Mikroorganismen ermöglichen die Speicherung der Sonnenenergie
im autarken System über den Organismus selbst. Im Gegensatz zur
Photovoltaik, bei der wegen der einstufigen Wandlung die Energie
direkt in Form von Strom verwendet werden muss, speichert die Alge
die Sonnenenergie als Lebendspeicher in sich selbst. Die Energie
kann dann genutzt werden, wenn sie benötigt wird.
Die „Energieernte“ läuft in verschiedenen Systemen unterschiedlich
ab. Bei den geschlossenen Systemen entsteht beispielsweise
Wasserstoff, der sich als Energieträger extrahieren lässt. Bei den
offenen Systemen werden die Algen geerntet und über einen weiteren
Schritt zu (thermischer) Energie verwandelt. Es ist also eine
indirekte Nutzung der Sonnenenergie. Andere Systeme nutzen die
Niederspannung, die bei der Zersetzung der Organismen durch
Bakterien entsteht. In sogenannten Bioreaktoren werden diese
Zersetzungsprodukte in einer mikrobiellen Brennstoffzelle (auch
Bio-Brennstoffzelle) in elektrische Energie gewandelt. Es werden
Überlegungen hinsichtlich der Nutzung von Klärwässern angestellt,
die durch einen solchen Prozess wertvolle Energie liefern könnten.
Der Stand der Technik ermöglicht heute schon die gezielte Züchtung
und Nutzung von bestimmten Grün-Algen, die dann in
Biomasse-Kraftwerken verwendet werden können.
Beim Wohnhaus in Hamburg ist die Bioreaktorfassade Teil eines ganzheitlich regenerativen Energiekonzepts. Es kombiniert Geothermie, Solarthermie, Nahwärme und die Algenfassade in einem Kreislauf. Eine Biogasanlage wandelt die Algen mit einem Wirkungsgrad von bis zu 80% in Biogas um. Dieses treibt eine Brennstoffzelle an, die Strom und Wärme produziert. Das Abfallprodukt Kohlendioxid (CO₂) wird in die Algenfassade geleitet, um die Mikrobiomasse zu düngen. Energieüberschüsse kann die Technik im Erdreich zwischenspeichern oder ins Nahwärmenetz einspeisen. Eine speicherprogrammierbare Steuerung lenkt und optimiert die Energieströme.
Idee und Konzept des Projektes sind eine Gemeinschaftsarbeit von Arup-Materials Consulting, Berlin zusammen mit den Planern von Splitterwerk aus Graz, Bollinger und Grohmann Ingenieure aus Frankfurt, der Immosolar aus Hamburg, der Strategic Science Consult (SSG), ebenfalls aus Hamburg, sowie der Firma Colt aus Kleve. Investor ist die KOS Wulff Immobiliengesellschaft, Hamburg.
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