Bauernhaus in Nußdorf am Inn
Bewegliche Alu-Lamellen mit Holzfurnier
Circa 20 Kilometer südlich von Rosenheim und fünf Kilometer nördlich der österreichischen Grenze liegt das kleine Dörfchen Nußdorf am Inn. Hier am Fuße der Chiemgauer Alpen prägen zahlreiche alte, reich geschmückte, typisch bayerische Holzhäuser seit mehr als 500 Jahren das Ortsbild. Am nördlichen Rand von Nußdorf befindet sich ein Bauernhaus mit einem angrenzendem Stall, welche 1564 erbaut worden sind. Negative Auswirkungen der Viehhaltung und eindringende Feuchtigkeit haben der Bausubstanz über Jahre hinweg stark zugesetzt, sodass das Münchner Architekten Peter Glöckner und Felix Gallist den Auftrag eines privaten Bauherren bekam das Bauernhaus umfassend zu sanieren und modernisieren.
Gallerie
Ziel war es die alte Bausubstanz weitestgehend zu erhalten und im Inneren einen gehobenen Neubaustandard zu schaffen. Hierbei galt es ein differenziertes Konzept für Wohnhaus und Stall umzusetzen. Im vorderen Teil, dem eigentlichen Wohnhaus mit zwei Geschossen, wurden Einbauten entfernt, alte Oberflächen freigelegt und eine Dämmung von Boden, Außenwänden und Dach vorgenommen. Letzteres wurde anschließend neu gedeckt. In Anlehnung an den historischen Bestand wurden neue Fenster geplant und eingebaut. Der Erdgeschoss-Bereich des in Blockbauweise errichteten Hauses wurde anschließend neu verputzt. Die hölzerne Verkleidung des Obergeschosses wurde mit Spezialbürsten aufwendig in Handarbeit gereinigt und unter umfangreichen Abdeckmaßnahmen abgelaugt. Die Balkone auf der Giebelseite des Gebäudes, typisch für die Bauweise in Oberbayern, wurden komplett abgebaut, restauriert und anschließend wieder angebaut.
Direkt an das Wohnhaus angrenzend, im hinteren Teil gelegen, befindet sich ein erdgeschossiger Stall mit darüberliegender Tenne, bestehend aus einem Bachsteinsockel mit Holzbinderkonstruktion. Zuerst wurde die gesamte Konstruktion abgetragen, sodass eine neue Bodenplatte mit einem neuen Kellergeschoss aus Beton errichtet werden konnte. Danach wurde die alte, stark verschmutzte und in die Jahre gekommene Hülle unter Einbeziehung der historischen Baumaterialien Holz und Stein komplett erneuert und wieder aufgebaut. Böden und Decken wurden entfernt und restauriert, alte und verwurmte Balken ausgetauscht und neue, zum Teil raumhohe, Fenster eingebaut. Das Dach wurde in einer Holzschindeldeckung aus Lärchenholz gedeckt.
So entstand im Erdgeschoss ein großer, heller Wohnraum, dessen südwestliche Giebelwand nahezu komplett in Glas aufgelöst wurde. Von hier hat man nun einen weiten Blick bis auf das nahegelegene Gebirge. In die Decke des großen Raumes wurde ein Loch geschnitten, um eine direkte Verbindung zwischen Erd- und Obergeschoss herzustellen und um die Wohnqualität zu steigern. Die Schwelle zwischen Alt und Neu bilden eine neue, offene Treppe und eine Trennwand in Blockbauweise mit einem Sockel aus sogenannten Bachbrummerl-Steinen aus dem örtlichen Bach. Sie verdeutlichen spannungsvoll den Übergang zwischen dem vorderen Teil mit seiner historischen, kleinteiligen Kammerstruktur und dem hinteren, offenen und großzügigen Wohnteil.
Die Innenräume sind mit Lehm verputzt, die Fußböden mit Natursteinplatten oder Holz verlegt. Neben dem Haupthaus entstand zudem ein kleines Garagengebäude mit einer darüberliegenden, zusätzlichen Wohnung.
Sonnenschutz
Für die nahezu vollverglaste Fläche im großen, westlich gelegenen
Wohnraum sollte ein ausgeklügeltes Sonnen- und Sichtschutzsystem
entwickelt werden, welches möglichst nicht aus Rollläden oder
Vorhängen besteht.
So wurde eigens für dieses Objekt eine Konstruktion aus brettdicken Aluminium-Lamellen mit Holzfurnier entwickelt, die in mehrere Felder unterteilt wurde und mit einer Spannweite von 3,50 Meter horizontal vor den Öffnungen verläuft. Die verstell- und drehbaren Elemente lassen sich zum einen individuell und unabhängig voneinander in ihrer Position verändern, zum anderen können sie komplett nach oben oder unten gefahren werden. So erscheint die Fassade je nach Witterung und Bedarf vollständig geschlossen, opak oder offen-transparent.
Im geschlossenen Zustand scheinen die Sonnenschutz-Lamellen die
Holz-Fassade der benachbarten Scheune zu adaptieren. Auch die
naheliegende Garage mit Einliegerwohnung wurde auf der dem Westen
zugewandten Seite mit der Lamellen-Konstruktion ausgestattet. Da
die Elemente hier vielmehr einem Sichtschutz dienen und die
dahinterliegende Treppe verdecken, sind sie weder dreh- noch
verstellbar.
Bautafel
Architekten: Peter Glöckner Architektur, München / Team bis 2009: Architekten Gallist Glöckner, München
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Toni Staudacher, Tegernsee (Tragwerksplanung); Ingenieurbüro Josef Schlosser, Rosenheim (HS-Planung); Isidor Kotter, Frasdorf (Rohbau, Zimmer- und Dachdeckungsarbeiten); Stahlbau Franz Limmer, Brannenburg (Sonnenschutz); Naturstein Limmer, Brannenburg (Natursteinarbeiten); Elektro Stadler, Warngau (Elektroinstallation)
Bauherr: privat
Fertigstellung: Sommer 2008
Standort: Nußdorf am Inn
Bildnachweis: Florian Schreiber, München
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