Wall House in Namur
Sichtmauerwerk aus Betonfertigteilstürzen mit herausquellendem Zementmörtel
Die belgische Kleinstadt Namur liegt südöstlich von Brüssel an
der Einmündung der Sambre in die Maas. Sie ist die Hauptstadt der
gleichnamigen Provinz und zugleich Sitz des wallonischen
Parlaments. In einem Wohngebiet nördlich des Stadtkerns entstand
nach Plänen des ortsansässigen Architekturbüros And’rol
Architecture ein Einfamilienhaus. Das zur Verfügung stehende
Grundstück wies einige entwurfsbestimmende Besonderheiten auf: Es
wird auf einer Seite von einer nahezu senkrecht abfallenden
Felswand begrenzt und besitzt dadurch eine nur sehr geringe Tiefe,
außerdem hat es eine starke Längsausrichtung parallel zur
Straße.
Als Inspiration für den Entwurf des Wohnhauses dienten den
Architekten Spuren einer inzwischen verschwundenen, nahen
Befestigungsanlage – und eine Art Burgmauer wurde zum Hauptmotiv.
Sie führt in Form einer Mauer entlang der Grundstücksgrenze an der
Straße und dient auch als Material für die straßenseitige Fassade.
Das Besondere ist ihre Struktur: Dünne, lange Betonfertigteile
Die übrigen Seiten des Wohnhauses sind mit
dunkelgrauen Faserzementplatten bekleidet.
Gallerie
Das Wohnhaus ist leicht zurück versetzt von der Straße. Neben ihm entstand ein niedrigeres Seitengebäude, ebenfalls im Schutz der markanten Mauer, in dem ein Großteil der Keller- und Abstellräume untergebracht ist. Im Inneren des 138 Quadratmeter großen Wohngebäudes nutzten die Architekten die natürliche Geländeneigung für Split-Levels, die das offene Raumkonzept unterstützen und die Wohnfläche gefühlt vergrößern. Vom Eingang mit Gäste-WC und Garderobe führt eine kurze Treppe hinab in den offenen Wohn-, Koch- und Essbereich. Durch eine große Schiebetür lässt er sich zur Terrasse hin öffnen. In den oberen Geschossen befinden sich die privateren Räume der Familie. Ein eingeschnittener Balkon an der schmalen Gebäudeseite im obersten Stockwerk erlaubt Ausblicke in die Umgebung.
Die Oberflächen im Inneren des Baukörpers sind bewusst schlicht und einfach gehalten. Fußböden und Decken sind aus roh belassenem Beton. Die Treppenstufen sind aus Holz, die Wände weiß gestrichen.
Mauerwerk
Auch bei der Wahl der Fassadenmaterialien orientierten sich die
Architekten am Motiv der Befestigungsmauer. Ihre Neuinterpretation
des alten Bruchsteinmauerwerks besteht aus hellen, unbehandelten
Betonfertigteilstürzen. Sie wurden ihrem sonst rein statischen
Zweck entfremdet und hier als ästhetische Sichtbeton-Vormauerschale
verwendet. Ihr rauer Charakter wird noch durch unregelmäßig
hervorquellenden Fugenmörtel verstärkt, der ein starkes Relief
erzeugt. Gemeinsam mit den flachen, langen Betonstürzen entsteht
eine deutliche, horizontale Linearität.
Die 49,5 cm starken Außenwände sind als zweischaliges Mauerwerk mit Luftschicht und Wärmedämmung aufgebaut. Das 19 cm starke Hintermauerwerk besteht aus Hochlochziegeln, für den nötigen Wärmeschutz sorgt eine 16 cm Zentimeter starke PUR-Dämmung mit einer Wärmeleitfähigkeit λ von 0,024 W/mK. Die Luftschicht zur Hinterlüftung zwischen Wärmedämmung und der Vormauerschale beträgt 4 cm. Im Inneren sind die Wände mit einer 1,5 cm dicken Kalkputzschicht versehen. Die Vormauerschale aus den vorgespannten Betonfertigteilstürzen ist über Maueranker mit dem Hintermauerwerk konstruktiv verbunden. Die eingesetzten Fertigteilstürze mit den Maßen 6 x 9 x 140 cm haben den Farbton weißlich-hellgrau und blieben naturbelassen.
Um den erwünschten Effekt des „Herausquellens“ des Fugenmörtels zu erreichen und um ein Abbrechen des erhärteten Mörtels zu vermeiden, musste ein Produkt gefunden werden, dass sich durch hohe Druck- und Stoßfestigkeit sowie Witterungsbeständigkeit auszeichnet. Der schließlich gewählte Zementmörtel setzt sich aus den Komponenten Feinsand, Rheinsand, Zement und Wasser sowie einem geringen Anteil Kalk zusammen. Der Mörtel härtet, passend zu den Betonfertigteilstürzen, hellgrau aus, er ist frostsicher und besitzt eine gute Haftung sowie eine hohe Festigkeit. Zusätzlich war eine sorgfältige Bauausführung besonders wichtig. So wurde nur bei gutem Wetter und in Abschnitten von maximal 1,00 m Höhe pro Tag gemauert und gefugt. Die frisch fertiggestellten Wandstücke wurden bis zum vollständigen Erhärten mehrere Tage mit OSB-Platten geschützt. Auf die überstehenden Enden der Bewehrungsstäbe der Spannbetonfertigteile wurde ein Korrosionsschutz aufgetragen.
Die mit Faserzement verkleideten Außenwände besitzen ebenfalls ein tragendes Mauerwerk aus Hochlochziegeln sowie eine Dämmschicht aus PUR. Das Wohnhaus ist als Niedrigenergiehaus konzipiert, der U-Wert der Außenwände beträgt nur 0,14 W/m²K.
Bautafel
Architekten: And'rol architecture, Namur
Projektbeteiligte: Unit Ingénieurs Associés, Namur (Statik); And'rol architecture, Namur (TGA / Freiraumplanung); M. A. Construction, Onhaye (Rohbau); Wienerberger, Wien (Hersteller Hochlochziegel); Collinet Grès & Béton, Wandre (Hersteller Betonfertigteilstürze)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2013
Standort: Rue de Bomel 162, 5000 Namur
Bildnachweis: Georg Schmidthals, And'rol architecture, Namur
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