Membrandach über dem kleinen Schlosshof in Dresden
Luftgefüllte Kuppel für das Residenzschloss
Kaugummiblase lautet ein Spitzname für das neue Membrandach, das den kleinen Hof des Dresdner Residenzschlosses überspannt. Doch die Kuppel mit ihren rautenförmigen Membranen, die dafür sorgt, dass die zahlreichen Museumsbesucher dank des neuen Foyers nicht mehr im Regen stehen müssen, ist alles andere als eine kurzlebige Blase, sondern eine kühne architektonische Tat.
Gallerie
Aufgrund der historischen Bausubstanz des kleinen Schlosshofs mit Arkade und Ziergiebeln aus der Renaissance erwies sich die Aufgabe, den Museumskomplex des Dresdner Residenzschlosses dort mit einem repräsentativen und funktionalen Entree zu versehen, als äußerst schwierig: Um die Wirkung des Schlosshofs zu erhalten, mussten die Ziergiebel komplett überwölbt werden. Gleichzeitig sollte aber auch der Anspruch erfüllt werden, das Dach von außen möglichst wenig sichtbar werden zu lassen. Eine Lösung fanden die Architekten Peter Kulka und Philipp Stamborski mit einem Membrandach, das die Silhouette der Stadt Dresden um eine weitere sehenswerte Kuppel bereichert.
An Planung und handwerkliche Umsetzung stellten die Gegebenheiten des Residenzschlosses höchste Anforderungen. Die Berechnung der 256 Rauten der Kuppel konnte nur digital im 3-D-Modell erfolgen. Schließlich galt es, ein unregelmäßiges Trapez über einer Fläche von 600 m² möglichst schonend in die sensible historische Bausubstanz einzupassen – und das bei laufendem Museumsbetrieb. So entstand eine neun Meter hohe Kuppel mit einer Fläche von 1400 m². Sie besteht aus einer selbsttragenden Kuppelschale mit einem Rautentragwerk aus Stahl. Die einzelnen, unterschiedlich großen Rauten sind mit ETFE-Folie bespannt, die unter Druck gehalten wird. Gegenüber einer Glaskonstruktion erweist sich die Folie sowohl hinsichtlich der schalltechnischen Eigenschaften als auch des Gewichts als vorteilhaft. Nachteile durch eine erhöhte Hitzeentwicklung bei starker Sonneneinstrahlung konnten durch kaum sichtbare Entlüftungsflügel ausgeglichen werden, so dass auf eine Folienbeschichtung verzichtet werden konnte. Die Zuleitung der Luft für die Membrankissen erfolgt über die Hohlprofile der Stahlkonstruktion.
Von der Straße aus ist die Konstruktion kaum sichtbar. Aus der Ferne aber setzt die neue Kuppel einen beeindruckenden neuzeitlichen Akzent im Dresdener Stadtpanorama. Neben der Wiedereröffnung der Türkischen Kammer nach mehr als 60 Jahren wird wohl auch das spektakuläre Dach seinen Teil dazu beitragen, dass noch mehr Besucher in die ehemalige Residenz der sächsischen Kurfürsten strömen.
Dach
Die 84 Tonnen schwere Kuppel besteht aus einer zweifach gekrümmten
Stahlgitterschale mit 256 Rauten von unterschiedlicher Größe und
Wölbung. Biegesteife Knoten in der Konstruktion machen zusätzliche
Unterspannungen überflüssig. Abgeschlossen wird die Dachschale
durch einen Ringfachverband, der knapp unter der Firstlinie
aufliegt. Durch Auflager und Pendelstützen wird der Bestand
punktuell verstärkt, um die Kräfte einleiten zu können.
Die Kuppel ist mit einer pneumatischen Kissenmembran aus
ETFE-Folie eingedeckt. Um die Membrankissen unter Druck zu halten,
führen Schläuche durch die quadratischen Hohlprofile der
Stahlkonstruktion. Dies erforderte nicht nur eine konstruktive
Innenbeschichtung, die Tauwasser-Kondensat vermeiden soll, sondern
stellte auch erhöhte Anforderungen an die Dichte der Knoten. Die
Anforderungen an den Wärmeschutz werden über Entlüftungsflügel auf
vier Feldern des Daches erfüllt, die das Gesamtbild nicht stören,
da sie in geschlossenem Zustand kaum sichtbar sind.
Bautafel
Architekten: Peter Kulka, Philip Stamborski, Köln und Dresden
Projektbeteiligte: Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement SIB Niederlassung Dresden 1 (Projektleitung); Kaiser Baucontrol Ingenieurgesellschaft, Dresden (Projektsteuerung); ahw Ingenieure, Münster/Kröning Ullbrich Schröter, Dresden/B. Dessel, Dresden (Tragwerksplanung)
Bauherr: Freistaat Sachsen
Standort: Taschenberg 2, Dresden
Fertigstellung: 2009
Bildnachweis: Jörg Schöner, Dresden (1); Jürgen Lösel, Dresden (2,3)