Rauminstallation für Messestand in Frankfurt
Gewebe als Himmel über Automobilen
In der Frankfurter Festhalle, dem ehemals größten freitragenden Kuppelbau der Welt, statteten die Stuttgarter Architekten Kauffmann, Theilig & Partner, unterstützt durch formTL aus Radolfzell den Messestand von Daimler mit einer ungewöhnlichen textilen Rauminstallation aus. Im Zuge der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA) 2009 zogen sie einen riesigen beleuchteten „Membranhimmel“ in die Festhalle ein, der den Messeauftritt mit spannungsvollen Erlebnisräumen und Flächen in Szene setzte. Die Membrankonstruktion wurde mit dem ADC Award 2010 in Bronze und dem One Show Design 2010 Merit Award ausgezeichnet.
Gallerie
Dach
Mit über 5000 m² Gesamtfläche ist die Membran vielleicht das größte
jemals an einem Stück gefertigte Tuch. Die Solitärmembran wurde aus
110 Einzelbahnen mit 60 mm breiten Nähten verschweißt und besteht
aus Mesh, einem offenporigen Gewebe aus Kunststofffasern mit
Kunststoffbeschichtung. Insgesamt 27 linsenförmige Ausschnitte, so
genannte „Lichtaugen“ wurden in die Zuschnitte eingearbeitet, um
die Fahrzeuge ins richtige Licht zu rücken. Diese wurden mit
Scheinwerfern gezielt ausgeleuchtet.
Zwei ringförmige Aussparungen mit zehn bzw. achteinhalb Metern und ein pneumatischer „Membranball“ mit 13 Metern Durchmesser formten Hoch- und Tiefpunkte. Für die notwendige Spannung und eine faltenlose Oberfläche der 110 x 60 m großen Rauminstallation sorgte ein am Rand umlaufendes, 12 mm dickes Stahlseil.
Die semitransparente, sphärisch gekrümmte Membranfläche diente
auch als Licht- und Projektionssegel. Dabei ermöglichte ein
geschickter Einsatz der Beleuchtung die individuelle Steuerung der
Transparenz: Von hinten beleuchtet, gab das Gewebe die Sicht auf
das historische Kuppeltragwerk der Festhalle frei. Von unten
bestrahlt, verlor es jedoch seine Transparenz und bildete wie eine
Kinoleinwand die darauf projizierten Lichtinszenierungen ab.
Leicht und schwebend wirkt die Konstruktion, an deren Realisierung
mehrere hundert Handwerker und Messebauer beteiligt waren. Durch
den Einsatz der Textilkonstruktion ließen sich die Hallen- und
Standbeleuchtung sowie die erforderliche Leistung der
Lüftungsanlage (aufgrund des Kamineffekts der Membran mit Hoch- und
Tiefpunkt) deutlich reduzieren. Die Stahlkonstruktion des
Messestands und die Membran können immer wieder eingesetzt
werden.
Eine Herausforderung für die Ingenieure von formTL war der Umgang
mit der historischen Stahlkonstruktion der Festhalle. Deren Statik
ist zwar für Schnee- und Windlasten konzipiert, jedoch nicht für
Ausbaulasten. Da es während der Veranstaltung im September aber
keine Schneelasten gab, konnten diese Lastreserven zur Befestigung
der Membran herangezogen werden. So war es möglich, die für die
Membran erforderlichen Vorspannkräfte von 42 t in die
Dachkonstruktion einzuleiten. Wesentliche Einzellasten waren dabei
die Anhängelasten für den Hochpunkt, ein bleigefüllter ca. 3,5 t
schwerer Ring am tiefsten Punkt der Membran sowie ein pneumatischer
Membranball, der mit 13 m Durchmesser die Membran ebenfalls mit ca.
3,5 t Kraft nach unten drückte. Die hohe Vorspannung war
erforderlich, um das steife Gewebe faltenfrei zu spannen und kleine
Konfektionsfalten herauszuziehen. Das hochfeste Material hat eine
Reißfestigkeit von 7 t/m und konnte zu Montagezwecken sogar
begangen werden.
Bautafel
Architekten: Kauffmann, Theilig & Partner, Ostfildern
Projektbeteiligte: formTL, Radolfzell (Tragwerksplanung); Ernst F. Ambrosius & Sohn, Frankfurt a. M. (Bauausführung)
Bauherr: Daimler, Stuttgart
Fertigstellung: 2009
Standort: IAA Frankfurt 2009 (temporär)
Bildnachweis: Andreas Keller, Altdorf/formTL