Sanatorium Dr. Barner in Braunlage
100-jähriges Linoleum und Linkrusta-Tapeten
Das Sanatorium Dr. Barner befindet sich in Braunlage, einem heilklimatischen Kurort und Wintersportplatz im Harz. Die im Jahr 1900 eröffnete Privatklink umfasst zwei Villen im historischen Stil sowie einen mittleren, 1914 fertiggestellten Erweiterungsbau und diente als „Rekonvaleszentenheim der gehobenen Stände“. Das sogenannte Mittelhaus des Sanatoriums wurde von Albin Müller, dem späteren Leiter der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt, erbaut und ist eines der bedeutendsten Zeugnisse des späten deutschen Jugendstils.
Gallerie
Albin Müller war zunächst Patient in der Klink gewesen, bevor ihn der Sanatoriumsleiter mit der Planung eines Erweiterungsbaus beauftragte. Unter Einbezug der vorhandenen Bausubstanz und trotz eines komplizierten Geländeverlaufs setzte der Architekt mit der Erweiterung des Sanatoriums um ein Mittelhaus sein persönliches Jugendstil-Wunschbild um. Müllers Anspruch war es, den Neubau „vom ersten Mauerstein bis zu den Gardinen zu durchdenken“. Geschaffen wurden repräsentative Räumlichkeiten, Patientenzimmer, Behandlungs- und Ruheräume. Der auf den ersten Blick verwirrenden Raumfolge im Gebäude liegt die Idee zugrunde, die beiden schon auf dem Grundstück bestehenden Villen durch einen zentralen Neubau mit einem rückwärtigen Bauteil zu verklammern. Die Aufgabe löste der Architekt mit Verbindungs- und Wandelgängen, mit Treppen, Dielen, Vorhallen und Wintergärten. An den Gebäuden führte er zusätzliche Gänge entlang oder schaltete ein Foyer dazwischen. Dahinter verliefen einst noch Verbindungswege für die Bediensteten und das Pflegepersonal.
Das von außen eher sachlich wirkende Gebäude entspricht der Zweckmäßigkeit eines Gesundheitsbaus mit quadratischen Grundrissen der Räume und großen hohen Fenstern, die Licht und Luft ins Innere lassen. Für den Beginn des 20. Jahrhunderts modern, war die Versorgung aller Zimmer des Mittelhauses mit Elektrizität und fließendem Wasser. Die Ausstattung entspricht mit Mooreichenparkett, ausgesuchten Natursteinen, Linoleum, teils raumhohen Vertäfelungen, ornamentierten Tapeten, Deckenstuck und Glaslüstern der großbürgerlichen Ausstattungskultur jener Zeit. Jeder Raum hat eine spezifische Geometrie, eine spezielle Materialauswahl mit eigenem Farbklang.
Sowohl das Mittelhaus als auch die Einrichtung sind bis heute
original erhalten und funktionstüchtig geblieben, was dem
vorsichtigen Umgang der Familie Barner zu danken ist, die das
Sanatorium mittlerweile in der dritten und vierten Generation
führt. Allenfalls haben Anpassungen stattgefunden, die den
Erfordernissen moderner Behandlungsmethoden und unumgänglicher
Feuerversicherungspolicen geschuldet waren - Wärmeschränke,
Spiegel, Tische, Stühle, Leuchten, Waschtische, teilweise auch die
medizinischen Geräte sowie das von Peter Behrens entworfene
Mobiliar in der Diele sind erhalten geblieben.
Boden
Das Gebäude ist fast durchgehend mit Linoleumböden und
Linoleumtapeten, sogenannten Linkrusta-Tapeten, ausgestattet. Auch
sie sind, einmalig in Deutschland, bis auf den heutigen Tag
weitgehend erhalten geblieben. Hygienevorstellungen prägten die
medizinischen Ansichten jener Epoche maßgeblich, für die Klinik
erwiesen sich Linoleumböden als ideal, denn sie waren
vergleichsweise einfach zu reinigen, rutschfest, relativ weich und
angenehm zu begehen. Auch die Linkrusta-Tapeten hatten einen
Vorteil in Sachen Hygiene gegenüber üblichen Tapeten, da sie
abgewaschen werden konnten.
Für den Boden wurde Inlaid-Linoleum verwendet, das um die Jahrhundertwende erfunden worden war. Mit diesem Verfahren konnten farbige und ornamentale Muster abriebfest in den Linoleumboden eingebracht werden. Sie wurden nach Müllers Entwürfen mit mehrfarbigem, kontrastreichem Muster aus geometrischen und organischen Formen gefertigt, zwölf für die Böden und drei für die Linkrusta-Tapeten. Dass Albin Müller die Linoleumböden selbst konzipiert hat, ist kein Zufall. Wie Peter Behrens oder Albert Gessner pflegte er generell eine enge Zusammenarbeit mit Industrie und Handwerk, wenn es um die Gestaltung eigener Entwürfe in industriegerechten Formen ging. Zu Recht gelten diese drei frühen Designer als Pioniere der zeitgemäßen Produktgestaltung.
Im Sanatorium Dr. Barner liegen noch heute originale
Inlaid-Linoleumböden auf knapp 1.300 m². Nur in Ausnahmefällen
wurden in der Vergangenheit Linoleumböden ausgewechselt,
stattdessen wurden schadhafte Stellen mit den auf dem Dachboden des
Hauses deponierten Resten des originalen Linoleums geflickt. Da
diese allmählich zur Neige gehen und vergleichbares Linoleum heute
nicht mehr produziert wird, bemühen sich Fachleute und
Konservatoren derzeit um ein sinnvolles Konzept der Konservierung.
-ap
Bautafel
Architekten: Albin Müller, Dittersbach
Planungsbeteiligte: Anker-Linoleumwerke, Delmenhorst (Linoleumböden und Linkrusta-Tapeten)
Bauherr: Dr. Friedrich Barner, Braunlage
Fertigstellung: 1914
Standort: Doktor-Barner-Straße 1, Braunlage
Bildnachweis: Sanatorium Dr. Barner, Braunlage
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