Familienkapelle Maria Magdalena bei St. Veit
Weißbetonbau nach dem Goldenen Schnitt
Mitten auf dem Zollfeld, einer von Wiesen geprägten und von Bergen gerahmten Talebene in Kärnten, scheint ein kleines, strahlend weißes Haus wie aus der Landschaft geschnitten. Es ist die Familienkapelle Maria Magdalena; geplant hat sie der Architekt Gerhard Sacher vom Büro Sacher.Locicero.Architectes aus Graz. Ihre klare Form entlehnte er den klassischen Kapellen, wie es sie seit dem frühen Mittelalter gibt, ihre Proportionen folgen dem Goldenen Schnitt nach der Lehre des „Vitruvianischen Menschen“ von Leonardo da Vinci.
Gallerie
Der Sakralbau liegt nahe der Stadt St. Veit an der Glan in Sichtweite von Burg Hochosterwitz. Er hat eine Grundfläche von rund 27 Quadratmetern und ein spitzgiebeliges Satteldach mit einer Firsthöhe von 7,78 Metern. Seine Seitenwände und das Dach bestehen innen wie außen aus glatt geschaltem Weißbeton, die Giebelseiten sind verglast. Der Zugang erfolgt über einen gekiesten, etwas abgesenkten Vorplatz an der Westseite der Kapelle. Durch ein fast gebäudebreites Doppelflügeltor aus handgeschlagener Bronze, das von dem tschechischen Künstler Jaromír Gargulák gestaltet wurde, gelangen die Besucher hinein. Wände und Dach sind weiß, der Boden mit beigefarbenen Travertinplatten belegt. In beide Betonwände sind je drei Lichtschlitze eingeschnitten, von denen einer pro Seite bis in die Dachfläche reicht. Ausgefacht sind sie mit farbigen Glasfenstern, die der Kärntner Künstler Karlheinz Simonitsch mit Motiven der Schöpfungsgeschichte versah. Die seitlichen Laibungen sind abgeschrägt und so konzipiert, dass möglichst morgens und abends Licht durch die bunten Scheiben hineinfällt.
Der Chor befindet sich eine Stufe erhöht an der verglasten Ostseite. Sie ist präzise auf die Wallfahrtskirche am Magdalensberg ausgerichtet. Davor steht mit etwas Abstand zur Kapelle ein schlichtes Bronzekreuz im Außenraum – ebenfalls ein Werk von Jaromír Gargulák. Beidseitig des Chors sind Nischen in die Wände eingearbeitet: In der rechten hat die namensgebende Maria-Magdalena-Statue ihren Platz, in der linken sind 12 kleine Urnenfächer eingelassen. Zwischen den Fensterschlitzen der Nordwand gibt es drei weitere Aussparungen: In ihnen verschwinden die ausklappbaren Sitzbänke aus weiß gekalkter Eiche, wenn sie nicht gebraucht werden oder sich zu viele Personen in der Kapelle aufhalten. Denn die Familie nutzt den Sakralbau nicht nur, um Ruhe und Kontemplation zu finden, sondern auch für kleine und große Feiern.
Beton
Der gesamte Baukörper besteht aus 53 Kubikmeter selbstverdichtendem
Hochleistungsbeton (SVB), der eine hohe Festigkeit und eine
erheblich weichere Konsistenz aufweist als herkömmlicher Beton. Um
eine schalungsankerfreie, homogen durchgehende Betonoberfläche zu
erzielen, wurde eigens ein Stahlträgergerüst entwickelt, an dem die
zweilagige Schalhaut montiert wurde. Die erste Lage bestand
aus üblichen Dreischichtplatten und diente als Niveauausgleich für
den Beton, die zweite aus großformatigen, nicht saugenden
Birkensperrholzschalungsplatten. Ihre Abmessungen von 7,50 x 2,70
Meter sorgten für das fugenarme Schalungsbild der
Sichtbetonoberflächen.
Aufgrund des Fließverhaltens des Betons mussten die Schaltafeln
sehr präzise aneinandergefügt werden. Die Stöße wurden größtenteils
mit einer CNC-Fräse auf Gehrung geschnitten und an den Fugen
zusätzlich abgedichtet. Betoniert wurde in zwei Arbeitsgängen: im
ersten entstanden aus rund 18 Kubikmeter Beton die beiden
Seitenwände mit ihren zahlreichen Vor- und Rücksprüngen, im zweiten
aus etwa 35 Kubikmeter Beton die um 63 Grad geneigten Dachflächen.
Hierbei wurden spezielle Stahlrohre zur Verteilung mit
Füllöffnungen beidseitig an der Giebelspitze in den
Bewehrungszwischenraum eingelegt, um den SVB dann giebelseitig von
unten nach oben pressen zu können.
Bautafel
Architekten: Gerhard Sacher, Sacher Locicero Architectes, Graz
Projektbeteiligte: Jaromír Gargulák, Brno und Karlheinz Simonitsch, Klagenfurt (Künstlerische Gestaltung); Pittino, Graz (Tragwerksplanung); Petautschnig Bau, Murau (Bauunternehmen); Dyckerhoff, Wiesbaden (Weißbeton); Doka Schalungstechnik, Maisach (Dreischichtschaltafeln), Peri, Weißenhorn (Birkensperrholzschalungsplatten)
Bauherr: Privat
Standort: 9063 Zollfeld, Kärnten, Österreich
Fertigstellung: 2014
Bildnachweis: Paul Ott photografiert, Graz und Gerhard Sacher, Graz
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