Wohnhäuser Am Lokdepot in Berlin
Roter Sichtbeton, rote Aluminiumfenster, feuerwehrrote Stahlkonstruktionen
Gallerie
Dass es nicht leicht sein würde, auf einer typischen Berliner
Brache eine dichte Wohnbebauung zu realisieren, wird Nils Buschmann
und Tom Friedrich von Robertneun Architekten klar gewesen sein.
Nicht nur hat die Stadtentwicklungspolitik allzu lange übersehen,
dass Berlin viele Wohnungen braucht; so selten, wie hier die
benachbarten Bezirke Kreuzberg und Schöneberg kooperieren, so
regelmäßig protestieren die Anwohner gegen eine Veränderung des
Status quo.
Östlich der Nord-Süd-Trasse der S-Bahn und den Depothallen des
Technikmuseums, die einmal Lokdepot waren, wurden die ersten drei
von insgesamt 16 Häusern fertiggestellt, die in Kürze den offenen
Block zwischen Monumenten-, Eylauer- und Dudenstraße schließen
sollen. Die Bebauung setzt sich aus drei unterschiedlich breiten
Haustypen zusammen, die auf einem Sockel aus roten Ziegeln Wand an
Wand in Reihe stehen. Der ein bis sieben Meter hohe Sockel
überbrückt das abfallende Gelände; er wird gewerblich und als
Parkgarage genutzt. Die Wohnhäuser entlang der neuen Straße „Am
Lokdepot“ stehen künftig lang gestreckten Lagerhallen aus Backstein
mit großen Holztoren gegenüber. Auf deren Farbigkeit antworten die
Architekten mit einem starken durchgängigen Rot: Rot ist der Beton
eingefärbt, rot sind die Aluminiumfenster beschichtet und die
vielen sichtbaren Stahlelemente lackiert.
Die einzelnen Wohnhäuser sind sechsgeschossige
Stahlbetonskelettkonstruktionen mit einer anfänglichen Ausstattung
auf Rohbau-Niveau; auch die Haustechnikleitungen verblieben
teilweise offen und sichtbar. Die tatsächlichen Wohnräume entstehen
erst durch ergänzenden Innenausbau, für den die Architekten ein
System aus Mauerwerks-, Holzschiebe-, Glastrenn- oder Schrankwänden
anbieten. Da es sich um Eigentumswohnungen handelt, sind die
Bewohner diesbezüglich relativ frei – einschließlich darin, den
Beton weiß zu verspachteln.
Die drei Haustypen S, M und L sind entsprechend divergierender
Parzellenbreiten von 7, 14 und 21 Metern konzipiert, die eine
gewisse Varianz gewährleisten sollen. Die Gliederung der Fassaden
folgt einem Raster von 3,50 Metern. Der L-Typ ist ein Zwei- oder
Dreispänner mit Geschosswohnungen unterschiedlicher Größe und der
Besonderheit eines anderthalbgeschossigen, 4,50 Meter hohen Raums.
Der M-Typ umfasst pro Geschoss eine einzige Wohnung auf nahezu
quadratischem Grundriss mit einer 14 Meter breiten Fensterfront zu
beiden Seiten. Ein außen liegendes Fluchttreppenhaus und ein direkt
in die Wohnung mündender Fahrstuhl dienen der Erschließung. Das
schmalste Haus mit zweifacher Achsbreite beinhaltet auf jeder Etage
eine Wohnung mit tiefem Wintergarten gen Westen und einem Balkon
nach Osten.
Die städtebauliche Gesamtplanung sieht jeweils vier Häuser der
Typen S und M vor, sechsmal Typ L und zwei besonders große
Eckbauten zur Monumenten- und Dudenstraße. Robertneun verantworten
neben der städtebaulichen Gesamtplanung zunächst sieben Häuser, die
weiteren sollen einem Generalplaner übergeben und teilweise anders
materialisiert werden. Ist das gesamte Bauvorhaben vollendet, wird
es auf der ehemaligen Brache oberhalb der Bahntrasse rund 200
Wohnungen und zahlreiche Gewerbeeinheiten geben.
Bauphysik
Jedes Haus wird nach dem sogenannten Energiestandard KfW 70 gebaut,
das heißt, sein Jahres-Primärenergiebedarf beträgt lediglich 70%
des Energiebedarfs eines vergleichbaren Neubaus. In der
Energieeinsparverordnung (EnEV) sind die Bestandteile des
Jahres-Primärenergiebedarfs eindeutig festgelegt: der
Jahresheizwärmebedarf zählt dazu, der Nutzwärmebedarf für die
Warmwasserbereitung, der Hilfsenergiebedarf für Heizung und
Warmwasserbereitung, der Energieverbrauch für die Bereitstellung
der Energieträger und der Energieverlust des
Wärmeversorgungssystems. Ein solcher Energiestandard lässt sich
nicht durch ein diszipliniertes Verhalten der Bewohner erreichen,
ausschlaggebend sind konkrete bauliche Maßnahmen und die
Haustechnik.
Auf der baulichen Seite sind durch gedämmte
Stahlbetonkonstruktionen der Wände, Böden und Dächer folgende
Wärmedurchgangskoeffizienten erreicht
worden:
- Flachdach: U = 0,168 W/(m²K)
250 mm Stahlbeton, 200 mm Flachdachdämmplatte - Brandwand zum Nachbarn: U = 0,556 W/(m²K)
250 mm Stahlbeton, 50 mm Akustikdämmplatte - Außenwand: U = 0,215 W/(m²K)
200 mm Stahlbeton, 150 mm Fassadendämmplatte, außen 200 mm Leichtbeton und Stahlleichtbeton
Im rechnerischen Ergebnis unterschreitet der Ist-Jahres Primärenergiebedarf Qp den Jahres-Primärenergiebedarf der Referenzgebäude um etwa 61 bis 68% in den Häusern 1 bis 3. Im selben Maße werden die festgelegten Anforderungen der energetischen Qualität der Gebäudehülle unterschritten. Und auch der sommerliche Wärmeschutz wird für alle drei Häuser nach DIN eingehalten. In Zahlen und Werten liegt der Jahres-Primärenergiebedarf Qp für die drei Häuser zwischen 34,7 und 39,4 kWh/m²a, während die Referenzgebäudes Werte zwischen 56,8 und 58,7 kWh/m²a aufwiesen. Der spezifische, auf die Wärme übertragende Umfassungsfläche bezogene Transmissionswärmeverlust beträgt zwischen 0,373 und 0,430 W/(m²K) und unterschreitet sowohl den Soll-Wert der Energieeinsparverordnung von 0,650 W/(m²K) als auch den der Referenzgebäude von 0,430 bis 0,521 W/(m²K). Damit sind die Vorgaben des KfW-Programms bezüglich des Transmissionswärmeverlusts bei allen drei Häusern eingehalten.
Bautafel
Architekten: Robertneun Architekten, Berlin
Planungsbeteiligte: Atelier Loidl, Berlin (Landschaftsplanung); Arup, Berlin und Bauart, Berlin (Tragwerksplanung); Arup, Berlin und Akut, Berlin (Haustechnik); SWP, Berlin (Bauleitung)
Bauherr: UTB Grundstücksentwicklungsgesellschaft, Berlin
Fertigstellung: 2014 (Häuser 1, 2 und 3)
Standort: Am Lokdepot 1-3, 10965 Berlin
Bildnachweis: Werner Huthmacher, Berlin