Umbau einer Hofanlage in Schäftersheim-Weikersheim

Behutsame Sanierung mit neuer Holzverschalung und Solarmodulen auf dem Dach

Wie vielen anderen ungenutzten Objekten in Landstrichen mit sinkenden Einwohnerzahlen drohte auch dem Hof 8 in Schäftersheim bei Weikersheim der Abriss. Das Gebäudeensemble ist Teil der gewachsenen Baustruktur des baden-württembergischen Dorfes. Nach langem Leerstand fand sich schließlich eine Bauherrin für den ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb mit zweigeschossigem Wohnhaus, Remise, Stall und Scheune. Selbst als Planerin im Bereich Kommunalentwicklung, Umweltplanung und Erneuerbare Energien tätig, beauftragte sie ihren Bruder, den Architekten Rolf Klärle aus Bad Mergentheim, mit dem Entwurf und Umbau des Hofs. Dieser sollte wieder zum Leben erweckt werden – heute beherbergt das Ensemble ihr eigenes Ingenieurbüro, eine Hebammenpraxis und zwei Seniorenwohnungen; die ehemalige Scheune ist als Veranstaltungsort vielfältig nutzbar.

Ansicht Süd: Ohne Dachüberstände und mit neuen Fassaden zeigen die Baukörper klare Konturen
Von Süden: Die Dachflächen sind mit PV-Modulen überzogen
Hauptzugang von Südosten: Links das ehemalige Bauernhaus, rechts die alte Remise, die nun Seniorenwohnungen beinhaltet

Der frühere Stall, die anschließende Scheune und die lang gestreckte Remise rahmen L-förmig den nach Süden offenen Hof; das ursprüngliche Wohnhaus steht abgerückt in der Mitte. Wie die übrigen Gebäude hat es einen hohen Spitzgiebel, überragt diese jedoch um ein Geschoss. Seine Giebelseite richtet sich zur Bachgasse, die das Grundstück im Südwesten und Südosten begrenzt. Die ortsbildprägende Hofanlage sollte als Einheit bestehen bleiben, die Kubatur der Baukörper stärker hervorgehoben werden. Im Zuge der Sanierungsmaßnahmen wurde auf Dachüberstände verzichtet, weitere Fassadenvorsprünge auf ein Minimum reduziert. Die alte Putzfassade ist durch eine Verschalung mit vertikalen Holzlatten aufgedoppelt. Innen bleibt die ursprüngliche Fachwerkkonstruktion ablesbar – sie wurde gesäubert und weiß lasiert. Neu hinzugefügte Bauteile, wie unbehandelte Holzschiebeelemente vor den Fenstern oder großflächige Solarmodule auf den Dächern, sind klar erkennbar.

Das Nutzungskonzept sollte unterschiedliche Lebensformen ermöglichen, die Grundrisse flexibel sein, um Änderungen einfach umsetzen zu können. Der Hof ist beidseitig des ehemaligen Wohnhauses zugänglich: An der Südostseite befindet sich die Haupterschließung, im Südwesten überwindet eine breite Treppe den Höhenversprung zwischen Pkw-Stellplätzen und Vorplatz. Im alten Bauernhaus befindet sich heute das Ingenieurbüro: Auf zwei Etagen und im ausgebauten Dachraum bietet es mit rund 300 Quadratmetern ausreichend Platz für 15 Mitarbeiter. Im Erdgeschoss des ehemaligen Stalls befindet sich eine Hebammenpraxis; hier stehen etwa 200 Quadratmeter für bis zu zehn Mitarbeiterinnen zur Verfügung. In der nördlich anschließenden Scheune sind Nebenfunktionen wie Müll- und Abstellflächen sowie zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge untergebracht; zum größten Teil aber ist sie ein multifunktional nutzbarer Veranstaltungsraum. Die Obergeschosse von Stall und Scheune sind untereinander verbunden und bieten ebenfalls Platz für Veranstaltungen – künftig soll hier ein kleines Hofmuseum entstehen. Die alte Remise im Nordwesten der Anlage beherbergt jetzt zwei benachbarte, zweigeschossige Seniorenwohnungen mit insgesamt 250 Quadratmetern Wohnfläche.

Nachhaltig Bauen
Die bestehenden Hofgebäude zu bewahren und zu sanieren, entspricht grundlegenden Prinzipien der Nachhaltigkeit. Vorhandene Materialien konnten teilweise erhalten oder wiederverwendet werden. Das Kopfsteinpflaster und die alten Türen wurden zum Beispiel aus- und wieder eingebaut, Altholz wurde für Holzreparaturen verwendet. Bei neuen Natursteinmauern, für Sockel und Außentreppen kam Abbruchmaterial zum Einsatz. Als neues Baumaterial, insbesondere an den Fassaden, dienen ausschließlich CO₂-neutrales Holz und Holzwerkstoffe.

Um den Energiebedarf zu minimieren, wurde eine Wärmedämmung aus Zellulose auf die verputzten Fassaden aufgebracht und anschließend mit unbehandeltem Douglasienholz aus der Region verschalt. Die vorhandenen Natursteinfüllungen des Fachwerks, Lehmfüllungen der Decken sowie die Kellergewölbe dienen als wärme- und feuchteregulierende Massenspeicher. Die Grundversorgung mit Wärme erfolgt über eine zentrale Grundwasserwärmepumpe, für die der ehemalige Hofbrunnen aktiviert werden konnte. Die einzelnen Gebäudeteile werden über ein Nahwärmenetz mit Wärme versorgt. Eine moderne Regelungstechnik sorgt für die besonders effektive Ausnutzung der Heizenergie.

Insgesamt 550 Quadratmeter PV-Module sind auf den Dachflächen installiert und decken den gesamten Strombedarf des Hofes einschließlich der Grundwasser-Wärmepumpe. Darüber hinaus wird ein Überschuss an Energie ins Stromnetz eingespeist. Zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge stehen den Mitarbeitern und der Öffentlichkeit kostenfrei zur Verfügung. Das Bürohaus ist mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet; die Büroräume können im Sommer auch gekühlt werden. Die Versorgung der angrenzenden Nachbarn mit Strom ist möglich und könnte bald realisiert werden. Die Warmwasserbereitung erfolgt dezentral in den einzelnen Nutzungseinheiten in Unterstationen im Durchlaufprinzip. Warmwasserspeicher sind dadurch nicht erforderlich und eine Legionellenbildung kann ausgeschlossen werden. Geprüft wird, ob die zusätzliche Einbindung einer Kleinwindradanlage sinnvoll ist.

Bautafel

Architekten: Rolf Klärle, Bad Mergentheim
Projektbeteiligte:
R. Klump, Beratender Ingenieur, Weikersheim (Statik); Elektro Herz, Bad Mergentheim (Elektroplanung); Energiezentrum Elpersheim (Planung HSL und Solarflächen); Martin Schneider, Werkersheim (Bauphysik)
Bauherren: 
Prof. Dr. Martina Klärle, Andreas Fischer-Klärle, Weikersheim
Fertigstellung:
2014
Standort:
Bachgasse 8, Weikersheim
Bildnachweis: Brigida González, Stuttgart

Fachwissen zum Thema

Umnutzung, Wiederverwertung, Zweitnutzung und Verlängerung der Lebensdauer sind nachhaltoge Alternativen zum Abriss.

Umnutzung, Wiederverwertung, Zweitnutzung und Verlängerung der Lebensdauer sind nachhaltoge Alternativen zum Abriss.

Bauteilsanierung

Altbauten nachhaltig sanieren

Umgenutztes Bauernhaus in Niedersachsen: Waagrechte und senkrechte Holzstreben bilden das Tragwerk, die dadurch entstandenen Zwischenräume werden Gefache genannt.

Umgenutztes Bauernhaus in Niedersachsen: Waagrechte und senkrechte Holzstreben bilden das Tragwerk, die dadurch entstandenen Zwischenräume werden Gefache genannt.

Bauteilsanierung

Fachwerkwand

Durch innerstädtische Verdichtung und Aufstockung werden vorhandene Strukturen genutzt und Freiflächen geschont (Abb.: Paragon-Apartments in Berlin-Prenzlauer Berg)

Durch innerstädtische Verdichtung und Aufstockung werden vorhandene Strukturen genutzt und Freiflächen geschont (Abb.: Paragon-Apartments in Berlin-Prenzlauer Berg)

Einführung

Nachhaltigkeit im Gebäudebestand

In der nördlichen Hemisphäre erzielen Südfassaden im Winter die höchsten solaren Wärmegewinne, im Sommer lassen sie sich am leichtesten gegen Überhitzung schützen (im Bild: VM Häuser in Orestad/Kopenhagen, 2005; Architektur: BIG + JSD = PLOT, Kopenhagen).

In der nördlichen Hemisphäre erzielen Südfassaden im Winter die höchsten solaren Wärmegewinne, im Sommer lassen sie sich am leichtesten gegen Überhitzung schützen (im Bild: VM Häuser in Orestad/Kopenhagen, 2005; Architektur: BIG + JSD = PLOT, Kopenhagen).

Planungsgrundlagen

Solarenergie nutzen

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Mauerwerk sponsored by:
Wienerberger | Kontakt 0511 / 610 70-0 | www.wienerberger.de