Olympische Schießsportstätten in London

Demontierbare Zeltkonstruktionen aus recycelbaren Membranen

Sportliche Großereignisse, wie zuletzt die Olympiade 2012 in London, erfordern für eine kurze Zeit Raumkapazitäten, die danach in dieser Größenordnung nicht wieder gebraucht werden. Den Bedarf können temporäre Bauten decken, die sich später zurückbauen, translozieren oder recyceln lassen. So kann man die Sportstätten für die olympischen und paralympischen Schießwettkämpfe in London im weitesten Sinne als Zeltkonstruktionen bezeichnen.

Drei Arenen bilden den Schießsport-Campus
Dachuntersicht und Innenfassade sind gleich behandelt
Für Licht und Luft: Legendary Pink Dot

Für die Dauer der Spiele waren die vom Berliner Büro Magma Architecture konzipierten Bauten auf dem Gelände der Royal Artillerie Barracks im Londoner Stadtteil Woolwich errichtet. Sie erfüllten nicht nur alle Anforderungen der spezifischen Nutzung, sondern verliehen mit ihren expressiven Membrandächern und -fassaden auch der „Dynamik und Präzision“ des Schießsports einen prägnanten Ausdruck. Zugleich ließ das heitere Erscheinungsbild eine ironische Komponente vermuten: Man hörte förmlich das Plopp, mit dem sich die farbigen Punkte aus der schneeweißen Außenhaut der Baukörper stülpten.

Drei weiße Quader für die Schießdistanzen 10, 25 und 50 m gruppierten die Architekten zu einem Campus auf der grünen Wiese. Jedem Bauteil waren Punkte einer Farbe zugeordnet. Der mit 107 m längste Bau der Gruppe, gesprenkelt in Magenta, nahm Bezug auf die historischen Kasernen des Standorts. Insgesamt 3.800 Zuschauer fanden in den drei Gebäuden Platz. Für die Schussfelder wurde den Quadern ein flacher, teilweise nach oben offener Rucksack aus Holzwänden angehängt. Die Schusslinie, an der sich die Athleten aufstellten, befand sich genau an Grenze zum hohen Tribünenraum der Zuschauer.

Fassade
Die Vorgaben, rasch aufzubauende und komplett demontierbare Gebäude aus recyclingfähigem Material zu entwickeln, führten zu einem modularen System aus stählernen Raumfachwerkträgern, die sowohl vertikal stützend als auch horizontal tragend eingesetzt wurden. Durch eine Trägerhöhe von bis zu 2,30 m ließen sich große Spannweiten überbrücken, sodass eine gute Sicht auf die Spielfelder gesichert war. Selbst die Fundamente waren als revidierbare Rammpfähle aus Stahlrohr gefertigt. Hierfür konnten die ausführenden Firmen gebrauchte Rohrleitungen wiederverwenden.

Die Skelettkonstruktionen wurden mit insgesamt 18.000 m² PVC-Membranen verkleidet, die ohne Phtalate (Primärweichmacher) produziert wurden. Die Wahl fiel auf dieses Material, weil es die besten technischen Eigenschaften aufwies und zu 100% recycelbar sein soll. Zudem besitzt es eine hohe Lichtdurchlässigkeit, sodass die Innenräume auch ohne Fenster ausreichend belichtet waren.

Ihre Stabilität erhielten die Membranen durch eine doppelte Krümmung: Am Fachwerk verspannte Stahlringe drückten und zogen die Außenhaut, damit sie nicht flatterte und sich kein Wasser ansammeln konnte. Die farbigen Kreisflächen innerhalb der Stahlringe hatten nicht nur dekorative Funktion: Sie dienten im Erdgeschoss als Zugänge und sorgten, mit einer durchlässigen Gaze verschlossen, für die Ventilation der Gebäude. Eine zweite Membran im Inneren kaschierte das Tragwerk und erzeugte einen Zwischenraum, durch den aufgrund des Kamineffekts ständig Frischluft in die Zuschauerräume strömte.

Nach Abschluss der Wettkämpfe wurden die Schießsportstätten komplett demontiert – sie warten nun zusammengefaltet auf ihren nächsten Einsatz. Zwei der Bauten sollen 2014 bei den Commonwealth-Spielen wieder errichtet werden. Auf dem Rasen der Royal Artillerie Barracks in London erinnert indes fast nichts mehr an das große Sportereignis des Jahres 2012. -pn

Bautafel

Architekten: Magma Architecture, Berlin (Martin Ostermann mit Lena Kleinheinz),
Projektbeteiligte: Hendrik Bohle, Susanne Welcker, Pablo Carballal, Niko Mahler, Philipp Mecke, Diana Drogan, Veljko Markovicz, Manuel Welsky (Planungsteam); Mott MacDonald, Croydon, Surrey (Generalplanung, Tragwerk, Haustechnik und Brandschutz); Base Structures, Bristol (Membranbau)
Bauherr:
Olympic Delivery Authority, London
Fertigstellung:
2012
Standort:
wechselnd
Bildnachweis: J.L. Diehl, Berlin; Hufton+Crow, London; Base Structures, London

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Vorgespannte Kissen aus ETFE-Folie umhüllen die Allianz Arena in München. Architekten: Herzog & de Meuron, Basel

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Materialien

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