Neues Rathaus in Bremen

Rekonstruktion eines Inlaid-Linoleums

Das am Marktplatz der Bremer Altstadt gelegene Rathaus gehört zu den wichtigsten Bauwerken der Gotik und der Weserrenaissance in Europa; seine Grundsteinlegung als Altes Rathaus erfolgte 1405 auf dem Höhepunkt der städtischen Entwicklung. Zahlreiche An- und Umbauten von unterschiedlichen Architekten haben die Gestaltung des Gebäudes im Laufe der Zeit geprägt und verändert. Das sogennante Neue Rathaus ist ein Erweiterungsbau nach dem Entwurf des Münchner Architekten Gabriel von Seidl, der 1907 als Sieger aus einem beschränkten Wettbewerb hervorging. Nach vierjähriger Bauzeit erfolgte die Einweihung dieses Gebäudeteils im Jahr 1913. Hier befindet sich der Senatssaal, in dem wöchentlich die Sitzungen des Senats der Freien Hansestadt Bremen stattfinden, weiterhin sind darin ein Festsaal, der Kaminsaal, das Gobelinzimmer, das Hansazimmer, die Wandelhalle und die obere Wandelhalle untergebracht.

Die Diele im 2. Obergeschoss des Neuen Rathauses Bremen
Die Platinen von 83 × 83 cm wurden mit großer Sorgfalt so angeordnet, dass die Flucht der Elemente genau dem Vorbild entspricht
Von der Diele reicht das Inlaid-Linoleum bis in die Flure

Im gesamten Haus kommen unterschiedlichen Bodenbeläge zum Einsatz, vom Steinboden über Eichenparkett bis zu Teppichen und Linoleum. Die Diele der Verwaltungsebene im zweiten Stock, wo lange Zeit die Rathaus-Druckerei untergebracht war, wurde mit Linoleum nach einem Entwurf des Architekten und Industriedesigners Peter Behrens (1868–1940) gestaltet.

Boden
In der Diele kam ein sogenanntes Inlaid-Linoleum mit einem gleichmäßig durch die gesamte Dicke des Belags gehenden zweifarbigen Muster zum Einsatz. In den 1970er Jahren wurde es mit einem Teppichboden übergeklebt, obwohl bekannt war, dass darunter das Design von Peter Behrens verschwand. Als rund 20 Jahre später der Teppichboden verschlissen war und eine Renovierung anstand, hatte sich die Einstellung zu Linoleum und zur Wahrung erhaltenswerter Traditionen gewandelt. Der Landesdenkmalpfleger Peter Hahn und die Rathaus-Verwaltungsleiterin Kornelia Buhr legten fest, dass in der 240 m² großen Diele das Linoleum mit dem gelb-schwarzen fliesenähnlichen Design von Behrens wieder hergestellt werden sollte. Leider war das Original durch Gebrauch und das Überkleben unrettbar verloren und so kam es zu einer Neuauflage des Inlaid-Linoleums.

Die Produktionsmethoden für Inlaids hatten sich jedoch geändert. Beim früheren Inlaid-Verfahren wurde die Linoleum-Mischung mit Hilfe von Schablonen genau nach dem vorgegebenen Muster auf einem Juteträger angeordnet und dann durch Pressen verdichtet. Dieses Verfahren ist aus Zeit- und Kostengründen heute nicht mehr möglich. Und so entstand der neue Boden: Zunächst wurden einfarbige Bahnen in Schwarz und Cremegelb hergestellt, dann das Grundelement des Musters einmal kopiert und auf die Ultraschallschneideanlage übertragen. Über elektronisch gesteuerte Koordinaten-Führungen schnitt ein lanzettförmiges Messer mit hoher Präzision die gewünschten Teile. In Handarbeit wurden die Stücke einzeln zu sogenannten Platinen von ca. 83 × 83 cm zusammengeführt und mit einer Folie für den Transport und die Verlegung gesichert. Insgesamt wirken die Konturen des Musters durch die neue Produktionsmethode eine Spur schärfer als früher, was sich durch den Gebrauch aber voraussichtlich verlieren wird. Für das Auge sind keine Fugen erkennbar.
 
Nachdem schon die Bestimmung des Originalgelbtons nicht einfach war, da nur ein Stück des alten Bodens vorhanden war, tauchte vor dem Verlegen ein weiteres Problem auf: Der alte Estrich war stark angegriffen und ein moderner Gipsestrich wurde von den Denkmalpflegern nicht akzeptiert. Schließlich wurde der Estrich nach altem Rezept repariert. Mit großer Achtsamkeit wurden die Platinen so angeordnet, dass die Flucht der Elemente genau dem Vorbild entspricht. Am Ende der Verlegung wurden die Folien abgezogen und sofort die Einpflege vorgenommen, um das kostbare Remake auf Dauer zu schützen.

Das berühmte Muster von Peter Behrens ist nur hier an der Originalstätte zu sehen: es ist geschützt und wurde ausschließlich für diesen Zweck freigegeben. Im Juli 2004 wurde das Bremer Rathaus zusammen mit dem Bremer Roland von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit ernannt.

Bautafel

Architekten: u.a. Lüder von Bentheim, Gabriel von Seidl
Projektbeteiligte: DLW Flooring, Bietigheim-Bissingen (Inlaid-Linoleum); Graffstedt, Bremen (Bodenverleger)
Bauherr: Hansestadt Bremen
Fertigstellung: 1913 Einweihung des Neuen Rathauses, 2003 Abschluss letzte Sanierungsarbeiten
Standort: Am Marktplatz, Bremen
Bildnachweis: DLW Flooring, Bietigheim-Bissingen; Jürgen Howaldt

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