IBA-Pilotprojekt: Wohngebäude mit Bioreaktorfassade

Lebende Mikroalgen als Energielieferanten

Im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg ist zur Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 ein fünfgeschossiges Wohnhaus fertiggestellt worden, das auf ungewöhnliche Weise selbst Energie produziert. Dazu ist das Algenhaus BIQ mit einer Bioreaktorfassade ausgestattet, die sowohl Photosynthese als auch Solarthermie nutzt, um Biomasse und gleichzeitig Wärme zu produzieren. In doppelwandigen Fassadenelementen aus Glas, den sogenannten Solarleafs, werden an der Südwest- und Südostfassade auf rund 200 m² Mikroalgen gezüchtet und Sonnenstrahlen absorbiert. Als Zusatzeffekt soll die Algen-Fassade Lärm reduzieren, den Wärmeschutz verbessern und außerdem als Sonnenschutz dienen.

Mithilfe von Tageslicht unter Zugabe von CO2, Wasser und Nährstoffen vermehren sich die Mikroalgen schnell
Die Bioreakto­­ren sind in einem zirkulieren­den System miteinander verbunden
Die mit einer Kulturflüssigkeit gefüllten Glasmodule sind vor der Südwest- und Südostfassade angebracht

Die einzelnen Elemente der Fassade, sogenannte Bioreaktoren, bestehen aus Aluminiumrahmen, in denen zwei Glasscheiben durch Distanzprofile auf Abstand zueinander gehalten werden. Der Hohlraum zwischen den Scheiben fasst jeweils rund 24 Liter einer mit Nährsalzen angereicherten Kulturflüssigkeit, in der die Algen leben. ­Jedes Modul hat einen Zu- und einen ­Ablauf. Dadurch sind alle Bioreakto­­ren zu einem zirkulieren­den System verbunden. Mithilfe von Tageslicht unter Zugabe von CO₂, Wasser und Nährstoffen vermehren sich die Mikroalgen schnell. Tagsüber fungieren die Reaktoren zudem als solarthermische Absorber: Durch die Sonnenstrahlung heizen sie sich auf. Die entstandene Wärme wird über einen Wärmetauscher abgeleitet und entweder gespeichert oder direkt für die Warmwasserbereitung genutzt.

Die durch das Wachstum der Algen entstehende Biomasse wird täglich von einem automatischen Algenabscheider geerntet. Dabei werden die Mikroalgen aus der Flüssigkeit herausgefiltert. Laut Energiekonzept sollte eine Konversionsapparatur die gewonnene Algenbiomasse in Methan (Biogas) umwandeln und mit dem Gas ein Blockheizkraftwerk betrieben werden, das Strom und Wärme erzeugt. Das beim Verbrennungsprozess entstehende Kohlendioxid (CO₂) hätte wieder in die Algenfassade geleitet werden können, um die Mikrobiomasse zu düngen. Rechnerisch hätte die Bioreaktorfassade so einen Nettoenergiegewinn von rund 4.500 kWh im Jahr erzielen können. Zum Vergleich: Eine vierköpfige Familie verbraucht in Deutschland im Jahr rund 4.000 kWh.

Aus rechtlichen Gründen durfte die Umwandlung der Algenmasse in Biogas jedoch nicht an einem Wohngebäude durchgeführt werden. Laut Angaben der IBA Hamburg fallen zurzeit täglich mehrere Kilogramm Algen an, die stattdessen zu Forschungszwecken zum Einsatz kommen. Auch wenn bei diesem Pilotprojekt die Fassade noch nicht zur Stromerzeugung genutzt werden kann, brachte der Einsatz der Bioreaktorfassade doch interessante neue Erkenntnisse: Die schnelle Vermehrung der Algen funktioniert. Das heißt, es ist mithilfe von Sonnenenergie möglich, eine beträchtliche Menge an Biomasse in einem innerstädtischen Umfeld und ohne zusätzlichen Flächenverbrauch herzustellen, wie er in der Landwirtschaft entsteht. Als Alternative zur Nutzung als Brennstoff ist zum Beispiel die Verwendung als Fischfutter zur ressourcenschonenden Nahrungsmittelproduktion angedacht.

Idee und Konzept des Projektes sind eine Gemeinschaftsarbeit von Arup-Materials Consulting, Berlin zusammen mit den Planern von Splitterwerk aus Graz, Bollinger und Grohmann Ingenieure aus Frankfurt, der Immosolar aus Hamburg, der Strategic Science Consult (SSG), ebenfalls aus Hamburg, sowie der Firma Colt aus Kleve. Investor ist die KOS Wulff Immobiliengesellschaft, Hamburg.

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