Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin

Heizen mit Abwärme der Server

Zentral in Berlin Mitte steht das neue Gebäude der Heinrich-Böll-Stiftung, die Projekte zur Stärkung von Zivilcourage, Demokratie und Menschenrechten unterstützt. Das Haus nimmt, umgeben von Bäumen am Rand eines Parks, eine geringe Grundfläche ein. Es besteht aus zwei kontrastierenden Volumen: In einen in die Vertikale strebenden eher unscheinbaren Bürobau ist oberhalb des Erdgeschosses eine elegante eingeschossige Villa implantiert. Mies van der Rohes Seagram Building mit einem eingeschobenen Farnsworth House - diese Idee inspirierte die e2a Architekten.

Die elegante Glaskiste kragt weit aus dem Bürohaus heraus
Konferenzsaal in der Beletage
Kokosfasern, Estrich, Metallschränke und Akustikpaneele auf den Büroebenen

Das Budget war knapp und so ist der Bürobereich kompakt, stringent und günstig ausgeführt. Die verglaste, ausladende Beletage hingegen fungiert als transparente Stadtbühne, dient als Ort für Konferenzen und Veranstaltungen sowie einer Bibliothek. Von der Straße aus vollzieht sich der Übergang ins Haus schwellenlos in ein geräumiges und rundum verglastes Foyer. Hier führt eine elf Meter breite Treppe zur Beletage, deren Stufen zudem als Sitzgelegenheit bei Vorträgen oder Filmvorführungen dienen. Die Stufen sind bedeckt von einem Werk des Berliner Künstlers Via Lewandowsky, einem knallgrünen Teppich, auf dem eine Schafherde aus der Vogelperspektive abgebildet ist. Die übrigen Materialien sind kühl - Beton, Aluminium und Glas, teilweise orange und grün getönt.

Die vier Bürogeschosse verfügen über geschlossene und offene Arbeitsräume und sind ebenfalls vorwiegend mit kühlen und harten Oberflächen gestaltet: Estrich, Sichtbeton, Stahlschränke. Nur in den Korridoren liegen Läufer aus Kokosfasern, in den verglasten Besprechungsräumen Terrazzo. Ein Atrium dient der Belichtung und Belüftung der Büroetagen. Dessen Wände sind mit fein gelochten Metallpaneelen bedeckt.

Nachhaltig Bauen
Architektur, Fassade und Gebäudetechnik sind in dem Gebäude aufeinander abgestimmt, der Primärenergieverbrauch ist minimiert. Bilanziert wurde mit 55,7 kWh/m² nicht nur der laufende Verbrauch im Betrieb, sondern auch die Energie zur Produktion von Anlagen und Geräten. Damit verbraucht das Haus weniger als die Hälfte an Energie als andere neue, nach der EnEV errichtete Bürogebäude. Das Energiekonzept folgt drei wesentlichen Regeln: Um Ressourcen zu sparen und Installations- und Betriebskosten niedrig zu halten, werden durchdachte Systeme mit wenigen Geräten eingesetzt. Jede Abwärme wird genutzt, Lüftung und Kühlung sind möglichst natürlich und werden durch die Nutzer bestimmt.

Auf dem Dach ist eine Photovoltaik-Anlage installiert, deren jährlicher Ertrag von etwa 53.000 kWh dem Stromnetz zugeführt wird. Die Büros werden entlang der Fensterfronten über so genannte Brüstungsklimageräte mit Wasser gekühlt. Hochleistungswärmetauscher in den Geräten lassen im Sommer Wasser mit einer Temperatur von 20°C zirkulieren, ein kleiner Ventilator verteilt die gekühlte Luft im Raum, dessen Temperaturen so 25°C nicht übersteigen. Das Kühlwasser wird über einen adiabatischen Rückkühler im Keller des Gebäudes erzeugt, auf dessen Rohren Stadtwasser versprüht wird. Die dabei entstehende Verdunstungskälte kühlt das Wasser wieder auf 20°C zurück, das über den Kreislauf wieder in die Büros gelangt.

Im Winter sorgen die gleichen Geräte für Wärme und benötigen dafür eine Vorlauftemperatur von nur 28°C. Zur Beheizung wird die Abwärme der Server genutzt, die in so genannten Cool-Racks stehen. Diese werden von Wasser mit einer Temperatur von 23°C durchflossen und erwärmen das Wasser etwa um 4°C. Das 27°C warme Wasser wird dann in das Heizsystem eingespeist und deckt so ein Viertel der Heizleistung für das Bürohaus. Für die Wärme ist also zusätzlich nur die für die Umwälzung des Wassers benötigte Pumpenergie aufzubringen. Im Sommer werden die Server auch über die adiabatischen Rückkühler gekühlt. Dieses Konzept der Planer von Basler & Hofmann wurde mit dem GreenCIO Award ausgezeichnet, der eine verbesserte Energieeffizienz von IT-Systemen auszeichnet.

Das Atrium ist die "Lunge" des Gebäudes. Im Sommer wird der Innenhof durch das offene Dach natürlich belüftet; im Winter bei geschlossenem Dach sorgt ein Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung für die Frischluftzufuhr. Die Abwärme der WC-Abluft dient dabei zum Aufwärmen der Frischluft. Die Büros lassen sich mit hohen Fensterflügeln zum Atrium und zu den Fluren im Inneren des Gebäudes öffnen. So ist auch im Winter eine natürliche Lüftung ohne Wärmeverluste möglich. -us

Bautafel

Architekt: e2a eckert eckert architekten, Zürich/CH
Projektbeteiligte: Basler und Hofmann, Zürich/CH (Energiekonzept, Bauphysik, Ökologie, TGA-Planung); Hermann Kirchner, Berlin (Bauleitung); RPB Rückert, Berlin (Statik); IB Franke, Glienicke (Fassadenplanung); Grammer Solar, Amberg (Photovoltaik); Hendriks Landschaftsarchitekten, Gießen (Landschaftsarchitektur); Via Lewandowsky, Berlin (Kunst am Bau)
Bauherr: Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
Fertigstellung: 2008
Standort: Schumannstr. 8, Berlin
Bildnachweis: Jan Bitter, Berlin

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